RN/23
10.37
Bundesminister für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport Vizekanzler Andreas Babler, MSc: Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete aus dem österreichischen und dem Europäischen Parlament! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Es ist mir eine große Freude, an meiner ersten Aktuellen Europastunde als Bundesminister in diesem mehrfachen Gedenkjahr teilnehmen zu dürfen, in dem wir unter anderem auch das dreißigjährige Jubiläum des EU-Beitritts feiern. (Abg. Kickl [FPÖ]: Ah ja, über die EU war ja einiges zu hören von Ihnen!) In den 30 Jahren unserer Mitgliedschaft hat sich die EU grundlegend verändert. Neue Mitgliedstaaten sind dazugekommen, die EU hat zahlreiche Herausforderungen meistern müssen und auch gemeistert, manchmal besser, manchmal schlechter (Abg. Kickl [FPÖ]: Ist das derselbe Babler?), doch sie ist dadurch immer stärker geworden.
Eine Entwicklung, die noch nicht vollständig abgeschlossen ist und mir besonders am Herzen liegt, ist die Weiterentwicklung der Europäischen Union zu einer Sozialunion. Europa darf nicht nur als gemeinsamer Markt verstanden werden, sondern muss ein Raum werden, der durch einen gemeinsamen Wertekanon geprägt ist und in dem selbstverständlich der soziale Ausgleich, das Aufeinanderschauen und die Solidarität zählen.
Deshalb begrüße ich die aktuellen politischen Schritte der Kommission beim Thema Wohnen, die ein Beitrag zu einem Europa des sozialen Ausgleichs sind. Das sind die zentralen Themen, die zentralen sozialen Themen unserer Zeit, und ich bin sehr dankbar dafür, dass die Kommissionspräsidentin den Zugang zu leistbarem Wohnraum in den politischen Leitlinien der Kommission verankert hat. Erstmals gibt es mit Dan Jørgensen einen EU-Kommissar für Energie und Wohnungswesen. Es wurde auch ein Sonderausschuss zum Thema Wohnen eingerichtet. Ich sage es auch hier mit großem Stolz und es freut mich besonders, dass mit Andreas Schieder österreichische Expertise in diesem Ausschuss eingebracht wird. – Herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg, lieber Andreas! (Beifall bei der SPÖ.)
Wir wissen, diese Maßnahmen sind extrem wichtig, sie sind notwendig, denn Europa steht vor einer tiefgreifenden Wohnungskrise. Besonders in Großstädten wird leistbarer Wohnraum für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen immer schwerer zugänglich. In vielen Städten steigen die Mietpreise stärker als die Einkommen. Rund 10 Prozent der EU-Bürgerinnen und -Bürger, fast 50 Millionen Menschen, geben mehr als 40 Prozent ihres monatlichen Einkommens für Wohnen aus. Besonders betroffen sind dabei junge Menschen, besonders betroffen sind Alleinerziehende und besonders betroffen sind Pensionistinnen und Pensionisten.
Fehlender Wohnraum trifft nicht nur die Einzelnen, sondern das untergräbt auch den sozialen Zusammenhalt, bremst die wirtschaftliche Entwicklung, verstärkt soziale Spaltung und schadet damit dem großen Ganzen und in Wahrheit uns allen. Diese Wohnungskrise ist eine der Herausforderungen, an denen wir als Europa gemeinsam stärker werden können, indem wir voneinander lernen und sie gemeinsam bewältigen. Ich begrüße daher ausdrücklich die Ankündigung einer gesamteuropäischen Investitionsplattform für erschwinglichen und nachhaltigen Wohnraum. (Abg. Kickl [FPÖ]: Ah!)
Die Europäische Investitionsbank plant Investitionen von rund 10 Milliarden Euro in den nächsten zwei Jahren, um erschwingliche Wohnungen zu bauen, Energieeffizienz zu fördern und den bestehenden Wohnungsbestand zu renovieren. Insgesamt sollen mit dieser Initiative 1,5 Millionen neue Wohnungen oder renovierte Wohneinheiten entstehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ein ehrliches Wort dazu: Diese Maßnahme alleine wird die Wohnungskrise nicht lösen können; es ist ein Stein, aber sie wird die allgemeine Wohnungskrise nicht beseitigen können. Es braucht gezielte Maßnahmen in jedem Mitgliedstaat. Ich sage es ganz selbstbewusst: Österreich nimmt hierbei eine Vorreiterrolle ein.
