RN/60
13.58
Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Vorweg geht mein Dank an die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Allein laut Bericht für die Privatwirtschaft hat die Gleichbehandlungsanwaltschaft 5 231-mal informiert, beraten und unterstützt. Die Fälle reichen von der traurigen Spitzenreiterin im Bereich der sexuellen Belästigung über Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechts bis zur Diskriminierung wegen der Religion, des Alters und der sexuellen Orientierung.
Besonders eine Tatsache sticht dabei ins Auge: Die meisten Diskriminierungen gab es in jenen Bereichen, in denen Diskriminierung in allen Lebensbereichen verboten ist, zum Beispiel bei der ethnischen Zugehörigkeit, und das kann auch nicht verwundern. Die GAW darf bis heute Menschen nicht helfen, die zum Beispiel wegen ihrer sexuellen Orientierung aus einem Lokal geworfen werden oder wegen ihrer Religion eine Wohnung nicht bekommen, weil es dafür bis heute keinen umfassenden Schutz vor Diskriminierung gibt. Alleine der GAW wurden 341 solche Fälle von Diskriminierung geschildert.
Genau deshalb unterstützt die SPÖ auch die zentralen Empfehlungen der GAW in diesem Bericht: voller Schutz vor Diskriminierung in allen Lebensbereichen; Schließung der Gesetzeslücken im Gleichbehandlungsgesetz; eine Stärkung der Gleichbehandlungsanwaltschaft; Ausbau der Klagerechte, um noch mehr Menschen helfen zu können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
In 1 480 Fällen ging es um handfeste Fälle von Diskriminierung. Das bedeutet einen Anstieg von 35 Prozent und zeigt, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft leider entwickelt. An dieser Stelle geht mein Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gleichbehandlungsanwaltschaft: vielen Dank für eure wertvolle Arbeit! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen sowie des Abg. Gasser [NEOS].)
Die vorliegenden Berichte, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigen aber nur eine Seite der Medaille, denn eine Gesellschaft, die Diskriminierung zulässt, ist leider auch eine Gesellschaft, in der Hass zunimmt. Welche Folgen dieser Hass haben kann, das haben wir leider am vergangenen Wochenende schmerzlich erlebt.
Wir alle sind schockiert über die furchtbaren Medienberichte über Polizeirazzien gegen ein Netzwerk von vor allem österreichischen jungen Männern, die auf ekelerregendste Art Jagd auf Homosexuelle gemacht haben. Die mutmaßlichen Täter haben ihre Opfer in Fallen gelockt, sie erniedrigt, verletzt; in einem Fall berichtet die Polizei sogar von einem versuchten Mord. Ihre feigen Handlungen haben sie aufgenommen und in Chatgruppen verbreitet. Ein Bericht aus dem „Standard“ – ich zitiere –: „In einigen Videos der Gruppe ist zu sehen, wie Opfer brutal verprügelt werden. Etwa treten verhüllte Männer auf eine am Boden liegende Person ein, Blut ist zu sehen.“
„In einer weiteren Aufnahme wird ein kniender Mann von mehreren Männern umzingelt. Auf seine Stirn ist der Name einer ‚Pedo Hunter‘-Gruppe aus Österreich geschrieben. Die Männer zwingen ihn, seine Mutter anzurufen und ihr zu sagen, dass er eine 13-Jährige habe treffen wollen. Dann wird er vor die Kamera gezerrt und muss sagen, dass er ein Pädophiler sei. Die Polizei betont allerdings mit Nachdruck, dass die am Freitag festgenommene Gruppierung nicht Pädophile, sondern schwule Männer ins Visier genommen habe. Die LGBTIQ-Szene“ in Österreich „ist nach wie vor eines der größten Feindbilder von Neonazis und anderen Rechtsextremen.“
Mein Dank geht an dieser Stelle an die Polizistinnen und Polizisten für ihr beherztes Einschreiten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren (eine Tafel mit der Aufschrift „Meldet euch 059133 / 60 3333“ auf das Redner:innenpult stellend), ich ersuche alle potenziellen Opfer, sich unter der Nummer 059133 603333 zu melden, sollte ihnen so ein schrecklicher Vorfall passiert sein. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen.)
„Jagd auf Schwule: Die Stille nach dem Hate-Crime“: „Es ist nicht hinzunehmen, dass schwule Männer in die Falle gelockt, erniedrigt und attackiert worden sind – und es ist auch nicht hinzunehmen, wie wenig jetzt darüber gesprochen wird“. – Ein Kommentar von Ingrid Brodnig, ich zitiere: „Bitte, wo ist der Aufschrei? Wo bleibt die breite gesellschaftliche Verurteilung von Hasskriminalität gegen Schwule? [...] Mich irritiert, wie wenig hierüber gesprochen wird. Es ist bezeichnend, wer still bleibt. SPÖ, Grüne, Neos drückten prompt ihr Entsetzen aus. Auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) spricht von einer ‚brutalen und menschenverachtenden Tätergruppe‘. Die FPÖ hingegen hat (auf dem Stand von Mittwochmittag) keine Aussendung über OTS.at hierzu gemacht. Herbert Kickl hat seit Bekanntwerden der Razzien 23-mal auf Facebook gepostet – keine Zeile hierzu. Diese Stille spricht Bände: welche Form von Gewalt groß zum Thema gemacht wird und welche nicht.“ (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestern hat sich die LGBTIQ-plus-Intergroup in diesem Haus konstituiert, und ich danke explizit Nico Marchetti, Henrike Brandstötter, David Stögmüller sowie allen Klubsekretärinnen und Klubsekretären von ÖVP, SPÖ, NEOS und den Grünen und unseren parlamentarischen Mitarbeiter:innen für den vorliegenden Antrag.
Die Politik handelt rasch und konstruktiv, daher bringe ich den folgenden Entschließungsantrag zu Punkt 7 ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mario Lindner, Nico Marchetti, Henrike Brandstötter, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nationaler Aktionsplan gegen Hate Crime“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird ersucht, rasch einen ‚Nationalen Aktionsplan gegen Hate Crime‘ zu erarbeiten und zu beschließen, mit dem alle Ebenen der Bundesverwaltung dazu verpflichtet werden, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches wirksame Maßnahmen umzusetzen, um vorurteilsmotivierte Verbrechen zu stoppen und ihren Ursachen präventiv entgegenzuwirken. Dem Nationalrat soll über die Gestaltung und Umsetzung dieses Nationalen Aktionsplans regelmäßig berichtet werden.“
Ich bitte um breite Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss ein Wort an die FPÖ: In Österreich attackiert ein rechtsextremes Netzwerk unschuldige Menschen, und euch fällt nur ein Antrag ein, der Transmenschen das Leben schwer machen soll. Verzeihen Sie meine Ausdrucksweise, aber ich pack’ das wirklich nicht: Nehmt euren Trump-Dreck und haut euch über die Häuser! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
14.05
Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:
RN/60.1
Nationaler Aktionsplan gegen Hate Crime (27/UEA)
Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Romana Deckenbacher.
Entschuldigung, Frau Abgeordnete, ich muss den Entschließungsantrag noch für ordnungsgemäß eingebracht erklären; er steht daher auch mit in Verhandlung.
Sie gelangen zu Wort.