RN/13
16.00
Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir befinden uns an einem Donnerstagnachmittag (Abg. Greiner [SPÖ]: Mittwoch!) in einer Untersuchungsausschussdebatte – oder so etwas Ähnliches soll es jedenfalls sein (Abg. Steiner [FPÖ]: Na momentan in einer Debatte über die Dringliche!) –, auf Antrag der Freiheitlichen Partei mit einer Dringlichen Anfrage an den ÖVP-Bundeskanzler.
Ein Untersuchungsausschuss ist ein extrem wichtiges parlamentarisches Instrument. Er ist für uns als Abgeordnete eigentlich unser wichtigstes Kontrollinstrument im Parlament zur Überprüfung von politischen Vorgängen, von Missbrauch, von Korruption und zur Aufklärung. Wir Grüne haben in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass wir uns mit kritischer und gründlicher Aufklärungsarbeit einbringen, mit zahlreichen erfolgreichen Politikerinnen und Politikern – Gabi Moser oder auch Werner Kogler, der heute hier sitzt. Das werden wir auch in diesem Fall tun.
Die Art und Weise aber, wie die Freiheitliche Partei bei ihrem aktuellen U-Ausschuss-Verlangen agiert, ist äußerst fragwürdig – auch das muss vorab gesagt werden. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Aber ihr wolltet ein dringendes Verlangen von uns haben! Und kooperieren! Komisch!)
Kommen wir aber zunächst zu einem der wild und populistisch durcheinander gewürfelten Untersuchungsgegenstände, nämlich den polizeilichen Ermittlungen um den tragischen Tod von Christian Pilnacek, denn die werfen tatsächlich eine lange Latte an Fragen auf: Warum wurden nicht einmal grundlegendste Spuren gesichert, wie das in einem solchen Fall eine absolute Selbstverständlichkeit sein sollte? Wie kann es sein, dass im ersten Moment keine Obduktion angeordnet wurde, obwohl das absolutes Standardprotokoll ist? Das weiß jede „Tatort“-Seherin. Warum wurden die gefundenen elektronischen Geräte nicht ausgelesen, um festzustellen, was in den letzten Stunden vor dem Tod von Christian Pilnacek tatsächlich geschehen ist? – Ja, dieses Ermittlungschaos gehört lückenlos aufgeklärt und aufgearbeitet, und ja, ein Untersuchungsausschuss kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. (Beifall bei den Grünen.)
Wir Grüne werden in diesem Rahmen mit einem eingespielten Team in gewohnter Manier kritische und gründliche Arbeit leisten. Ich möchte an dieser Stelle sagen – eine Frage muss sich die ÖVP sehr wohl gefallen lassen –: Warum ist es jedes einzelne Mal wieder Niederösterreich? Es sind immer Polizistinnen und Polizisten aus Niederösterreich, die durch fragwürdige Ermittlungsvorgänge auffallen. Ich erinnere nur an die Causa Kloibmüller, bei der durch ein ins Wasser gefallenes Diensthandy über fragwürdige Umwege mutmaßliche ÖVP-Interventionen in Chatprotokollen ans Tageslicht kamen. (Beifall bei den Grünen.)
Dieser heiße Draht des Innenministeriums nach Niederösterreich ist auch politisch problematisch, denn wie kommen eigentlich all die Polizistinnen und Polizisten aus den anderen acht Bundesländern dazu, dass sie nicht so eine direkte Verbindung und auch nicht diese Karrierewege haben, die da befördert werden?
Den auffällig starken Einfluss Niederösterreichs im Innenministerium kann die ÖVP schwer leugnen, denn das sehen wir, wenn wir uns die Liste ihrer Innenministerinnen und Innenminister anschauen: von Gerhard Karner zurück über Karl Nehammer und Wolfgang Sobotka bis zur aktuellen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Wir haben da 14 Jahre ÖVP-Erbpacht der niederösterreichischen ÖVP im Innenministerium. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Sie haben es ja mitgetragen!) Mit einzelnen Ausnahmen reicht diese Erbpacht sogar ein Vierteljahrhundert zurück bis zu Liese Prokop und Ernst Strasser. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Mit dem Sobotka warts ihr Wein verkosten! Warum habts ihr nicht die Notbremse gezogen in der Regierung?)
