RN/7
9.23
Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Korinna Schumann: Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das Thema der Sozialhilfe ist ein ganz wesentliches, und auch die Regierung nimmt sich dieses Themas ganz stark an, weil es in Teilen wichtige Lösungen braucht. Wir werden ins Handeln kommen und sind bereits dabei, die ersten Schritte zu setzen.
Ich glaube aber, bei der Wortwahl des Titels dieser Aktuellen Stunde ist schon eindeutig und klar, und Ihre letzten Worte, Frau Abgeordnete, haben das ja auch gezeigt: Es geht um die Wienwahl, es geht sozusagen darum, die Wienwahl vorzubereiten – eindeutig. (Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Es geht um die Millionen, die Sie ...! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Aber eine Europastunde zu Wohnen ...! – Abg. Kickl [FPÖ]: Aber eine Wahl ist doch das Herzstück der Demokratie!)
Ich glaube, es ist wichtiger und ganz, ganz bedeutend, dass man über die Sozialhilfe spricht und dass man die Sozialhilfe als Ganzes anschaut. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kassegger [FPÖ]: Aber eine Europastunde zum Thema Wohnen hat nichts mit der Wienwahl zu tun!) Die Sozialhilfe wurde 2010 unter Bundesminister Rudolf Hundstorfer mit dem Gedanken eingeführt (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ja, aber an den kommen Sie nicht ran!), ein letztes und endgültiges Netz für jene Menschen zu spannen, bei denen alle anderen Leistungen nicht mehr greifen. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: 6 000 Euro!) Das Abrutschen von Menschen ins Bodenlose zu verhindern – das ist die Grundlage der Sozialhilfe. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es war der Grundgedanke bei der Sozialhilfe, immer darauf zu schauen, dass die Menschen wieder in Beschäftigung kommen – das ist der Grundgedanke. Es gibt in der Sozialhilfe Menschen, die arbeitsfähig sind, und es gibt Menschen, die es nicht schaffen – seien es Menschen mit Behinderung oder solche, die eben älter sind. Wir haben verschiedene Personen in der Sozialhilfe, und man muss auf das gesamte System der Sozialhilfe hinschauen.
Zehn Jahre nach der Einführung hat die FPÖ versucht, mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz eine Vereinheitlichung zu erreichen. Das ist leider wirklich gescheitert. Zwei wesentliche Säulen dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes wurden vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, eine davon war der Höchstsatz für die Kinder.
Ich glaube, es ist wichtig, dieses Thema der Sozialhilfe sehr realistisch anzuschauen und zu schauen: Worum geht es denn überhaupt, und wie schaut es denn mit den Zahlen aus? – In den vergangenen Jahren gab es einen Rückgang bei der Zahl der Bezieher:innen von Sozialhilfe. (Heiterkeit des Abg. Wurm [FPÖ].) 2017 haben 327 900 Menschen (Abg. Wurm [FPÖ]: Frau Minister!) – ja, das ist ein Faktum – Sozialhilfe bezogen. 2023 waren es 219 000. Das sind die Zahlen der Statistik Austria, auf die man sich bezieht.
Jetzt schauen wir uns an: Wer kriegt denn Sozialhilfe? Das ist eine ganz wichtige Frage. – Die größte Gruppe unter den Bezieher:innen sind Kinder mit 35 Prozent (Abg. Wurm [FPÖ]: Sind Syrer! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Woher kommen denn die Kinder?), gefolgt von Frauen mit 33 Prozent und Männern mit 32 Prozent. 56 Prozent der Bezieherinnen und Bezieher sind in der Schule oder im Pensionsalter oder können aufgrund einer Behinderung nicht in Beschäftigung sein. 37 Prozent warten darauf, in Beschäftigung kommen zu können, und sind beim AMS gemeldet. Das ist eine wichtige Gruppe, und da muss man hinschauen.
Fast drei Viertel der Bezieher:innen stocken auf, das heißt, sie haben ein Einkommen oder eine Pensionsleistung und stocken darauf auf.
Der durchschnittliche Bezug der Sozialhilfe sind 400 Euro pro Person. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: So weit zur Statistik, und jetzt bitte zum echten Problem!) Die Bezugsdauer – auch da ist es, glaube ich, wichtig, hinzuschauen –: Im Durchschnitt waren die Beziehenden nach neun Monaten aus dem Bezug der Sozialhilfe wieder draußen, 30 Prozent haben sogar weniger als sechs Monate Sozialhilfe bezogen.
Jetzt lassen Sie mich zum Thema illegale Migranten und Asylanten etwas sagen. Da muss man ganz deutlich festhalten: Personen ohne Aufenthaltsrecht in Österreich haben keinen Zugang zu Sozialhilfe. Das ist klar und eindeutig festgehalten, das ist Fakt. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Asylwerber:innen sind von Leistungen der Sozialhilfe ausdrücklich ausgeschlossen, weil sie in der Grundversorgung sind. Asylberechtigte haben Zugang zur Sozialhilfe, sind aber auch verpflichtet, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen und sich Integrationsmaßnahmen zu unterziehen. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ach so, ja! – Abg. Steiner [FPÖ]: Das funktioniert ja tadellos! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Geh, wirklich?) Wenn man keine Befreiung hat und dieser Verpflichtung nicht nachkommt, kommt es zu Sanktionen, das heißt zu Leistungskürzungen. – Das sind die Fakten rund um die Sozialhilfe. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das ist Realitätsverweigerung! – Abg. Lausch [FPÖ]: Wer traut sich, da was zu kürzen?)
