RN/47

12.38

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Kiefer! (Ruf: Schiefer!) Schiefer, Entschuldigung! Ich glaube, es ist in den letzten fünf Jahren etwas schiefgegangen. (Ruf bei der FPÖ: Danke! – Beifall des Abg. Schnedlitz [FPÖ].) Es ist ganz vieles schiefgegangen, und zwar: Die Stimmung ist gekippt, ganz viele sind aus ihrer Eigenverantwortung herausgegangen; das hat mit vielen Maßnahmen zu tun, und auch da ist die Verantwortlichkeit nicht nur auf einer Seite. (Abg. Petschnig [FPÖ]: An Ihrer schlechten Politik ist die Bevölkerung schuld!) Wie viel wurde hier eingefordert, was man noch ausschütten müsse, was man da oder dort noch brauche. Ich glaube, das ist etwas, das dieses ganze Haus ausmacht. Es ist nicht eine Person, nicht ein Ministerium verantwortlich. Das, was hier passiert, passiert ja auch aufgrund von massiver Einforderung vonseiten der Opposition (Abg. Deimek [FPÖ]: Also die Forderung für schlechte Wirtschafts... ist sicher nicht von uns gekommen, auch wenn ...!): Da und da muss man noch etwas machen! Und plötzlich kamen die Menschen in so ein Fahrwasser. Mir fehlt eines wirklich ganz stark: Mir fehlt dieser Glaube, die Zuversicht und die Eigenverantwortung. 

Wenn Sie wirklich mithelfen wollen – und ich empfinde Sie als sehr positiven Menschen, das sage ich jetzt auch gleich vorab im Sinne von Lorbeeren, denn so viele gibt es da nicht, die so eine Stimmung transportieren können –, dann helfen Sie mit, die Stimmung im Land zu verbessern! Bei einem Antrag wie diesem muss ich sagen: Man kann doch nicht gegen Bürokratieabbau sein! Vor 1 Stunde hat es noch geheißen, die FPÖ gehe eh mit. Plötzlich gehen die Grünen mit und die FPÖ nicht mehr, weil es scheinbar um ein Wort geht. Das ist doch lächerlich! (Abg. Kassegger [FPÖ]: Sie lassen den wesentlichen Satz weg! Es geht nicht um Bürokratieabbau, es geht um Klimaschutz!)

Es geht darum, dass die Unternehmerinnen und die Unternehmer da draußen, dass die Menschen die Zuversicht haben, dass hier positive Impulse kommen. Heute hieß es, KTM müsse die Produktion wieder herunterfahren. Da geht es um Menschen, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Sorge haben, ob sie ihren Job morgen noch haben. – Na, worum geht es dann?

Was wir tun können: Wir können ihnen die Zuversicht geben, dass wir das alles gut hinbekommen, mit diversen Maßnahmen, mit einem Potpourri von Maßnahmen. Da gehören alle dazu, da gehört auch – auch! – die Opposition dazu. Gegen so einen Antrag zu sein, ist wirklich irgendwie absurd. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Kassegger [FPÖ]: Wir messen euch an den Taten und an den Ergebnissen!)

Was ich mir gefallen lasse: Es ist vielleicht zu unkonkret, ja, aber es geht darum, bürokratische Hürden abzubauen. Wir sind ein Land mit überbordender Bürokratie, ich glaube, da geben Sie mir recht. Das ist vielleicht historisch gewachsen, das kommt aus der Monarchie, wie auch immer, es gab zusätzlich zur europäischen Ebene über Jahrzehnte – auch historisch bedingt – eine Regulierungsflut, Vertragskonvolute. Große können sich dieses Berichtswesen und so weiter leisten, Kleine können da ja gar nicht mehr mit. Das muss man auch sagen. Große leisten sich ein Heer von Anwälten, aber selbst die denken sich: Ich kann auch woanders hingehen, ich kann dieses Ding auch ein Land weiter, zwei Länder weiter aufziehen, es muss nicht Österreich sein!

