RN/44

14.13

Abgeordneter Mag. Antonio Della Rossa (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Zuhörende und Zusehende hier im Saal und zu Hause! Erinnern, Erinnerungskultur, was heißt das eigentlich? – Mittelhochdeutsch: innern, althochdeutsch: innaron; machen, dass jemand einer Sache innewird, also verinnerlichen. Frei nach Hölderlin: Inniger ist achtsamer auch. – Genau darum geht es: um Achtsamkeit. Nicht bloß wissen, sondern spüren; nicht bloß denken, sondern begreifen. –Ja, das brauchen wir: inniges, achtsames Erinnern – so pathetisch das klingen mag –, das brauchen wir.

Ich war letzten Sonntag auch in Mauthausen, mit vielen Kolleginnen und Kollegen, und ich danke ihnen dafür. Ich war tief beeindruckt, wie viele Menschen, wie viele junge Menschen, alte Menschen, Familien, wie viele Antifaschistinnen und Antifaschisten sich dort getroffen haben, mit einem gemeinsamen Auftrag: Nie wieder. Ich ging ein paar Meter hinter drei Zeitzeug:innen. Sie wurden 80 Jahre alt, geboren an einem Ort des Todes. Ich habe mir gedacht: Das sind die letzten Zeitzeug:innen, die Letzten, die sagen können, wir haben diese Hölle überlebt. Was bleibt, wenn diese Stimmen verstummen? – Meine Damen und Herren, dann liegt es an uns, dieses Nie-wieder ernst zu nehmen und weiterzutragen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Deshalb ist es auch wichtig, so eine Koordinierungsstelle für Gedenkfeiern und Jubiläen zu haben; nicht als Verwaltungsmaßnahme, sondern als klares Bekenntnis: strukturiert und koordiniert, vom Bodensee bis zum Neusiedler See. Meine Damen und Herren, die gesamte Republik, vom ganz rechten bis zum ganz linken Sitz, das muss klar sein. Denn viele von uns kennen das, wenn sie in Mauthausen oder Auschwitz waren, was das Besuchen, das Sich-einmal-kurz-Hineinversetzen, eigentlich bedeutet. Wer wirklich verinnerlicht, wer wirklich achtsam ist und das ganz kurz an sich heranlässt, ist den Tränen nicht nur nahe; wie unbegreiflich, wie unmenschlich, wie brutal. 

Das Undenkbare ist passiert – nicht irgendwo, sondern hier in Österreich. Was heißt passiert? – Geplant – akribisch geplant –, kalkuliert, logistisch organisiert, bürokratisch perfektioniert. Industrielle Tötungsmaschinerie, Millionen von Menschen vernichtet. In den Lagern unmenschliche Zustände: Folter, Unterdrückung, Zwangsprostitution. Unvorstellbar, aber passiert, geplant.

Erinnern heißt aber auch, sich an jene zu erinnern, die in schier aussichtsloser Position unter Lebensgefahr Widerstand geleistet haben, nicht nur für sich, auch für ihre Familien, für ihre Freunde. Es gilt, an jene zu erinnern, die diese Republik aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges nach der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus wieder aufgerichtet haben.

Es ist unsere Pflicht, unsere Verantwortung, zu erinnern, dass die vielen nicht umsonst ihr Leben gegeben haben, damit sie uns Mahnmal sind: Nie, nie wieder.

Wir müssen genau aufpassen, denn es passiert schleichend: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen. Das war ja alles gar nicht so schlecht. Stimmt das überhaupt? – Das ist der Moment, meine Damen und Herren, in dem wir aufstehen müssen. Wenn das Unsagbare wieder sagbar wird, steht nicht nur die Erinnerung auf dem Spiel, dann steht die Demokratie auf dem Spiel, von außen wie von innen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Meine Damen und Herren! Erinnern heißt also achtsam sein, heißt Haltung zeigen, heißt klare Worte: Nie wieder. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.18 

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Taschner.