Ich glaube, es ist wichtig, hinzuschauen, und mir ist es ganz wichtig, hinzuschauen, wer die Arbeit in diesem Land macht, weil wir die Arbeitskräfte brauchen, und nicht wie eine meiner Vorgängerinnen die Frage zu stellen: „Wer schafft die Arbeit?“ – Das ist in diesem Fall die falsche Frage. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Krisper [NEOS].) Jetzt ist die richtige Frage: Wer macht die Arbeit? – Da muss man hinschauen.
Es geht darum – und das ist auch bedeutend, zu betonen –, Menschen, die arbeiten wollen, können und müssen, die Chance zu geben, dass sie auch Arbeit erhalten, dass sie sich selbst erhalten können und einen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Das ist die Zielrichtung, in die wir gehen müssen, und in diese Richtung wird die Regierung auch gehen.
Lassen Sie mich noch zu den Menschen mit Migrationshintergrund etwas sagen: Sie sind eine wichtige Säule der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts in Österreich. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Es gilt, ihnen ganz besondere Wertschätzung auszudrücken. Denken Sie an die Beschäftigten in der Reinigung, denken Sie an die Beschäftigten in der Pflege, im Gesundheitswesen: So viele Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten dort und leisten tolle Arbeit für uns in Österreich! Wir denken an die Menschen im Handel, an die Menschen in der Produktion: Da wird wirklich zum Wohle Österreichs gearbeitet, und dafür ist Danke zu sagen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das ist aber nicht das Thema!)
Wir haben in Österreich eine Million unselbstständig Beschäftigte mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft – damit ein Viertel aller Beschäftigten –, und sie leisten in Österreich ausgezeichnete Arbeit.
Ich darf Ihnen (in Richtung Abg. Belakowitsch) widersprechen, Frau Abgeordnete: Die Bundesregierung schaut hin, und wir haben zu arbeiten begonnen, gerade rund um das Thema der Sozialhilfe. Im Regierungsprogramm haben wir vereinbart, eine Sozialhilfe neu auf den Weg zu bringen, und das ist ein ganz wichtiger und wegweisender Schritt. Wir sagen: Ganz wichtig ist, all jene Menschen, die beschäftigungsfähig sind, möglichst rasch in Beschäftigung zu bekommen, das heißt, jene Menschen, die arbeitsfähig sind, dem AMS zu überantworten und ihnen dort die Chance zu geben, möglichst rasch in Beschäftigung zu kommen.
Gleichzeitig müssen Integrationsmaßnahmen gesetzt werden. Integration ab dem ersten Tag ist ganz, ganz wesentlich. Wir haben die Integrationsphase in Planung – das wird von meinem Haus gemeinsam mit der Integrationsministerin passieren –, um zu schauen: Wie können wir die Menschen ganz schnell in den Arbeitsmarkt bringen, wie können wir ihnen die Chance geben, die Sprachkenntnisse zu erwerben – auch Frauen, auch das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt –, um ihnen Chancen zu geben und sie zu sich selbst erhaltenden Personen und wichtigen Teilen unserer Gesellschaft zu machen? Das muss die Zielrichtung sein. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
Gleichzeitig werden wir hinschauen, um zu sehen: Wie geht es den Kindern? Die Kinder, die Chancen für Kinder müssen für uns absolut Vorrang haben, das ist wesentlich. Darum haben wir uns darauf verständigt, auch gemeinsam mit der Integrationsministerin, zu sagen: Wir bauen eine Kindergrundsicherung aus (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das auch noch!) und schauen, dass wir die Kinder aus der Armut herausholen. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Dann haben sie noch mehr!) Das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt, denn jedes Kind, das wir zurücklassen, ist in Zukunft ein Kind, das Probleme hat, ein Kind, das keine Chance mehr hat, und das können wir doch alle nicht wollen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Shetty [NEOS].)
Und am Ende dieser Reform, die aus den vielen Teilen besteht, die ich jetzt genannt habe, soll, und das ist ganz wichtig, eine Sozialhilfe stehen, die österreichweit einheitlich ist. Da sind wir, das ist auch ganz klar, auf die Partner angewiesen. Daher ein großer Appell auch an die Politikerinnen und Politiker der FPÖ: Sie sind in sehr vielen Landesregierungen vertreten! Wenn wir wirklich wollen, dass Menschen rasch in Beschäftigung gebracht werden, dass sie rasch aus der Sozialhilfe herauskommen, dann unterstützen Sie bitte das Projekt der Bundesregierung einer Sozialhilfe neu, damit wir den Menschen die Chance geben und damit wir sagen können, die Sozialhilfe ist nicht ein Platz, an dem die Menschen verweilen, sondern von wo sie wieder herauskommen können! Ich bitte und ersuche Sie wirklich um die Unterstützung für dieses ganz wesentliche Projekt der Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
Ich darf noch sagen: Es ist wichtig, die Menschen nicht zu verunsichern. Noch einmal sei erwähnt – das ist ganz wichtig –: Jeder und jede, fast jeder und jede, kann davon betroffen sein, in die Mindestsicherung, in die Sozialhilfe abzurutschen. (Abg. Gödl [ÖVP]: Na! Na!) Wir brauchen dieses Netz! Tun wir daher alles dafür, dieses Netz nicht zu zerreißen (Abg. Wurm [FPÖ]: Um das ginge es eigentlich!), sondern es zu stärken (Ruf bei der FPÖ: Für unsere! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Für die eigenen Leute!), denn wir lassen niemanden zurück! Das ist das Bekenntnis der Bundesregierung für einen starken Sozialstaat. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
9.32
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Danke, Frau Bundesministerin.
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.
Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Schuch-Gubik. Ich erteile es ihr.