RN/31

11.38

Abgeordnete Mag. Karoline Edtstadler (ÖVP): Vielen Dank, Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und vor den digitalen Endgeräten! Bevor ich hier in eine sehr ernste Debatte eintrete, darf ich im Namen des Abgeordneten Norbert Sieber eine Gruppe aus Hörbranz ganz herzlich begrüßen: die Kneippgruppe mit Obmann Elmar Marent, der auch ehemaliger Sicherheitsdirektor ist – insofern sind Sie also genau beim richtigen Tagesordnungspunkt hier zu Gast. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren, wir leben in einer Zeit, in der antisemitische Tendenzen seit Jahren im Steigen begriffen sind, in der die Ränder und damit die Extreme an Stärke gewinnen und in der die Spaltung von manchen – leider auch politischen – Kräften bewusst forciert wird. (Abg. Pracher-Hilander [FPÖ]: ... der ORF!)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Stefan, keiner feiert sich für diese Situation ab, sondern ganz im Gegenteil: Es gilt, dem entschieden entgegenzutreten, in einer Zeit, in der wir in Österreich, in Europa und weltweit eine besorgniserregende Entwicklung im Bereich von Antisemitismus, aber auch bei anderen extremen Entwicklungen und homophoben Entwicklungen wahrnehmen. Da gilt es, als Gesellschaft gemeinsam dagegenzuhalten und nicht so zu tun, als ginge es einfach darum, Menschen abzuschieben und damit das Problem zu lösen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen.)

Antisemitismus ist nicht nur ein Angriff auf Jüdinnen und Juden und das jüdische Leben, sondern Antisemitismus stellt eine Bedrohung für unsere Demokratie, für unsere freie, liberale Gesellschaft, für unsere Grundwerte und unser friedliches Zusammenleben dar. Ich kann es auf den Punkt bringen: Wenn Jüdinnen und Juden unter Druck sind, dann sind wir alle unter Druck.

Mit der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus hat Österreich bereits im Jahr 2020 begonnen, eine Strategie auf den Weg zu bringen, die ich damals als zuständige Bundesministerin auch mit dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, im Jänner 2021 präsentieren durfte. Das war lange bevor die Europäische Kommission auch alle anderen Mitgliedstaaten aufgefordert hat, eine entsprechende Strategie auf den Weg zu bringen. Unser Ziel war schon damals ganz klar: Wir wollten zum Ersten jüdisches Leben schützen und fördern, zum Zweiten antisemitische Tendenzen verhindern und zum Dritten den gesellschaftlichen Zusammenhalt wieder hervorheben und auch stärken.

Wir haben 41 Maßnahmen in sechs Handlungsbereichen definiert und wir haben die Nationale Strategie gegen Antisemitismus in der Zwischenzeit auch um Onlinemaßnahmen – ein Bereich, der uns sehr viel Sorge bereitet – erweitert. Diese sechs Handlungsbereiche sind im Bereich der Bildung und Forschung, der Sicherheit, der Strafverfolgung, der Dokumentation und des europaweiten Vergleichs, ein ganz wesentlicher Bereich, der Integration und auch des gesellschaftlichen Ansatzes. 

Von diesen 41 Maßnahmen sind 38 Maßnahmen bereits zur Gänze umgesetzt und drei weitere befinden sich in Umsetzung – logischerweise nach wie vor in Umsetzung, denn da geht es etwa um die laufende Evaluierung der Sensibilisierungsangebote für Lehrkräfte oder auch die Schulungsmaßnahmen für öffentliche Verwaltungsbedienstete.

Nun ja, 38 Maßnahmen sind umgesetzt; aber ist damit alles getan? Ist es damit erledigt? – Selbstverständlich nicht! Ich sage es noch einmal: Keiner feiert sich ab, dass es diese Nationale Strategie gibt. Ganz im Gegenteil: Diese Strategie ist notwendig, damit wir in Frieden zusammenleben können. Ich habe das immer betont: Der Kampf gegen Antisemitismus ist kein Sprint – es ist ein Marathon. (Beifall bei ÖVP, NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jeder einzelne Vorfall ist ein Vorfall zu viel. Bedenken Sie: Hinter diesen Vorfällen stehen Bedrohungen, Sachbeschädigungen, verletzendes Verhalten, psychische Angriffe, physische Angriffe und Massenzuschriften. Das hinterlässt Spuren, das macht Angst, das verursacht Sorge in der Community – verständlicherweise. Das bedingt auch, dass mehr Polizeipräsenz vor jüdischen Einrichtungen, vor Synagogen notwendig ist. Wir haben uns an dieses Bild gewöhnt. Es ist notwendig, diese Polizeipräsenz zu haben, aber ich möchte auch sagen: Es ist unglaublich traurig, dass das notwendig ist. 

Diese Strategie ist nicht in Stein gemeißelt. Diese Strategie muss weiterentwickelt werden, sie muss analysiert werden. Diese Strategie muss Fortsetzung finden. Ich darf dazusagen, dass mir diese Strategie und der Kampf gegen Antisemitismus immer ein Herzensanliegen waren, und zwar von Anbeginn an – als ich bereits als Mittelschülerin mit diesem Thema in Kontakt gekommen bin, als ich den Präsidenten der jüdischen Gemeinde, Marko Feingold, in Salzburg kennenlernen durfte, der drei Konzentrationslager überlebt hat, der nicht müde geworden ist, junge Menschen, Schülerinnen und Schüler davon zu überzeugen, sich mit der Geschichte zu beschäftigen, Zivilcourage an den Tag zu legen, und der auch immer wieder seine persönliche Geschichte erzählt hat. Diese Menschen gibt es weniger und weniger, denn sie sterben. Höchste Bewunderung vor jedem Einzelnen, der immer wieder die eigene Geschichte erzählt, um dafür zu sorgen, dass wir aus der Geschichte lernen.

Dieses Herzensanliegen liegt jetzt in den Händen von Staatssekretär Alexander Pröll und ich bin guter Dinge, dass es da genau richtig aufgehoben ist. Ich möchte dir, lieber Xandi, das Allerbeste wünschen – mit deinem tollen Team in deinem Büro, Leo Czernin, der das auch in meinem Kabinett bereits betreut hat, mit einem Abteilungsleiter einer eigens dafür geschaffenen Abteilung, Antonio Martino, und seinen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 

Ich kann dir nur sagen: Wenn du stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Menschen in dieser Community hast, aber auch gegenüber allen anderen, dann werden wir es gemeinsam schaffen, mit einem gesellschaftlichen Ansatz gegen Antisemitismus, Extremismus und Hass in dieser Gesellschaft anzukämpfen – für das Ziel: ein Österreich, ein Europa, eine Welt frei von Antisemitismus. – Vielen Dank und alles Gute. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

11.45

Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sabine Schatz.