Eine erwähnenswerte Unterbrechung ist das kurze, aber umso verheerendere Intermezzo von Herbert Kickl im Innenministerium samt der Zerschlagung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Da haben die Grünen in einem der letzten Untersuchungsausschüsse wiederum wertvolle Aufklärungsarbeit geleistet, nämlich indem interessante Sachverhalte, was die Verbindungen im Innenministerium unter Herbert Kickl nach Russland betrifft, Gegenstand des letzten Untersuchungsausschusses zum rot-blauen Machtmissbrauch waren.
Auch darüber wird gesprochen werden müssen, wenn es um politische Schieflagen im Innenministerium geht, auch wenn die Freiheitlichen das nicht hören wollen und Herr Kickl als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss ja nicht einmal aufgetaucht ist. Das schaue ich mir an – wie die FPÖ sich wahnsinnig aufregen würde, wenn unter fadenscheinigen Ausreden ÖVP-Politiker:innen nicht aussagen wollen würden. Herr Kickl ist lieber bergsteigen gegangen, statt sich dem parlamentarischen Kontrollinstrument zu stellen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Höfinger [ÖVP]: Wie so oft! – Abg. Kickl [FPÖ]: Das würde dem einen oder anderen von euch gar nicht schaden!)
Das bringt mich zu einem ganz entscheidenden Punkt, nämlich der Frage: Was bezwecken Sie, Herr Kickl und Herr Hafenecker, eigentlich mit diesem Untersuchungsausschuss? (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Aufklärung!) So, wie dieses Untersuchungsausschussverlangen daliegt: Ja, es gibt einen Teil, der absolut aufklärungswürdig ist – die Causa Pilnacek –, und der Rest ist irgendein wirres Gefasel von irgendwelchen Verschwörungstheorien. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Aber ihr wolltet ja unbedingt zusammenarbeiten mit uns! Wie geht sich das jetzt aus? Ihr habt doch eine Kooperation gesucht! Komisch! Hat euch nicht getaugt, dass ich euch nichts gesagt habe?)
Ich glaube, die Frage ist: Geht es Ihnen eigentlich um faktenbasierte Aufarbeitung? Ist das quasi das, was Sie beabsichtigen? Oder wollen Sie vielleicht diesen Untersuchungsausschuss überhaupt nicht zur tatsächlichen Aufklärung verwenden, sondern als weiteres Vehikel zur Verbreitung Ihrer absurden Verschwörungstheorien? – So sehen diese verschiedenen Untersuchungsgegenstände jedenfalls aus. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Na gut, dass wir den eingesetzt haben! – Abg. Steiner [FPÖ]: Bist ja nur beleidigt, weil du nicht am Antrag draufstehst! – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Und keine Klubobfrau mehr bist!) – Herr Steiner hat wieder gute Inputs. (Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Ihr habts denselben Dialekt, ihr müsstets euch verstehen!)
Wenn Sie sich dieses völlig irrsinnige Potpourri anschauen – wir werden eh sehen, wie viel davon dann beim Verfassungsgerichtshof überlebt –, ist ganz eindeutig: Sie sind innerhalb zerstritten. Es gibt einen Teil, der Pilnacek aufklären will, und der andere Teil will Propaganda machen – das ist vollkommen klar. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Sigrid, es ist vorbei, ihr seids nicht mehr in der Regierung! Du musst das einmal umdenken!)
