RN/77
15.58
Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Spoštovani gospod prezident! Spoštovana Visoka Hiša! Sehr geehrtes Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Minister! Na ja, jetzt haben wir in den letzten Minuten einiges zum Tierschutzgesetz und zur Neuordnung des sogenannten Vollspaltenbodenverbotes gehört.
Ich habe mich ein bissel gefühlt wie als Kind. Da hat es bei uns im Dorf so eine Einrichtung gegeben: Wenn jemand sein Tier geschlachtet hat, hat es danach einen Sautanz gegeben. Auf den Sautanz habt ihr, liebe ÖVP, mit dieser Regelung heute eingeladen, und man kann euch nur gratulieren, dass eine Regelung im Sinne des Bauernbundes genau so durchgegangen ist, wie wir als Grüne sie in den letzten Jahren durchwegs blockiert haben. (Zwischenruf bei der ÖVP.)
Warum ist das keine Lösung? – Gehen wir ein paar Jahre zurück: Was war denn das Thema vor der Gesetzgebung 2022? – Das AMA-Gütesiegel stand massiv unter Druck, Konsumentinnen, Konsumenten waren verunsichert, sodass sie AMA-Gütesiegel-Fleisch nicht mehr wirklich als ein Tierwohlfleisch – wovon sowieso nie die Rede war – akzeptierten. Zusätzlich gab es eine Bauernschaft, die Schweine hält, die massiv unter einem Image leidet, das ihnen wirklich nichts Positives eingebracht hat. Die Schweinebranche stand also massiv unter Druck, und war – auch im Vergleich zu den anderen Branchen – weit, weit unterentwickelt.
Ich erinnere nur daran: Während es bei den Rindern absolut normal ist, dass unsere Tiere an die Luft kommen, dass sie Tageslicht sehen, dass sie immer besser und ihrer Art entsprechend gehalten werden – das ist ebenfalls bei den Hühnern und im Bereich der Geflügelhalter:innen so –, ist es im Bereich der Schweinehalter:innen nicht so. Die Schweinebäuerinnen und Schweinebauern haben einfach andere Standards, und man beschäftigt sich dort aus landwirtschaftlicher Perspektive nicht wirklich mit der Frage: Wie geht es denn dem Tier? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
In der Schweinehaltung ist das Tier eine Kostenstelle, ein Teil der Deckungsbeitragsberechnung – und das wollten wir in den letzten fünf Jahren ändern. Ich meine, wir waren auf einem sehr guten Weg. (Beifall bei den Grünen.)
Ich meine, wir waren deshalb auf einem sehr guten Weg, denn – meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, aber auch von der SPÖ, von den Freiheitlichen und von den NEOS, Folgendes haben Sie vergessen – 2022 sind wir hier heraußen gestanden – und es war noch Ihre Vorgängerin, Herr Minister Totschnig – und haben ein Gesamtpaket vorgestellt. – Kollege Strasser, ich glaube, du wirst dich gut erinnern. Es war nicht nur ein Gesetz, das wir beschlossen haben, es war ein Paket; es war ein Paket inklusive Folgendem (Abg. Reiter [ÖVP]: Trotzdem waren die Fristen länger!): In der öffentlichen Beschaffung bekennen sich die Ministerien bis heuer zu einem 50-Prozent-Anteil an Tierwohlfleisch im Einkauf. Heuer gilt das! Wir haben damals eine zusätzliche Unterstützung und weitere Millionen für den Bau von Tierwohlställen beschlossen. Wir sind hier heraußen gestanden und haben uns gesamthaft mit der Schweinebranche beschäftigt.
Ich darf Ihnen heute ausrichten: Genau das haben Sie mit dieser Novelle und mit diesem Reparieren, wie Sie es nennen, nicht gemacht (Abg. Reiter [ÖVP]: Das ist jetzt schon viel Drama! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), denn womit haben Sie sich noch nicht genau beschäftigt? Und ich verstehe es, denn Sie sind derzeit sehr mit dem Budget beschäftigt (Zwischenruf der Abg. Reiter [ÖVP]), und da war Kürzen das Wichtigste. (Ruf bei der SPÖ: Ja, was ihr uns hinterlassen habt!) Aber dass man hergeht und auch bei Gesetzestexten kürzt, nämlich an der falschen Stelle, ist halt dann am Ende des Tages ein Vollpatschen, würde man in Kärnten sagen. (Beifall bei den Grünen.)
Durch eure Motivation, zu kürzen, habt ihr, liebe SPÖ und liebe NEOS, nämlich nicht hingeschaut, was euch die ÖVP vorgelegt hat. Sie hat euch einen Entwurf vorgelegt, in dem sie den wesentlichen Satz einfach weggelassen hat, und ihr habt das einfach abgenickt. Das nehme nicht nur ich euch übel, das nehmen euch alle Menschen in Österreich übel, die sich für Tierwohl und Tierschutz in Österreich einsetzen. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Danke, setzen!)
