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11.42

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerin hätte bei der Matura, die letzte Woche stattgefunden hat, wegen Themenverfehlung klar Schiffbruch erlitten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.) – Das wäre wegen Themenverfehlung ein Nicht genügend gewesen, Frau Kollegin Fürst. Das, was Sie über Europa gesagt haben, über Österreich gesagt haben, war insofern extrem erschreckend, als wir hier sind, um für Österreich, für die Menschen in Österreich zu arbeiten und es für sie besser zu machen – aber ich habe keinen einzigen Verbesserungsvorschlag von Ihnen gehört. (Ruf: Den gibt’s nie!)

Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, um mich beim Finanzminister, bei seiner Staatssekretärin, aber auch beim Herrn Bundeskanzler und bei allen anderen Mitgliedern der Bundesregierung für die Erstellung dieses Budgets in diesen herausfordernden Zeiten zu bedanken. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Ich nütze diesen Tagesordnungspunkt auch noch ganz kurz dafür, um zu sagen, wofür dieses Doppelbudget steht: für Leistung statt Gratismentalität, für das Ankurbeln der Wirtschaft, für Sparen bei Asyl und nicht bei der Sicherheit und für Investitionen in die Zukunft.

Meine Damen und Herren, so ein Budget ist eben in Zahlen gegossene Politik. Sicherheit und Unabhängigkeit in Europa, das ist längst kein Randthema mehr, es ist ein zentrales Element unserer politischen Realität, und genau deshalb brauchen wir eigentlich ein starkes gemeinsames Europa; es ist heute wichtiger denn je. Denken wir zurück – heuer ist ja ein Gedenkjahr –: Vor 80 Jahren, zum Ende des Zweiten Weltkrieges, hat noch niemand an ein gemeinsames Europa gedacht; es war ein sanfter Traum. Vor 70 Jahren war es schon eine Hoffnung, ein gemeinsames Europa zu schaffen. (Abg. Kogler [Grüne]: Sehr guter Spruch!) Vor 20 Jahren, mit der EU-Osterweiterung, standen wir knapp davor, ein wirklich gemeinsames Europa zusammengezimmert zu haben.

Doch heute steht Europa wieder massiv unter Druck: von außen durch Putin, durch Trump; von innen durch populistische und nationalistische Kräfte, die unsere gemeinsame europäische Idee infrage stellen. All diesen Strömungen, sowohl von außen als auch von innen, ist eines gemeinsam: Sie wollen das Fundament unserer Werte untergraben. Gerade deshalb ist ein geeintes Europa heute wichtiger denn je, denn in einer Welt voller Krisen braucht es nicht weniger Europa, sondern mehr Zusammenarbeit, mehr Zusammenhalt und mehr Zukunftsmut, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Der gemeinsame Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Europa betreffend EU-Jahresvorschau 2025 enthält zahlreiche Einschätzungen der österreichischen Bundesregierung zu den Entwicklungen in der Europäischen Union. Besonders im Fokus stehen Bedrohungen – und daher genau das Gegenteil von dem, was Frau Kollegin Fürst vorhin gesagt hat – von Osten wie von Westen, mit dem Ziel, Europa zu schwächen, um sich selbst zu erhöhen. Gleichzeitig geht es im Bericht aber auch um das sensible Gleichgewicht zwischen nationalstaatlicher Eigenständigkeit auf der einen Seite und dem gemeinsamen Interesse aller europäischen Staaten auf der anderen Seite.

Sicherheit, Europa!, so lautet das Motto des aktuellen polnischen Ratsvorsitzes. Ich sage: zu Recht!, denn wir müssen der Realität ins Auge blicken. Sicherheitspolitik gehört mehr denn je zurück ins Zentrum unseres politischen Handelns. Nicht erst seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, sondern schon seit vielen Jahren ist Europa einer Vielzahl hybrider Bedrohungen ausgesetzt, von Cyberangriffen bis zu gezielten Desinformationskampagnen. Ich möchte nur ein Beispiel bringen: Bei den Olympischen Spielen in Frankreich gab es angeblich eine Bettwanzenplage. Da stellte sich später heraus, dass das verbreitete Berichte waren, über Social Media gestreut, von Desinformationsnetzwerken mit vermutlich russischer Herkunft. Ziel war es, Chaos zu stiften und das Vertrauen in Frankreich als Austragungsort zu schwächen. Solche Angriffe sind subtil, aber wirkungsvoll, und sie treffen nicht nur einzelne Länder, sondern Europa als Ganzes – deshalb müssen wir gemeinsam, abgestimmt und konsequent darauf reagieren.

