RN/98

16.11

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Danke schön, Herr Präsident. – Zuvorderst halte ich es für wichtig und richtig, dass Abgeordneter Wurm, wie eben gehört, diesen nationalsozialistisch konnotierten Begriff zurücknimmt. Ich möchte ausdrücklich Kai Jan Krainer lobend erwähnen, der das hier ins Rollen gebracht hat. Alle vier Fraktionen, die nicht die FPÖ sind, waren sich einig. Warum ist das so wichtig, jedenfalls unserer Fraktion? – Weil man jeden Beginn einer Grenzverschiebung solcher Begriffsverwendungen hintanhalten muss. Gut, dass es gelungen ist – insofern ist es am Schluss noch einmal eine reife Leistung des gesamten Parlaments gewesen. – Vielen Dank allen, die sich daran beteiligt haben! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Shetty [NEOS]. – Abg. Hanger [ÖVP]: Trotz des Präsidenten!)

„Konsolidieren statt Betonieren“: Das mag vielleicht ein bisschen übertrieben klingen – ich finde nicht. (Heiterkeit des Abg. Schnabel [ÖVP].) – Geschätzter Herr Finanzminister, Sie haben vorab etwas richtig erwähnt, Bezug nehmend auf Wirtschaftskrisen und deren budgetäre Folgen. Ich möchte auch hinzufügen, dass diese Dringliche Anfrage zwei Aspekte hat. Zunächst einmal: Wie kann man wirtschaftlich vernünftig argumentieren und damit auch budgetär nachhaltig und ökologisch nachhaltig sowieso? In der Summe hat das sogar etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Mindestens aber geht es dabei – wir haben es ja von der Begründerin gehört und teilweise bei Ihren (in Richtung Bundesminister Marterbauer) Antworten – um das Bund-Länder-Gemeinden-Verhältnis in der Republik. Da gehört wirklich einiges vom Kopf auf die Füße gestellt. Damit würde ich dann beginnen.

Zuallererst aber noch einmal: Ja, ich glaube, es gibt eine Übereinstimmung – die Wirtschaftskrise ist in erster Linie ausschlaggebend für das, was die budgetären Entwicklungen auf allen diesen Ebenen waren. Es hat halt kaum ein Land in Europa gegeben, das derart exportorientiert ist – was gut ist – und gleichzeitig eine derartige Ressourcenabhängigkeit vom russischen Gas gehabt hat. Da hat alles begonnen. (Abg. Krainer [SPÖ]: Das ist nur historisch falsch!) Ich werde das hier bei jeder Gelegenheit wieder erwähnen, weil es auch Verantwortliche dafür gibt, dass es zu dieser Abhängigkeit vom russischen Gas gekommen ist, wofür wir sehr teuer bezahlt haben. Es war nicht die einzige Ursache, aber es war der erste große Impact für das, was wir jetzt vorfinden. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb ist es ja auch für die Zukunft so richtig und wichtig, aus dem russischen Gas so schnell wie möglich rauszukommen. Nächstes, übernächstes Jahr kann die Gelegenheit schon genutzt werden, wir haben jedenfalls alle Vorarbeiten dafür geleistet – weil das heute in der Europastunde schon so ein wichtiges Thema war.

Jetzt allerdings zur Frage der Beteiligungen der Länder und der Gemeinden: Wir sehen aufgrund der Wirtschaftskrise – in erster Linie natürlich; nicht nur weil dort Gauner sind, wie gesagt (Abg. Schnabel [ÖVP]: Hallo!) –, dass der Beitrag der Länder und Gemeinden zur Abweichung des gesamtstaatlichen Defizits der größere ist. Der kleinere Beitrag ist jener des Bundes. Das sehen wir, wenn wir das Budget 2024 und den Vollzug anschauen.

Noch einmal: Sie hier herinnen haben ein maastrichtkonformes Budget 2024 beschlossen, was den Bundesanteil betrifft. Der Vollzug hat dann etwas anderes ausgespuckt, und deshalb ist es auch immer wieder wichtig, darauf hinzuweisen. (Abg. Krainer [SPÖ]: Aber das war doch ein Lügenbudget! Ein Lügenbudget!) – Ja, wenn Sie Lügen sagen, Herr Kollege Krainer, ist das ein guter Hinweis. Das würde jedenfalls den Herrn Finanzminister und mich darin bestärken, zu sagen, wir brauchen endlich Transparenz, was Länder- und Gemeindefinanzen betrifft. Das kann doch nicht so weitergehen: Bei den Bundesdaten kriegen wir jeden Monat und jedes Quartal mehr oder weniger in Echtzeit die Daten, und bei den Ländern und Gemeinden müssen wir warten, bis eh schon alles zu spät ist – hintennach. Das muss wirklich sofort geändert und wie gesagt vom Kopf auf die Füße gestellt werden. (Beifall bei den Grünen.)