Es geht nämlich um den Satz: Welcher Standard wird gelten, wenn das Jahr 2034 zu Ende geht? Diesen Satz haben Sie nicht hineingeschrieben. Sie haben zwar weiter daran gebaut und gesagt, wir bleiben bei Ibest plus, und das ist gut so und, Frau Staatssekretärin, wirklich wichtig. Was aus diesem Projekt wird, haben Sie aber gesetzlich nicht mehr verankert. Jetzt frage ich Sie: Glauben Sie wirklich, diese ÖVP wird Sie dabei unterstützen, einen höheren Standard einzusetzen? (Widerspruch bei der ÖVP.) – Das glaube ich nicht, denn ich habe den Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP im Ausschuss, als wir das vorbesprochen haben, sehr gut zugehört. (Abg. Egger [ÖVP]: Die ÖVP nicht, aber die Schweinebauern!) Das Wichtigste war ihnen, dass es sicher keinen Standard geben wird, gemäß dem Schweine auf Stroh gehalten werden. (Beifall bei den Grünen.)
Wissen Sie, was das heißt? – Das ist genau so, als wären Sie vor 20 Jahren hier heraußen gestanden und hätten die Garantie abgegeben, dass es in Österreich nie dazu kommen wird, dass Rinder wieder an der Frischluft gehalten werden. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei den Grünen: Skandal!)
Es ist in Wirklichkeit ein Skandal, was Sie heute hier beschließen. Ich bin Bäuerin und setze mich jeden Tag für die Rechte und die Planungssicherheit von Bäuerinnen und Bauern ein (Widerspruch bei der ÖVP), und jenen, die sich heute hier herausgestellt und gesagt haben, es gebe keine Planungssicherheit, kann ich nur eines ausrichten: Planungssicherheit hat es in Österreich immer gegeben (Abg. Lindinger [ÖVP]: Das ist unerhört!); man braucht einfach nur auf Biostandard umzustellen, dann gibt es immer Planungssicherheit. Das ist nämlich immer zugunsten des Tierwohls. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kühberger [ÖVP]: Unerhört! Ich bin Biobauer, ich schäme mich dafür! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Sie haben heute mit keinem Wort erwähnt – mit keinem Wort erwähnt! –, wie Sie das AMA-Gütesiegel retten werden. Sie haben mit keinem Wort erwähnt, wie Sie den Anteil an Strohschweinen von 5 Prozent auf mindestens 15 Prozent heben wollen. (Ruf bei der ÖVP: Keine Ahnung von Landwirtschaft!) Sie haben mit keinem Wort erwähnt, wie Sie eine Million Schweine in Österreich zumindest tiergerecht halten wollen. Das werfe ich Ihnen vor! Ich werfe es Ihnen vor, weil Sie kein System gesetzlich verankern, das in Österreich sicherstellt (Abg. Lindinger [ÖVP]: Sie haben keine Ahnung von dem, wovon Sie reden!), dass Schweine sich nicht gegenseitig ihre Schwänze abbeißen. Sie garantieren nicht, dass es in Österreichs Schweineställen Tiere geben wird, die ohne rote Augen durchkommen. Sie setzen sie weiterhin ihrem Kot auf einem Spaltenboden aus, der mit kleineren Spalten ausgestattet ist, aber weiterhin ein Vollspaltenboden bleibt. (Abg. Reiter [ÖVP]: Reine Polemik!) Ich finde es wirklich sehr hochmütig (Abg. Reiter [ÖVP]: Ich finde auch, dass das hochmütig ist!), hier heraußen zu stehen und zu sagen: Das ist eine Reparatur des Gesetzes im Sinne des Tierschutzes oder des Tierwohls. – Nein, das ist es nicht! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Sie haben uns heute vorgeworfen: Na ja, liebe Grüne, ihr habt ja viel Zeit gehabt, das Gesetz zu reparieren! – Wissen Sie, auch wir sind das angegangen und wollten das Gesetz reparieren, aber weil uns bekannt war, was da gewollt wird, haben wir dem nicht zugestimmt (Rufe bei der ÖVP: Natürlich! Ja!), denn für so ein Gesetz waren wir nicht zu haben.
Kollegen von der ÖVP, fragt Herrn Strasser! Was haben wir getan? – Wir haben miteinander verhandelt (Zwischenruf des Abg. Oxonitsch [SPÖ]), wie wir neben einer Tierschutzgesetzgebung auch noch eine Haltungskennzeichnung gesetzlich verankern. (Ruf bei den NEOS: Hat nur rechtlich nicht gehalten!) Warum gibt es die nicht? – Weil es euch lieber ist, wieder einen Kniefall vor dem Wirtschaftsbund zu machen, weil es mit euch einfach nicht geht, eine Haltungskennzeichnung einzuführen. (Abg. Reiter [ÖVP]: Bitte das Regierungsprogramm lesen!) – Ja, in der steht eben genau das nicht drin, Carina.
Sinnerfassend Lesen ist noch etwas, was ich kann, und beim sinnerfassenden Lesen ist mir aufgefallen: Die gesetzliche Verankerung der Haltungskennzeichnung oder der Herkunftskennzeichnung ist bei euch nicht mehr zu finden, weil eben wieder einmal der Wirtschaftsbund regiert, genauso wie bei diesem Gesetzentwurf. Da hat nämlich eine Lobby gewonnen: Das ist die Betonlobby. Der Betonmischer wird auch damit auffahren.
Sie haben mit dieser Gesetzgebung eines sichergestellt: dass die Bäuerinnen und Bauern, wenn sie sich auf diesen Standard berufen, die teuerste Variante an Ställen bauen werden, sich somit noch mehr verschulden und in Zukunft keine Planungssicherheit haben, vor allem nicht in Zeiten unsicherer Zinsen. – Danke für gar nichts. (Beifall bei den Grünen.)
16.06
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Lindinger. Eingemeldete Redezeit: 3 Minuten.