Ein paar weitere Beispiele: die sogenannte Doppelgängerkampagne, im Rahmen derer Russland seit 2022 gefälschte Nachrichtenseiten betreibt, die westliche Medien imitieren (Abg. Michael Hammer [ÖVP]: FPÖ-TV, oder was?), mit dem Ziel, die Unterstützung für die Ukraine zu untergraben (Abg. Stefan [FPÖ]: Das tut euch weh, gell, das FPÖ-TV?!); die Cyberangriffe auf das österreichische Außenministerium und auf das Bankomatenlogistiksystem in Österreich; die gezielte Schleusung von Migranten von Russland oder Belarus an die EU-Außengrenze, insbesondere nach Polen und Litauen. Die Europäische Union reagiert darauf mit entschlossenen Maßnahmen. Sie stärkt die Koordination unter den Mitgliedstaaten, baut Frühwarnsysteme aus und investiert gezielt in den Schutz kritischer Infrastrukturen, insbesondere im digitalen Raum.

Die EU-Kommission hat im Februar 2025 „A simpler and faster Europe“ ausgerufen. Europa soll einfacher, verständlicher und schneller werden. Weniger Bürokratie, schlankere Verfahren schaffen geringere Verwaltungskosten und mehr finanzielle Spielräume für Investitionen; hin zu einem effizienteren Europa, das sich auf das Wesentliche konzentriert.

Europa war einmal die größte Wirtschaftsmacht der Welt, heute sind wir nur noch Nummer drei (Abg. Kogler [Grüne]: Wer sagt das?); aber das darf nicht unser Anspruch bleiben. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Das habts gut hingebracht!) Wir müssen wieder nach oben streben: mit Mut, mit Innovation, mit Selbstbewusstsein. Dazu braucht es vor allem mehr strategische Unabhängigkeit, mehr Autarkie in der Energieversorgung, mehr Partnerschaften mit verlässlichen Drittstaaten (Zwischenruf des Abg. Hafenecker [FPÖ]), eine verstärkte europäische Sicherheitspolitik mit gemeinsamer Rüstungsproduktion, mehr Unabhängigkeit in der pharmazeutischen Versorgung, technologische Souveränität bei Schlüsseltechnologien – ich sage nur: Galileo statt GPS – oder unabhängige europäische Zahlungssysteme.

Magnus Brunner hat hier bei der Europaveranstaltung letzte Woche gesagt: „Europa ist unser Zuhause“. – Ich finde, das ist ein sehr schöner Ausdruck – Frau Kollegin Fürst, vor allem für Sie –, denn ein Zuhause ist nicht nur ein Ort; es ist ein Gefühl, es ist Verantwortung, es ist Zusammenhalt, und genau das brauchen wir jetzt. (Abg. Steiner [FPÖ]: Europa und EU sind aber schon zwei verschiedene Sachen!) Wenn wir diesen Gedanken ernst nehmen, dann heißt das, wir dürfen uns nicht gegeneinander ausspielen lassen, nicht von innen und nicht von außen. Glauben wir an Europa, gestalten wir es aktiv, handeln wir gemeinsam (Abg. Stefan [FPÖ]: ... jetzt die Europäische Union oder Europa?), dann ist Europa nicht nur unser heutiges Zuhause, dann ist Europa auch unsere Zukunft. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Steiner [FPÖ]: Die ÖVP muss endlich einmal in Regierungsverantwortung!)

11.50

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Schilchegger. Eingemeldete Redezeit: 5 Minuten.