Ich kann mir beispielsweise schon gut vorstellen, dass die Kolleg:innen im Ausschuss bei dir, Andreas, auch mit Neid auf die österreichische Wohnbaupolitik schauen, wenn du berichtest, dass wir in Österreich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden leistbaren Wohnbau auf einer so breiten Ebene umsetzen. Internationaler Vorreiter – das sage ich auch ganz bewusst – ist in Europa die Stadt Wien, was sozialen Wohnbau für Bürgerinnen und Bürger anbelangt. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich kann Ihnen die Zahl auch belegen: Es sind unglaubliche 60 Prozent der Bevölkerung in dieser Metropole Wien, die in geförderten Wohnungen leben, die davon profitieren, leistbaren Wohnraum in Anspruch zu nehmen. Die Stadt Wien ist eine absolute Vorzeigestadt im internationalen Kontext. Diese geförderten Wohnungen dämpfen nicht nur die Preise auf dem freien Wohnungsmarkt, sondern sie tragen wesentlich zu sozialem Ausgleich und zur Lebensqualität bei.
Doch da reicht das Erreichte noch nicht – auch da reicht das Erreichte noch nicht! Auch die Österreicherinnen und Österreicher haben in den vergangenen Jahren unter den hohen Mietsteigerungen gelitten, in nur zwei Jahren sind die Mietpreise um 25 Prozent gestiegen. Man muss darüber nachdenken, was das für die Einzelnen heißt, wenn die Wohnkosten so steigen, wenn immer mehr vom monatlichen Einkommen dafür aufgewendet wird, um die vier Wände zu sichern. Was heißt das für die allgemeine Beteiligung, für die Kinder, bei denen man zurückschrauben muss, und für vieles andere mehr? Wohnen ist ein Grundrecht und deswegen das Bekenntnis zum geförderten Wohnbau. (Beifall bei der SPÖ.)
Wohnen als Grundrecht zu verstehen: Das ist das, was uns trägt, auch in der neuen Regierung. Deswegen haben wir bereits in den ersten Wochen eingegriffen. Wir haben gehandelt. Wir haben die Mieterhöhungen im regulierten Bereich gedeckelt – ein Meilenstein in der österreichischen Wohnbaupolitik! –, heuer auf 0 Prozent, nächstes Jahr auf 1 Prozent und danach auf maximal 2 Prozent. Ich sage Ihnen auch, was das ganz konkret in den Lebensrealitäten von Menschen heißen kann, die in diesen Wohnungen wohnen und von dieser politischen Maßnahme profitieren. Für eine Mieterin in einer Altbauwohnung, die 700 Euro Miete bezahlt, bedeutet das beispielsweise eine Ersparnis von 993 Euro – 993 Euro mehr Geld für gesellschaftliche Teilhabe, mehr Geld zum Leben; 993 Euro, die diese Regierung dieser Person, die in einer Altbauwohnung wohnt, zur Verfügung stellen kann. (Beifall bei der SPÖ.)
Es geht nicht nur um das exemplarische Beispiel dieser einen Mieterin, sondern es geht um die Gesamtbetrachtung, was Politik imstande ist zu verwirklichen, wenn sie diesen Anspruch umsetzt, leistbares Wohnen als Grundrecht zu denken. Alleine mit dieser Maßnahme, meine sehr geehrten Abgeordneten, profitieren in Österreich rund 1 Million Haushalte – sie profitieren von dieser einzelnen Maßnahme! –, sie bekommen insgesamt eine halbe Milliarde Euro an Mieten eingespart. (Beifall bei der SPÖ.)
Das ist konkrete Politik für die Bevölkerung: Politik, die eingreift, Politik, die Maßnahmen gegen die Teuerung setzt und Wohnen als Grundrecht versteht. Auch da ist es nur der erste Schritt, denn als Nächstes werden wir auch die Mietsteigerungen im Neubau deckeln und langfristige Mietverhältnisse fördern – wir werden die Mindestbefristung auf fünf Jahre erhöhen.
Sie sehen, mit all diesen Maßnahmen nimmt Österreich eine Vorreiterrolle ein. Gleichzeitig können wir aber schauen, wo wir noch etwas lernen können. Ich möchte ein Beispiel anführen: Finnland konnte mit seiner Housing-first-Politik die Obdachlosigkeit massiv reduzieren. – Das ist ein Prinzip, das auch Eingang in unser Regierungsprogramm gefunden hat, was mich mit Freude erfüllt, weil das so ein wichtiges Recht ist, dass Menschen nicht obdachlos sein müssen, weil wir wirksame Initiativen setzen, um jedem in unserer Republik ein Dach über dem Kopf zu gewährleisten. (Beifall bei der SPÖ.)
Zum Schluss: Sie sehen, wir haben uns noch einiges dazu vorgenommen. Es gibt noch viel zu tun, in Österreich und in Europa. Unsere Regierung ist bereit dazu, Verantwortung zu übernehmen und voranzugehen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
10.44
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Europastunde 5 Minuten nicht übersteigen darf.
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Harald Vilimsky, Mitglied des Europäischen Parlaments.