RN/169
20.54
Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin (Bundesministerin Meinl-Reisinger blickt auf einen Button am Revers des Redners, auf dem ein Peacezeichen und davor eine zerbrochene Bombe zu sehen sind), das (auf den Button weisend) ist das Ican-Abzeichen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Der Antrag, den wir heute beschließen, ist in dreierlei Hinsicht sehr wichtig für uns. Spätestens seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine vor nunmehr drei Jahren ist klar, dass die Ära der relativen nuklearen Sicherheit auf dieser Welt seit dem Ende des Kalten Krieges, die wir genossen haben, vorbei ist.
Die Sicherheitslage hat sich in den drei Jahren radikal verändert: Es gibt einen Krieg auf europäischem Boden, der dementsprechend auch ein Krieg gegen europäische Werte ist, einen Diktator, der wieder offen mit seinem nuklearen Arsenal spielt, und ballistische Raketen, die vorerst nur mit Clustermunition und nicht mit nuklearen Sprengköpfen bestückt sind, die täglich auf ukrainischem Staatsgebiet einschlagen – durch die aber Menschen sterben, wie wir vor ein paar Tagen in Sumy gesehen haben, wo mehr als 30 Ukrainerinnen und Ukrainer ihr Leben haben lassen müssen, 15 davon Kinder, oder erst gestern, als neun Zivilisten getötet und 50 verletzt worden sind. Wie grausam Russland dort vorgeht, ist einfach unglaublich, und ich kann diese Worte, die Kollegin Fürst hier gesagt hat, einfach nicht nachvollziehen. (Beifall bei den Grünen.)
Ich würde Ihnen wirklich raten: Machen Sie sich einmal selbst ein Bild! Reden Sie mit Ukrainerinnen und Ukrainern und schauen Sie einmal selbst vorbei! Und sprechen Sie nicht einfach Russia Today und Sachen, die Sie irgendwo hören, nach, nur weil Sie Ihre Wählerinnen und Wähler meinen, denn da sind immer Menschen und Schicksale dahinter. Ich muss mich eigentlich schämen für das, was Sie hier sagen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)
Um wieder zum Thema zurückzukehren: Die Bedrohung durch nukleare Waffen wird nicht weniger, sondern nur noch mehr und macht die Welt nur noch unsicherer, noch instabiler und auch noch gefährlicher. Die Leidtragenden werden unschuldige Menschen sein, während jene, die den Knopf drücken, irgendwo sicher im Bunker sitzen werden.
Ich bin, wie Sie schon wissen, vor ein paar Tagen von einer Reise in die Ukraine – zuerst nach Kiew und auch weiter knapp an die Front nach Charkiw – zurückgekehrt. Das Leid, von dem wir hierzulande nur über die Medien erfahren, ist dort ebenso hautnah zu spüren wie das Durchhaltevermögen und die nie schwindende Hoffnung auf eine Welt nach dem Krieg. Beide sind gleich schwer in Worten zu beschreiben. In Kiew und in Charkiw, wenige Hunderte Kilometer entfernt von hier, sind nukleare Abrüstung und Deeskalation keine abstrakte Frage der Verteidigungspolitik, sondern eine konkrete Frage des Überlebens – das ist der Punkt.
Wir haben auf unserer Reise kleine Kinder getroffen, manche nicht älter als sechs, sieben Jahre, die seit Jahren in einem Luftschutzbunker die Schule besuchen müssen: abwechselnd drei Tage draußen, drei Tage drinnen. Das ist unglaublich! Das ist ein Schicksal, das ukrainische Kinder trifft und nicht österreichische, einfach weil unsere eben das Glück hatten, ein paar Kilometer weiter von der russischen Staatsgrenze entfernt geboren worden zu sein. Das ist das einzige Glück, das wir hatten. Und trotz allem: Die Kinder haben gelacht, sie haben sich gefreut, sie haben sich über unseren Besuch gefreut. Manche haben Videos gemacht, manche Fotos gepostet, und ich finde das einfach wunderbar.
Auf dem Antrag, den wir heute beschließen, finden sich die Unterschriften von vier der fünf hier im Hohen Haus vertretenen Parteien. Von den Fraktionen waren Kollegin Petra Bayr, Andreas Minnich und Henrike Brandstötter mit uns mit – auch ein wichtiges Zeichen der Überparteilichkeit zu Beginn der Arbeit dieser neuen Regierung. Ich sage meinen Kolleginnen und Kollegen auch Danke für diese konstruktive Zusammenarbeit, weil diese ja auch tatsächlich sehr wichtig ist, um diese Punkte weiterzubringen.
Deswegen ist dieser Antrag auch wichtig: nicht nur, weil eine Welt ohne Atomwaffen an sich schon eine sicherere und gerechtere Welt ist, sondern auch, weil dieser Antrag ein Signal dafür ist, dass die klare Mehrheit dieses Hauses – und auch alle, die das heute unterstützen werden – außenpolitisch in vielerlei Hinsicht auf derselben Seite stehen. Das ist auch ein wichtiges Zeichen nach außen.
Es braucht jetzt mehr österreichisches Engagement, es braucht mehr Europa und tiefere internationale Zusammenarbeit, auch im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Und da gebe ich Ihnen (in Richtung Bundesministerin Meinl-Reisinger) absolut recht bei dem, was ich vorhin von Ihnen gehört habe – und es freut mich auch, wenn ich das höre. Das ist wichtig zu betonen, denn die europäische Außen- und Sicherheitspolitik befindet sich heute an einem Wendepunkt und vor der Frage: Wie geht es weiter? Auf die transatlantische Allianz ist heute kein Verlass mehr, und Europa muss seinen Platz in dieser Welt selbst finden – und Österreich seinen Platz in Europa.
Daher finde ich auch diese Zustimmung so wichtig, denn eines ist klar: Die Zeiten, in denen wir uns hinter unserer Neutralität verstecken konnten, liegen in der Vergangenheit. Es geht nicht mehr darum, irgendwie politisch neutral zu sein – von mir aus militärisch neutral, ganz klar, aber politisch neutral können wir nicht sein – und den Kopf in den Sand zu stecken.
Ich möchte jetzt noch ganz kurz einen Dank aussprechen: Ich war nämlich selbst vor ein paar Wochen bei TPNW in New York und fand diesen Einsatz, den Ihre Beamten in diesem Bereich zeigen, einfach unglaublich. Sie sind mit viel Herzblut dabei, mit eigenem Engagement: Alexander Kmentt mit unglaublichem Engagement, oder auch Kollege Gallhofer aus dem Ministerium ist mit so viel Herzblut dabei, Österreich bei der Vienna Declaration, bei unserer gesamten Abrüstungspolitik auch weiterzubringen. Das findet man nicht überall, und ich möchte hier auch wirklich Ihren Beamten meinen herzlichen Dank aussprechen. Das sind die besten Vertreter Österreichs, wenn es um diese Frage geht. Da sind wir wirklich Vorreiter, und ich glaube, das ist das, was aktive Politik, aktive Neutralitätspolitik bedeutet. Das müssen wir weiterbringen. (Präsident Rosenkranz übernimmt den Vorsitz.)
Frau Ministerin, bitte richten Sie das aus! Kämpfen wir weiter für eine Welt frei von Massenvernichtungswaffen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)
21.00
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Duzdar. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten.