RN/45
14.18
Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Im Jahre 2005 – Wolfgang Schüssel war damals Bundeskanzler, es war in gewisser Hinsicht ein paradiesisches Europa, ohne diese großen Krisen, die wir jetzt haben – jährte sich zum 50. Mal die Unterzeichnung des Staatsvertrags, und der Bundeskanzler hat gemeint, das sollte eigentlich in den Schulen durchgenommen werden und das sei eigentlich genug.
Es gab damals noch keine Koordinierungsstelle für Gedenkveranstaltungen, aber es hatten sich damals drei Herren – mein väterlicher Freund Peter Weiser, damals schon in Pension, aber früher Generalsekretär des Konzerthauses und von Kreisky ernannter Leiter der Energieagentur, Herbert Krejci, Generalsekretär der Industrieellenvereinigung, und Hannes Androsch – zusammengefunden und gesagt: Wir müssen für dieses Jahr eine Gedenkveranstaltung machen, wir werden im Belvedere eine Veranstaltung zu 50 Jahren Staatsvertrag machen.
Sie sind zum Bundeskanzler gegangen, der dann auch zugestimmt hat – die Hälfte des Geldes von Androsch, die Hälfte des Geldes vom Staate –, und es war eine wunderbare Veranstaltung, die gelungen ist – ohne diese Koordinationsstelle, einfach initiiert von drei Hommes de lettres, wobei ich befürchte, dass es diese Hommes de lettres heutzutage kaum mehr gibt. In gewisser Hinsicht ist diese Koordinationsstelle gleichsam ein Ersatz dafür.
Warum hat Schüssel das eigentlich nicht gewollt? – Vielleicht hat er schon vorweggenommen, dass wir vielleicht viel zu viel gedenken. Es ist ja so, wie der große Philosoph Alexander Grau in einem Artikel in der „Neuen Zürcher Zeitung“ geschrieben hat: Je stärker das Gedenken zunimmt und je mehr sich die Gedenkveranstaltungen in ihrer Pathetisierung vergrößern, umso geringer wird das historische Bewusstsein, umso geringer wird das Wissen.
Wir sind uns historisch immer weniger der Geschichte bewusst, je mehr wir in Gedenkveranstaltungen pathetisieren, in gewissem Sinne wird die Geschichte dann zu einem schwarzen Loch, in das die Gedenkveranstaltungen hineingeworfen werden, und das schwarze Loch wird einfach nur größer und größer. (Zwischenruf der Abg. Krisper [NEOS].)
Also diese Gefahr sehe ich, und da würde ich eine gewisse Vorsicht walten lassen, ob wir nicht der Gedenkveranstaltungen, des Pathetisierens zu viel tun und nicht denen einen Raum geben, die diese Gedenkveranstaltungen für die Interpretation der Gegenwart in ihrem Sinne verwenden. – Herr Kollege Hammer, Sie haben Ihren Gramsci gelesen, und das muss man auch durchaus zugeben, das ist wunderbar von Ihnen formuliert worden. (Abg. Michael Hammer [ÖVP]: Lukas bitte, gell?! – Abg. Stögmüller [Grüne]: ... ein Eins plus!)
Ich glaube, dass diese Koordinierungsstelle für Gedenkveranstaltungen gut und vernünftig ist, insbesondere wenn sie kein Geld kostet. Es ist also diese Koordinierungsstelle – da wir ja an unserem Geschichtsbewusstsein viel mehr arbeiten müssten, als es eigentlich getan wird – eine Inkompetenzkompensationskoordinierungsstelle, und insofern ist es, wenn Sie so wollen, ein barockes Ereignis. Herzmanovsky-Orlando würde sich freuen, dass man das eingerichtet hat. Es kostet uns nichts, insofern können wir es als typisch österreichisch bezeichnen – sie sei. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Nemeth [FPÖ]. – Abg. Egger [ÖVP]: Bravo!)
14.21
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Silvia Kumpan-Takacs zu Wort. – Bitte.