RN/36
11.47
Abgeordneter Paul Stich (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wenn wir als Sozialdemokratie über Wohnraum sprechen, unterscheiden wir uns vor allem in einem Punkt von anderen in diesem Haus: Wohnen und Wohnraum sind für uns keine Ware, sondern Wohnen ist ein Grundrecht. Oder anders gesagt: Wohnungen sind zum Wohnen da und nicht zum Spekulieren. (Beifall bei der SPÖ.)
Das heißt auch, dass alle Menschen in Österreich und in Europa von einem Grundsatz leben und auf diesen Grundsatz vertrauen können sollten: dass sie, wenn sie jeden Tag ihren Beitrag leisten, eine Sicherheit verdient haben, nämlich die Sicherheit, dass sie sich jedes Monat ihre Mieten und ihre Kredite ohne Sorgen leisten können. Das ist der Grundsatz, der uns auszeichnet, uns auch von vielen anderen unterscheidet.
Blicken wir auf die Situation in Österreich und in Europa, dann sehen wir, dass wir davon zu einem gewissen Grad abweichen. Wir sehen, dass leistbarer Wohnraum nicht vom Himmel fällt, sondern ganz im Gegenteil das Ergebnis von kluger Politik auf ganz vielen Ebenen ist, von gezielten öffentlichen Investitionen in den Wohnbau und einem verantwortungsvollen Umgang mit dem, was bereits da ist.
Man muss sich in diesem Zusammenhang auch als Zuhörerin oder als Zuhörer dieser Parlamentsdebatte doch manchmal einige Fragen stellen. Kollegin Tomaselli spricht über die Mietsteigerungen im privaten Wohnbausektor in Wien. Da gebe ich Ihnen recht, da gibt es viel zu tun. Ich frage mich aber nach fünf Jahren Grün in der Bundesregierung schon: Wer hat denn eingegriffen in die Mieten im frei finanzierten Wohnbau oder wer greift denn in diese ein? (Zwischenruf der Abg. Tomaselli [Grüne].) Wer greift ein? Wer schaut jetzt, dass auch im frei finanzierten Wohnbau die Mieten nicht mehr unkontrolliert steigen? Wer beschließt die Mietpreisbremse und viele andere Maßnahmen? – Das ist nicht die grüne Beteiligung an der Bundesregierung gewesen, sondern das ist die Bundesregierung, der unter anderem Wohnbauminister Andreas Babler angehört. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Freiheitliche Partei spricht davon, Wohnen leistbar zu machen, und schafft in der Steiermark die Leerstandsabgabe ab, die ein wesentliches Element dafür ist, dass Wohnen nicht als Spekulationsgut verwendet werden kann. (Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ].) Also auch da gibt es offensichtlich ein bisschen Aufholbedarf. (Abg. Maurer [Grüne]: Wo ist denn die Leerstandsabgabe?)
Holen wir es aber in eine Systematik, und schauen wir es uns an! Seit den 1980er-Jahren sind in ganz Europa im großen Stil gemeinnützige Wohnungen verscherbelt, privatisiert und verkauft worden. (Abg. Maurer [Grüne]: 1980er-Jahre? Jetzt fangt ihr schon wieder an mit den historischen Errungenschaften! Was macht ihr jetzt?) Für ganz viele Städte und Landesteile ist das quasi wie eine heiße Affäre mit der Immobilienlobby mit schwerwiegenden Folgen. Was sehen wir in dieser Systematik? – Dass überall dort, wo sozialer Wohnraum verscherbelt worden ist, dort, wo das Mieten nicht streng reguliert ist, Wohnen heute noch teurer ist. (Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ].) Das sollte vor allem eine Warnung für all jene sein, die uns einreden wollen, dass Privatisierungen und radikale Marktfantasien die Lösungen für steigende Wohnkosten sind, denn das werden sie niemals sein. (Beifall bei der SPÖ.)
Es braucht also eine kluge Wohnungspolitik. International anerkannter Vorreiter – auch wenn es auch da noch viel zu tun gibt, absolut, da widerspricht absolut niemand – ist die Gemeinde Wien. (Abg. Wurm [FPÖ]: ... 100 Jahre ...!) 60 Prozent der Wienerinnen und Wiener leben im sozialen, geförderten Wohnbau, in Gemeindewohnungen, in Genossenschaftswohnungen. Und all das – alle diese Wohnungen, die wesentlich billiger sind als die Wohnungen am unregulierten Markt – ist natürlich nur möglich, weil Wien diese eigenen Wohnungen eben nie verkauft hat, weil man diesen Trend des Marktes, diesen Trend der Privatisierungen eben nicht mitgemacht hat, und das durchaus gegen große Widerstände. (Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ].) Wir erinnern auch an die Kollegen von der Freiheitlichen Partei, die sich vehement dafür eingesetzt haben, den Gemeindebau zu verscherbeln und zu privatisieren.
Und nicht nur das: Dort, wo sie in Verantwortung waren, ist das ja genau so passiert. Zu Beginn der 2000er-Jahre etwa – es gab die blau-schwarze Regierung, der zuständige Minister war damals Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der durch die FPÖ zu einer großen Karriere kam – sind 60 000 staatliche Wohnungen, 60 000 leistbare Wohnungen im Besitz der Republik Österreich verscherbelt worden. Und damit nicht genug, denn wie wir ja mittlerweile alle wissen, wurde auch da brav und fleißig in die eigene Tasche hinein gewirtschaftet. Leistbare Wohnungen verscherbeln, Freunderlwirtschaft, Korruption: Das ist also die blaue Leitkultur in Österreich, die Ihnen vorschwebt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steiner [FPÖ]: ... beruflich ... Freunderlwirtschaft gewesen, oder? !)
Dementsprechend ist es auch wichtig, mit diesem Bestand sorgsam umzugehen, denn ich will, dass alle Menschen in Österreich die Sicherheit haben, dass sie ihre Miete oder ihre Kredite ohne Probleme zahlen können. Ich will, dass leistungsloses Einkommen – das massiv dadurch generiert wird, wie wir aktuell Privatvermietungen organisieren, nämlich von unten nach oben – der Vergangenheit angehört. Dafür braucht es Eingriffe in den Markt wie einen Mietpreisdeckel, den die Bundesregierung in einem ersten Schritt beschlossen hat, dafür braucht es eine aktive Baupolitik, und dafür braucht es ein Nein zum Verscherbeln von staatlichen Wohnungen. (Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ].)
Der Garant dafür ist in Wien, in Österreich und in Europa die Sozialdemokratie, und das wird sie auch weiterhin bleiben. – Vielen lieben Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
11.52
Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Veit Valentin Dengler. – Bitte, Herr Abgeordneter.