Dann kann man nämlich noch gesamtstaatlich steuern. Ich habe ja im Zuge dieser Debatten die Finanzminister reihenweise in Schutz genommen, auch Ihren Vorgänger. Warum? – Weil alle das Geld verteilen, aber verantwortlich für die Einnahmen ist immer nur der Bund, denn draußen weiß niemand, dass es eine Bundesfinanzverfassung mit gemeinschaftlichen Einnahmen gibt. Wer weiß denn das schon? Immer müssen der Finanzminister, die Bundesregierung, mögliche Mehrheiten im Nationalrat den Schädel hinhalten. Die Landeshauptleute fordern immer nur, um dann in finsterer Manier das Ganze zu verstecken und zu verzögern. Das ist doch die Grundkrux in dieser Republik, und diese wird nicht besser, wenn wir das jetzt nicht endlich angehen. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb ist es, glaube ich, so wichtig, da weiterzumachen, gerade auch in dem Bereich, den wir hier im engeren Sinn behandeln: Das ist der Straßenbau. Dazu haben Sie nicht so viel gesagt. Da ist es ja auch wieder so, dass die Länder und Gemeinden ganz schön viel Geld hinaushauen.

Ich sage Ihnen noch etwas zum Verhältnis von Ökologie, Ökonomie und Budget in diesem Kontext: Es ist ja kein Zufall, wenn wir darüber reden, dass wir schon um 55 Prozent mehr, wenn Sie so wollen, verasphaltiert und verbetoniert haben als vergleichsweise Deutschland oder die Unionsstaaten. Wir haben also keine Knappheit an Autobahnen, Schnellstraßen und anderen Straßen, sondern wir haben zunehmend Knappheit an gesundem Boden. Diesen Konflikt gilt es aufzulösen. Wenn wir sagen, das Netz ist so lang, dass wir damit schon dreimal um den Globus fahren könnten und dann noch immer von Wien bis Chicago – für die Fraktion hier (in Richtung FPÖ) von Wien bis Wladiwostok –, dann kann man sich ausmessen, wie viel das ist. Das ist auch verdammt viel gesunder Boden, der da draufgeht, und deshalb gehört auch da umgesteuert. (Beifall bei den Grünen.)

Gleichzeitig können wir uns einen Haufen Geld sparen – wir sagen ja selber konsolidieren. Das hat nichts damit zu tun, dass da möglicherweise an einer potenziell richtigen Stelle Infrastrukturausgaben fälschlicherweise zurückgenommen werden müssten. Nein, es ist ein doppelter Nutzen, weil das Projekte aus dem vorigen Jahrhundert sind, die mehr Schaden als Nutzen stiften, und sie kosten auch noch etwas, und zwar Länge mal Breite, Milliarden und Milliarden: die Lobauautobahn 6 Milliarden Euro, wenn man alles hochrechnet, das Rheintalprojekt in Vorarlberg, die S 18 dann, wenn es so weit wäre – auch durch das Naturschutzgebiet by the way (Zwischenruf des Abg. Zarits [ÖVP]); deshalb sage ich ja doppelte Dividende, wenn man den Blödsinn lässt –, 2 Milliarden Euro.

Auf Länderebene und Gemeindeebene kommen wir auch locker auf 2 bis 3 Milliarden Euro (Abg. Schnabel [ÖVP]: 1 bis 2 steht ...!), und zwar nicht irgendwie, sondern regelmäßig wiederkehrend, weil es sowohl um den Neubau geht, der immer weiter vorangetrieben wird, als auch – es wird Sie nicht wundern –: Je mehr neu gebaut wird, desto mehr Erhaltungskosten laufen an. Allein im bundesweiten Netz haben wir eine Verdoppelung der Kosten – Frau Abgeordnete Gewessler hat es ja gesagt –, eine Verdoppelung zwischen 2010 und 2023. Das muss man ja sich noch einmal herholen! Wenn das so weitergeht, dann gute Nacht.

