RN/28
12.01
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Danke, Herr Präsident! Herr Finanzminister! Frau Staatssekretärin! Ich bin überzeugt, dass man eigentlich alle Debatten hier im Haus mit großer Ehrlichkeit führen sollte, insbesondere dann, wenn es um Budgetdebatten geht. Wenn wir uns das Doppelbudget anschauen, dann müssen wir auch so ehrlich sein, zu sagen, dass das wohl ein erster Schritt in die richtige Richtung ist, aber sicherlich nicht der Befreiungsschlag, den wir brauchen.
Das bedeutet – und kommt natürlich auch daher –, dass wir auch dann ehrlich sein müssen, wenn wir uns anschauen müssen, wieso das so ist. Es ist natürlich Faktum, dass wir die letzten Jahre und Jahrzehnte weit über unsere Verhältnisse gelebt haben. Wenn man viele Jahre, viele Jahrzehnte weit über seine Verhältnisse lebt, dann steigt natürlich auch die Zinslast irgendwann einmal ins nahezu Unermessliche. Herr Finanzminister, Sie haben ja gestern gesagt, dass Sie lieber gar keine Zinsen zahlen würden. Ich sehe das sehr ähnlich. Ich glaube, dass es überhaupt sinnvoll wäre, wenn wir uns nicht jedes Jahr aufs Neue immer wieder verschulden.
Das Problem ist, dass wir es leider auch dieses Jahr – was natürlich mit der Situation zusammenhängt, aber nichtsdestotrotz – nicht schaffen, trotz Rekordeinnahmen das Budget weiter zu sanieren. Wir schaffen es, dass wir trotz Rekordeinnahmen weiterhin eines der höchsten Defizite im Euroraum haben – und das bei Staatseinnahmen, mit denen wir im OECD-Schnitt auf Rang zwei sind.
Herr Finanzminister, ich will Sie gar nicht bewusst missverstehen, aber Sie haben gestern gesagt, die Steuer- und Abgabenquote steigt auf 45,5 Prozent und bleibt dort stabil. Ich habe stabil so gewertet, dass Sie sich freuen, dass sie nicht noch weiter steigt. Ich wäre ja eher für den Aufruf zur Trendumkehr. Ich bin überzeugt davon, dass wir, wenn wir bei einer Steuer- und Abgabenquote von 45,5 Prozent sind, die Trendumkehr angehen müssen und schauen müssen, dass wir sie hinunterbekommen. Das ist in dieser budgetären Situation nahezu nicht möglich, das stimmt schon, aber wir müssen schauen, dass wir da weiterkommen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Was mich dann schon wundert, auch hier in der Debatte heute, ist einerseits eine Aussage von Frau Kollegin Gewessler, die, glaube ich, gesagt hat, wir kürzen die Zukunft weg. Das ist schon einigermaßen skurril, wenn man das sagt, wenn man solch unfassbare Schuldenrucksäcke hinterlassen hat. Sich dann hierherzustellen und zu sagen: Nein, nein, wir waren es ja nicht, das sind jetzt die, die die Zukunft wegkürzen! (Zwischenruf der Abg. Gewessler [Grüne]), da sollte man sich an der Nase nehmen (Abg. Wurm [FPÖ]: Ja, hast recht!) und überlegen, ob es immer sinnvoll ist, dass man über die eigenen Verhältnisse lebt, oder ob man nicht eher anders staatspolitisch agiert. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
Vielleicht andererseits noch eine Anmerkung zu Frau Kollegin Kolm: Ich kann ja mit vielem, was Sie gesagt haben, einiges anfangen, ich bin mir nur nicht sicher, ob das bei Ihnen im Klub auch so eine Mehrheit findet. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Taschner [ÖVP] und Wurm [FPÖ]. – Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich kann viel nachvollziehen, aber es ist vielleicht doch nicht so.
Fakt ist, dass das Sparprogramm maximal ein erster Schritt sein kann. (Abg. Krainer [SPÖ]: Ist das jetzt ein Bewerbungsgespräch?) Das Sparprogramm wird natürlich das Problem nicht dauerhaft lösen, was insbesondere damit zu tun hat, dass eines in den letzten Jahrzehnten immer so sicher wie das Amen im Gebet war, nämlich dass wir mehr Geld ausgegeben als eingenommen haben.
Herr Finanzminister, jetzt werden Sie als überzeugter Keynesianist sagen: Na ja, es gibt schon Zeiten, in denen man entsprechend investieren muss und einmal mehr ausgeben muss, als man einnimmt! – Ich bin, wie Sie sich vorstellen können, eher ein Anhänger von Hayek, aber ich habe meinen Keynes natürlich trotzdem bis zum Ende gelesen – und das ist ja das, was so wichtig ist und was so viele in Österreich immer vergessen: Keynes geht ja davon aus, dass man in schwierigen Zeiten Geld ausgibt, um zu investieren. Er sagt aber auch, dass man in Zeiten der sprudelnden Steuereinnahmen etwas auf die Seite legt (Abg. Herr [SPÖ]: Eh! Zyklisch! – Abg. Krainer [SPÖ]: Eh!), und das ist das, was in den letzten Jahrzehnten in Österreich leider Gottes fast alle immer vergessen haben. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Krainer [SPÖ]: Ja, wir nicht!)
Ich habe, Herr Kollege Krainer, jetzt, in dieser Situation, niemandem vorgeworfen, dass er es vergessen hat. Ich glaube, es ist wichtig, dass man ehrlich miteinander umgeht, und wenn man sagt, man muss in schwierigen Zeiten investieren, dann muss man eben in Zeiten, in denen es gut ist, auch etwas auf die Seite legen. (Abg. Krainer [SPÖ]: Ja! – Abg. Herr [SPÖ]: Richtig!) Denn wenn man das nicht tut, dann passiert genau das, was jetzt das große Problem ist: dass wir über Jahrzehnte über unsere Verhältnisse gelebt haben, und das auf Kosten der nächsten Generation.
Deswegen braucht es jetzt strukturelle Reformen, insbesondere im Pensionssystem. Da ist einmal ein Anfang gemacht mit den Anpassungen bei der Korridorpension und auch mit der Teilpension.
Vielleicht ein Letztes, Herr Finanzminister: Sie haben ja gesagt, ein gutes Pensionssystem ist nur dann gut, wenn es langfristig finanzierbar ist. Darin sind wir uns, glaube ich, alle einig. Ich glaube nur, dass die langfristige Finanzierbarkeit nicht nur an der Beschäftigungsquote und den hohen Gehältern hängt und nur damit gewährleistet ist, sondern dass man sich auch ein bisserl mit der Realität insofern auseinandersetzen muss, als die Tatsache, dass wir alle immer älter werden – was ja etwas Großartiges ist – und die meisten von uns zum Glück auch immer gesünder älter werden, natürlich auch eine Auswirkung auf das Pensionssystem hat. Man sollte nicht negieren, dass nahezu alle unsere Nachbarstaaten sich natürlich auch darüber Gedanken machen, ob die Menschen länger werden arbeiten müssen, damit das Pensionssystem – und das ist unser aller Ziel – langfristig weiterhin finanzierbar ist.
In diesem Sinne: Ich glaube, um für die nächsten Generationen etwas weiterzubringen, kann dieses Doppelbudget ein erster Schritt sein, aber wir müssen bei den nachhaltigen Reformen, glaube ich, in den nächsten Jahren noch einiges nachlegen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)
12.06
Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jakob Schwarz. Ich habe die Redezeit auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.