Wir arbeiten hier gemeinsam daran. Ich möchte heute ein ganz positives Beispiel nennen, und zwar ist das die Bezirkshauptmannschaft Baden. Die hat sich zum Ziel gesetzt – und das war letztens in der Rede im Zuge der Bürgermeisterangelobung als Erstes zu hören –, Ermöglicher, Chancenbehörde zu sein; sie will sich als Chancenbehörde sehen. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Das ist eine ÖVP-Marketingluftblase und sonst gar nichts!) Wie großartig ist denn das? Da sitzen Leute, die wollen dich beraten und servicieren, die schauen, dass du die Möglichkeit hast, etwas Gutes zu tun, indem sie bei Betriebsanlagengenehmigungen et cetera helfen.

Ich glaube, so sollten wir uns alle sehen, jeder Einzelne von uns. Deswegen fühle ich mich in dieser Koalition momentan, muss ich ehrlich sagen, auch ganz wohl, weil wir halt vieles ausgleichen, was auch eine Notwendigkeit ist. Wir haben unterschiedliche Interessen, die wir unter einen Hut bringen müssen. Wofür? – Damit Wettbewerbsfähigkeit gegeben ist, damit wir draußen auf dem globalen Markt agieren können. 

Ich finde es total positiv, was Sie (in Richtung Abg. Schiefer) gesagt haben, weil es eine andere Energie ist, als sie viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen hier mitbringen. Das ist sehr, sehr konstruktiv, und deswegen finde ich es schön.

Um die Kleinen, die KMU, mache ich mir ehrlich gesagt am meisten Sorgen, weil die bei all dem, was da kommt, gar nicht mitkommen. Wenn man Dutzende Mitarbeiter in einem Betrieb beschäftigen kann oder muss, die eigentlich keine Wertschöpfung erzielen, sondern nur irgendwelche Berichte ausfüllen, dann haben wir ein Problem. Ein Kleiner geht diese Projekte gar nicht mehr an, der kann gar nicht mehr einsteigen, er steigt eher proaktiv aus.

Ich stelle am Ende eine philosophische Frage: Woher kommt denn das? Warum sind wir im globalen Vergleich so überbordend? – Ich glaube, eine fehlende Mutkultur ist ein Thema. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen. Es fehlen aber auch eine Kritikkultur und eine Kultur des Scheiterns, die wir bräuchten, weil niemand abgestempelt sein will. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Wer hat denn die Regelungen erfunden? Sind die vom Himmel gefallen?)

Warum tun Leute das? Warum sagen wir: Da finden wir noch etwas und dort müssen wir noch etwas einbauen!? Dann haben wir 1 000 Legisten, die noch etwas einbauen müssen, weil niemand die Verantwortung tragen will und niemand dafür gekillt werden will. Das ist das, was wir, wie ich glaube, brauchen: Wir brauchen nicht Kamikaze-Testosteron-Jungmanager, die überall in der Verwaltung sitzen, wir brauchen Leute, die sagen, es ist in Ordnung, wenn da oder dort ein Fehler passiert, wir regressieren uns nicht, es ist in Ordnung, wenn nicht alles in Watte gepackt ist!

Wir als Europa mit all den unterschiedlichen Sprachen können unsere Systeme oft gar nicht so einfach aneinander anpassen, und daraus resultiert ein Riesending, dem wir nicht mehr Herr werden.

Ich finde es schön, wenn wir sagen: Zurück in die Eigenverantwortung, hin zur Mutkultur, trauen wir uns einmal etwas, gehen wir den Weg weiter voran und schieben wir nicht ständig die Schuld dem anderen zu! Sagen wir: Ja, neun oder acht Sachen haben gut geklappt, zwei sind vielleicht danebengegangen, es ist aber nicht der eine schuld! Darauf bezieht sich jetzt mein Abschlusssatz – ich sage immer, das ist österreichisch, die „Muttertag“-Kultur, vom Film „Muttertag“ –: I sog’s glei, i woa’s net! I hob mi net auf den Willi draufgsetzt!

I sog’s glei, i woa’s net! – Ich glaube, wir brauchen all das nicht mehr. Wir brauchen den Mut, zu sagen, manchmal passiert etwas, läuft etwas nicht gut, aber wir suchen nicht als Erstes den Schuldigen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

12.44

Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Melanie Erasim.