Dann kommen Sie (in Richtung NEOS) daher und regen sich über Maßnahmen wie das Klimaticket oder irgendetwas auf. Ich sage Ihnen eines, auch an die Fraktion der NEOS: Mit diesen explosionsartigen Ausgaben fürs Betonieren, wo wir eh schon zu viel haben, könnten wir – ich habe es nachgerechnet – über 1 000 Jahre die 18-Jährigen mit dem Klimaticket ausstatten und durch Österreich fahren lassen. Das sind die Relationen – weil man ja oft gar nicht versteht, was Milliarden sind.

Wenn Sie sich schon echauffieren, dann könnten Sie da einmal ein nützliches Werk tun und einfach das Geld zusammenhalten. (Abg. Oxonitsch [SPÖ]: Das erzählst gerade du uns?) Es ist nämlich tatsächlich so, dass wir konsolidieren müssen. Da ist kein vernünftiger Mensch dagegen, aber es geht dann immer noch darum, wo und wie. Wenn Sie bei den Klimaschutzmaßnahmen zu stark zurückdrehen, was Sie ja ganz offensichtlich vorhaben, schaden Sie auch noch der Wirtschaft, weil dort natürlich sehr viele zukunftsorientierte Arbeitsplätze mit drinnen sind.

Man kann immer über Stellschrauben und so weiter diskutieren, keine Frage, aber bei der Gelegenheit noch einmal: Wenn Sie alle miteinander, alle drei Regierungsfraktionen, klimaschädliche, umweltschädliche Subventionen, und zwar in Milliardenhöhe, nicht zurücknehmen wollen, dann haben Sie auch den Anspruch verwirkt, da irgendwie gescheit herumzudeuten – und es ist ein großer Schaden für die Bevölkerung und unseren Wirtschaftsstandort, wenn an der falschen Stelle gekürzt wird, aber die richtigen Investitionen unterbleiben. Das ist der Zusammenhang. (Beifall bei den Grünen.)

Also gehen wir es doch an – wirtschaftlich vernünftig, damit auch budgetär nachhaltig und natürlich im Sinne der Umwelt! Am Schluss hat das wie gesagt auch noch eine soziale Komponente.

Herr Präsident, da steht null. Kann das stimmen?

RN/98.1

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nein, denn Sie haben noch 10 Minuten. Das war Ihre freiwillig eingestellte Redezeit.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Okay. Alsdann - - (Abg. Krainer [SPÖ]: 10 Minuten sind aber die gesetzliche Höchstredezeit!) – Ja, eh. 

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Insgesamt!

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Das ist ja die Frage, ob das jetzt die 10 Minuten waren. 

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Insgesamt, ja! (Abg. Maurer [Grüne]: 2 Minuten sind noch übrig!)

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Bitte. – Meine Fraktion ist irgendwie ja schon sehr fixiert auf mich, weil ich immer zu lange rede. Jetzt haben wir von dort gehört, 2 Minuten, so helfen alle zusammen. 

Ich würde die 2 Minuten tatsächlich nutzen, um Ihnen einmal vor Augen zu halten, wo im Landesstraßen- und Gemeindestraßenbereich weiter Milliarden hinausgeschmissen werden sollen. Nehmen wir nur ein Bundesland heraus: Niederösterreich, ein Kernland. – Niederösterreich, aufpassen, jawohl, Kollege Hanger!

Waldviertel, die nächsten zehn Jahre, nur Landesstraßen, ohne Teuerungsfaktor: 440 Millionen Euro. Nur Landesstraßen, damit man noch schneller quasi im – Sie würden sagen – Gold-Plating durch das Waldviertel pledern kann (Abg. Diesner-Wais [ÖVP]: Nein, nein, das wird schon ...!): 440 Millionen Euro! 

Umfahrung Wiener Neustadt: Bester Boden – ich war selber dort! Das wird einfach noch durchgezogen, gegen naturschutzrechtliche Bedenken im Übrigen. Das ist für mich dort fast wie ein Klein-Hainburg, so wie die rechtliche Konfiguration ist. Ein reines Landesstraßenprojekt kostet zig Millionen!

Sankt Pölten: das Gleiche mit entsprechenden Schnellstraßenprojekten, um dort Dinge zu erschließen - -

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte kommen Sie zum Schlusssatz.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): - - – danke, Herr Präsident –, die ihrerseits massiv Bodenverbrauch verursachen, nämlich für irgendwelche Logistikzentren, die in dieser Dimension niemand mehr braucht. (Abg. Egger [ÖVP]: Ja aber die brauchen wir auch!)

Deshalb noch einmal: Nicht sinnlos verbetonieren, sondern richtig gescheit konsolidieren! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.21

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Weinzierl. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten.