RN/31

11.23

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Danke schön, Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Hohen Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen, die uns heute hier bei dieser Debatte zuhören! Ich glaube, es ist ein ganz wichtiges Thema, das diese Aktuelle Europastunde hier heute anschneidet. Das Leben, das leistbare Leben ist für die Leute ein Problem geworden, und zwar in ganz Europa. Gerade im Bereich Wohnen: Leistbarer qualitativer Wohnraum ist oft etwas, was in vielen Städten und in vielen Regionen in ganz Europa Mangelware geworden ist.

Es ist europaweit ein ganz dringendes Thema. Die Preise steigen, Wohnraum ist oft nicht einmal verfügbar. Junge Leute sind immer älter, wenn sie ausziehen, um ihr eigenes Leben mit eigener Wohnung, mit eigener Familie zu beginnen – in Italien, in Spanien, in Kroatien laut Statistik inzwischen weit über 30 Jahre. Befristungen führen dazu, dass Leute, auch wenn sie eine Wohnung haben, sich oft unsicher fühlen, weil sie wissen, in zwei Jahren müssen sie entweder einen höheren Preis zahlen oder werden rausgeworfen – und, und, und. Es sind sehr viele Probleme.

Wir als Sozialdemokraten haben schon im Europawahlkampf gefordert, dass dieses Thema, das in den verschiedenen Ländern auf ganz unterschiedliche Art und Weise, aber in jedem Land Thema ist, eine europäische Antwort braucht; deswegen braucht es einen europäischen Kommissar, der sich mit dem Thema leistbares Wohnen auseinandersetzt. Es ist uns gelungen, in dieser Kommission mit Dan Jørgensen, einem dänischen Sozialdemokraten, einen Kommissar für dieses Thema durchzusetzen (Abg. Wurm [FPÖ]: Das war sicher nicht schwierig, einen Kommissar ...!), der genau dieses Thema behandelt. Damit kümmert sich endlich auch die Europäische Kommission – auch wenn es natürlich sehr wichtig ist, dass dieses Thema bei den Gemeinden, bei den Mitgliedstaaten verankert ist – und damit Europa darum, nämlich um den Alltag der Menschen, zu dem ja auch Wohnen gehört.

Zusätzlich gibt es einen Ausschuss im Europäischen Parlament, und es freut mich, dass unter den vielen Ausschussmitgliedern ich der Einzige aus Österreich sein darf. Es freut mich auch, dass ich unsere Fraktion dort führen darf, weil natürlich, kaum waren wir dort, alle gesagt haben: Du bist aus Österreich, du bist aus Wien, dann mach du bitte die Fraktionsführung, weil ihr die meisten Ideen habt, wie man es gescheit und richtig machen kann! – Das ist ein wesentlicher Punkt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Was kann Europa tun und wo muss Europa ansetzen? – Die Europäische Investitionsbank muss mehr Geld für verfügbaren, für leistbaren Wohnraum hergeben – für das, was wir sozialen Wohnraum nennen. Es müssen Kohäsionsmittel zur Verfügung gestellt werden. Wir müssen mit dem Social Climate Fund die Förderungen so aufstellen, dass die Leute in den Wohnungen bleiben können, wenn renoviert wird, wenn thermisch saniert wird, und das mieterfreundlich, mieterinnenfreundlich gestaltet wird.

Wir brauchen einen europaweiten Mindestschutz der Mieterrechte, weil diese in den Nationalstaaten sehr oft untergraben werden. Wir brauchen eine Regulierung der Kurzzeitvermietungen, also dessen, was durch Airbnb und andere Mietplattformen dazu führt, dass Tourist:innen den Leuten oft den Wohnraum, den sie brauchen, wegnehmen und dass die Preise gerade in Tourismuszentren in die Höhe schnellen und leistbaren Wohnraum reduzieren. Wir brauchen eine Durchforstung der Staatshilfemittel, sodass auch weiterhin Wohnbauförderung für den Mittelstand möglich ist und nicht nur die sozial Ärmsten gefördert werden. Und wir brauchen die Housing-first-Strategie, mit der Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit bekämpft werden.

Ganz Europa hat diese Probleme, aber wenn ich sage, ganz Europa, dann ist es ein bisschen so wie bei Asterix. Ganz Europa? – Nein. Es gibt auch Österreich und in der Mitte von Österreich Wien. (Abg. Kickl [FPÖ]: In der Mitte von Österreich!) Die Mietpreisbremse, die diese Bundesregierung mit Vizekanzler Andreas Babler durchgesetzt hat, ist ein Beispiel dafür, wie man die steigenden Mieten kontrollieren kann, ein Beispiel, bei dem auch jeder dich (in Richtung Vizekanzler Babler) in Brüssel gefragt hat: Was habt ihr da gemacht? Wie super ist diese Maßnahme?! (Zwischenruf der Abg. Disoski [Grüne].) Und natürlich ist Wien das Beispiel dafür, wie man es richtig und gut machen kann, mit einer höheren Neubauquote als jede andere Stadt – übrigens auch jede andere Stadt in Österreich (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP–, mit der Widmungskategorie sozialer Wohnbau, mit der Umsetzung dessen, was so dringend notwendig ist, nämlich dass leistbarer Wohnbau sozialer Wohnbau heißt, eine Mischung von Gemeindebau, Genossenschaftsbau und starkem Mietrecht.

Wenn Wohnen ein Grundrecht ist – und meiner Meinung nach ist Wohnen, leistbarer Wohnraum, ein Dach über dem Kopf ein Grundrecht, das sich jede und jeder verdient hat –, dann braucht es einen starken Mieterschutz, dann braucht es eine starke Neubauleistung und dann braucht es eben einen starken gemeinnützigen Wohnbau in ganz Europa, so wie es in Wien schon erfolgreich gemacht wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.28

Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Sophie Marie Wotschke.