RN/12
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Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Auwei, auwei, auwei, Wahlkampf ist! (Heiterkeit der Abg. Zadić [Grüne].) Das hört man gerade jetzt bei jeder Rede, darum versuchen wir, wieder kurz zurück zum Thema zu kommen: Worüber reden wir eigentlich?
Worüber reden wir? – Wir reden über 197 000 Menschen, die laut Statistik Austria 2023 Sozialhilfe oder Mindestsicherung bezogen haben, 197 000 Menschen in 108 000 Familien, sogenannten Bedarfsgemeinschaften. Von diesen 108 000 Bedarfsgemeinschaften – die Frau Ministerin hat es ausgeführt – waren drei Viertel sogenannte Aufstocker:innen. Das heißt, die haben selber ein Einkommen erzielt oder ein Einkommen aus der Arbeitslosenversicherung oder aus der Pension bekommen, sie haben also nicht die volle Sozialhilfe bekommen, sondern nur einen Teil der Sozialhilfe.
Von diesen 108 000 Familien, von diesen 108 000 Bedarfsgemeinschaften hat 2023 jede durchschnittlich 802 Euro pro Monat bekommen, und in Wien waren es 805 Euro pro Monat, das heißt also: eigentlich ziemlich genau der Österreichdurchschnitt.
Wie lange war die Bezugsdauer der Sozialhilfe oder Mindestsicherung? – Das war unterschiedlich: in Vorarlberg beispielsweise knapp über sechs Monate, in Wien knapp über neun Monate, durchschnittlich ungefähr neun Monate.
Das heißt, die Legende, die da immer wieder strapaziert wird, dass über Jahre hinweg von Tausenden, Abertausenden, fast Millionen Menschen in diesem Land die volle Sozialhilfe bezogen werden würde, ist schlichtweg falsch. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)
Wer Sozialhilfe bezieht, stockt in der Regel auf. Wer Sozialhilfe bezieht, muss auch eine Arbeit annehmen, wenn ihm eine angeboten wird, das ist so wie bei den Arbeitslosen. Und wer hier illegal lebt, der bekommt überhaupt keine Sozialhilfe – da schau her! –, weil er eben keinen Aufenthaltsstatus hat, keinen Rechtstitel hat, durch den ihm eine Sozialhilfe zusteht. (Abg. Wurm [FPÖ]: Wie viele Rechtstitel gibt es denn?)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zeigt einmal mehr, dass die Sozialhilfe alles, aber mit Sicherheit keine soziale Hängematte ist. Ich möchte da den evangelischen Bischof Chalupka zitieren, der vor Kurzem ein Interview in der „ZIB 2“ gegeben hat. Er hat gesagt: „Die soziale Hängematte war immer Lug und Trug, und das sollte man dann auch so benennen.“ – Ich benenne das heute gerne so. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
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Jetzt schauen wir uns noch an, wer denn überhaupt in diesem Land die Sozialhilfe bekommt (eine Tafel mit der Aufschrift „Sozialhilfe und Mindestsicherung: Wer bezieht sie?“ und einem Tortendiagramm in die Höhe haltend): Ein ganz großer Teil der Sozialhilfebezieher:innen in diesen 108 000 Bedarfsgemeinschaften sind tatsächlich Kinder, Jugendliche und Schüler:innen, das heißt Leute, die wir eigentlich nicht in die Arbeit schicken wollen – ich hoffe zumindest, dass auch die FPÖ gegen Kinderarbeit ist. Dann haben wir da 9 Prozent Menschen, die bereits erwerbstätig sind, die einem Job nachgehen, die ein Einkommen beziehen und aufstocken – das heißt, die arbeiten schon. (Abg. Stefan [FPÖ]: Dann ist ja eh alles bestens! – Rufe bei der FPÖ: Das ist überhaupt das Beste! Was ist denn das für ein System?) 9 Prozent der Menschen, die Sozialhilfe kriegen, sind bereits im Pensionsalter; sie sind bereits außerhalb des erwerbsfähigen Alters, die werden wir also auch nicht arbeiten schicken. Dann haben wir da 9 Prozent Menschen, die entweder schwer krank sind oder eine schwere Behinderung haben, die auch Sozialhilfe kriegen. Denen wollen wir jetzt auch allen die Sozialleistung kürzen, oder wie schaut das jetzt aus? Die sind auch alle in der sozialen Hängematte? Und dann haben wir noch 5 Prozent, die aufgrund von Kinderbetreuung und Pflege von der Arbeitspflicht ausgenommen sind.
Das heißt, ungefähr zwei Drittel der Menschen, die in Österreich Sozialhilfe beziehen, sind entweder zu alt, zu jung oder zu krank, können schlichtweg nicht arbeiten oder arbeiten eh schon. Das heißt, von diesen zwei Dritteln reden wir gar nicht, wir reden eigentlich nur mehr von den 34 Prozent, die eigentlich im erwerbsfähigen Alter sind, die beispielsweise in Arbeitslosigkeit sind, die arbeiten gehen könnten. – Ja, da sollte man tatsächlich etwas tun, aber da kann man auch etwas machen. Da kann man auch Lösungen finden.
Was ehrlich gesagt das Allersinnvollste, das Allereinfachste – das fällt euch natürlich überhaupt nicht ein – ist: Schicken wir die Leute verstärkt zum AMS! Die Leute sollen verstärkt zum AMS kommen, sollen dort besser vermittelt werden, sollen besser vom AMS betreut werden, sollen beim AMS Kurse kriegen und dann möglichst rasch einen Job finden. Das muss das Ziel sein. Wir sollten nicht Sozialhilfe zusammenkürzen, nicht Sozialhilfe zusammenstreichen – das schafft Elend, das schafft Armut, das schafft Obdachlosigkeit, das schafft Probleme –, sondern wir müssen die Probleme, die wir wirklich haben – mangelnde Deutschkenntnisse, mangelnde Ausbildung, erschwerter Zugang zum Arbeitsmarkt –, für die Leute lösen, damit wir die Leute schnell in Beschäftigung bringen, dass sie schnell Steuern zahlen können, dass sie schnell Abgaben zahlen können – aber das ist halt nicht euer Geschäftsmodell. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Euer Geschäftsmodell ist immer das Gleiche: Probleme schaffen, dann die Probleme beklagen und diese Probleme ja nicht lösen. Das, was ihr wollt – Sozialleistungen kürzen, Sozialhilfe streichen, Sozialhilfe abschaffen –, schafft Obdachlosigkeit, schafft Wohnungslosigkeit, schafft Perspektivlosigkeit, führt direkt in die Kriminalität und schafft Angst. Das ist euer Geschäftsmodell, das ist eure menschenfeindliche Politik, und die ist strikt abzulehnen. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Gasser [NEOS].)
10.00
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Wurm.