RN/38
12.14
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Danke sehr, Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Hohen Haus und vor den Bildschirmen! Wehret den Anfängen! – Damit bin ich politisch sozialisiert worden, und ich bin, wenn ich den Bericht, die Evaluierung zur Nationalen Strategie gegen Antisemitismus, jetzt erörtere und im Verfassungsausschuss mit Ihnen diskutiere, sehr bestürzt darüber, dass die Zahlen steigen. Offensichtlich war das nicht wirkungsvoll genug. Wehret den Anfängen!, haben wir wohl nicht ernst genug genommen. Haben wir denn breit eine gesellschaftliche Diskussion, die wirklich bis in die Mitte der Gesellschaft hineingereicht hätte, geführt? Ist es denn die Lösung, wenn wir das nur strafrechtlich sanktionieren, oder aber sollten wir ganz ernsthaft unsere Schwerpunkte im Bereich der Bildung und der gesellschaftlichen Diskussion und des Dialoges setzen?
Ich bin überzeugt davon, dass es wichtig ist, diese Strategie weiterzuentwickeln, und es ist auch gut, diesem Thema einen prominenten Platz im Parlament zu geben, aber wirken muss es! Wirken muss es, und es darf auch nicht so sein, dass wir mit dem Finger nur in die Richtung zeigen, wo es laut und sichtbar ist – das lehnen wir genauso ab –, ob es jetzt aus extrem islamistischen Kreisen, unreflektierten Kreisen oder Rechtsextremistenkreisen kommt, oder es einfach nur so hingenommen wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wöginger [ÖVP].)
Wir müssen uns ernsthaft damit auseinandersetzen, und jede Gesellschaftsgruppe – ob jetzt Burschenschafter, verschiedene Organisationen, Vereine, sie alle – hat sich damit auseinanderzusetzen. Und gerade die Burschenschafter müssten eigentlich genauer hinschauen und sich damit beschäftigen und sich hinterfragen, ob es denn vielleicht genügt, nur eine feinere Klinge zu verwenden, oder ob es denn wichtig ist, sich auch anzuschauen, wie mit Symbolen gearbeitet wird.
Was soll ich mir dabei denken, wenn jede Form von korrekter Diskussion quasi als Wokeness abgewertet wird? Worum geht es denn dabei? Ist denn nicht gerade die Sprache so wichtig? Ist denn nicht gerade auch die Symbolik so wichtig, sodass wir sagen müssen: Hoppla! Nur mit einer feinen Klinge übertüncht, aber es werden doch so symbolische Inputs gegeben und Leute, die vielleicht aus ihrer Vergangenheit noch irgendwie belastet sein könnten, hier noch einmal verstärkt. Ist es denn nicht wichtig, genauso hinzuschauen in Vereinen (Zwischenruf des Abg. Mölzer [FPÖ]), wo offensichtlicher Antisemitismus, Judenhass herrscht, wie auch dort, wo versteckte Symbolpolitik herrscht?
Ich möchte, weil für 11. Mai das Mauthausen-Komitee zur Befreiungsfeier eingeladen hat, einfach wissen: Wer geht denn da wirklich hin, der sich auch ernsthaft mit der Vergangenheit auseinandersetzt? Wer setzt sich denn wirklich damit auseinander? – Ich kann mich noch an den letzten Besuch bei dieser Feier erinnern: Ich war berührt davon, unglaublich große weltweit angereiste internationale Gruppen zu sehen, die gekommen sind, um einfach zu mahnen, darauf hinzuweisen und daran zu erinnern, dass es so nicht sein darf.
Das ist die größere Gefahr: dass das Ganze in Vergessenheit gerät, daher ersuche ich um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Verantwortung, die wir alle haben, mit einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, damit wir in einer besseren offenen Gesellschaft leben können, damit wir auch tatsächlich den Anfängen wehren können und damit wir tatsächlich dem Slogan: Nie wieder!, auch gerecht werden.
In diesem Sinne ersuche ich, hier von tagespolitischen Ablenkungsmanövern abzusehen, sondern sich mit diesem wirklich schlimmen Problem ernsthaft auseinanderzusetzen und es gemeinsam zu bekämpfen. Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass Menschen jüdischen Glaubens nicht nur frei und in Sicherheit leben können, sondern dass ihre Kultur und Lebensweise hier in Österreich auch gefördert wird, und das geht nur gemeinsam und mit einer ehrlichen und offenen Diskussion.
In diesem Sinne lade ich Sie ein: Nehmen Sie an diesen Gedenkveranstaltungen teil, im Sinne von: reflektieren Sie auch und nehmen Sie das Problem ernst! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer [Grüne].)
12.19
Präsident Peter Haubner: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.