Sie versuchen krampfhaft, diesen Zusammenhang zwischen den Ermittlungen zum Tod von Pilnacek, den Coronademonstrationen und einer vermeintlichen Verfolgung durch Medien zu konstruieren – ausgerechnet Sie! Es gibt eine einzige Partei in diesem Haus, die Journalist:innen verfolgt, die von Fahndungslisten spricht, zu Journalist:innen, die ihr unangenehm sind (Abg. Steiner [FPÖ]: Lena Schilling! Die Lena Schilling!): Diese Partei ist die Freiheitliche Partei und keine andere. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
Sie sprechen auch konsequent von einem Deep State: hier im Parlament, bei öffentlichen Auftritten, in den Medien; heute in der Früh im Ö1-„Morgenjournal“ hat Kollege Hafenecker auf Sendung wieder diesen Begriff verwendet. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Ich hab' aber auch gesagt, dass ich ... die Frage für sehr dumm halte! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: War ja auch eine dumme Frage!) Das ist natürlich nicht irgendein harmloser Begriff, sondern er knüpft an historisch weit zurückreichende Verschwörungserzählungen (Abg. Hafenecker [FPÖ]: In die Politikwissenschaft der Siebzigerjahre! Schrecklich! Hat ein Roter das erste Mal geschrieben!) von einem Staat im Staate an, die seit Jahrhunderten insbesondere antisemitischen Hass geschürt haben.
Davon haben Sie zwar natürlich wieder nichts gewusst, Herr Hafenecker – eine oberflächliche Recherche auf Google hätte das recht schnell ergeben. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Auf Google steht auch, ich bin rechtsextrem, weil Sie es hineingeschrieben haben, und es stimmt nicht!)
Wenn man das recherchiert, dann kommt man sehr schnell auf weitere Absurditäten, zum Beispiel zur Existenz von Echsenmenschen. Da frage ich mich immer: Glauben Sie eigentlich, dass Echsenmenschen existieren? (Abg. Kickl [FPÖ]: Reden S' noch ein bissl weiter, dann denke ich noch einmal darüber nach!) Vielleicht könnten Sie uns das einmal mitteilen. (Abg. Shetty [NEOS]: Peter, sag was!) Oder zum Beispiel auch, dass die Erde flach ist: Das ist auch so eine berühmte Deep-State-Erzählung. Also da hätte ich gerne einmal Auskunft dazu, wie Sie denn zu diesen interessanten Behauptungen stehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)
In Horror- und Science-Fiction-Filmen mag das ja vielleicht unterhaltsam sein, aber der Spaß hört sich auf, wenn in der Politik rechtsextreme Verschwörungserzählungen eingesetzt werden, um das Vertrauen in die Demokratie zu schwächen. Das ist genau der Zweck, den Sie natürlich mit diesen Untersuchungsgegenständen, die Sie da hineingewurschtet haben, verfolgen.
Ich bin ganz sicher nicht die Erste, die Sie auf diese Konnotation hinweist, aber Sie bleiben natürlich weiter bei diesem Begriff Deep State, mit dem weltweit demokratiefeindliche Lügenpropaganda verbreitet wird. Sie sind da in einer internationalen Koalition unterwegs. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie jetzt noch versuchen würden, mir einen gegenteiligen Beweis zu bringen – Sie werden keinen finden. Es gibt diese Verwendung von Deep State in keinem anderen Kontext – in keinem Kontext (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Schauen Sie mal bei Colin Crouch nach, da steht’s ...!), der nicht auf Verschwörungstheorien basiert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Das Buch heißt „Postdemokratie“, da können Sie es nachlesen!)
Ich komme zum Schluss. Wir haben dieses Verlangen vorliegen, wir werden sehen, was der VfGH dazu sagt. Dann wird das Parlament daran arbeiten. Wir Grüne werden uns wie immer konsequent, seriös, sauber (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Sauber!) und ehrlich an der Aufklärungsarbeit beteiligen. Was die Frage Pilnacek betrifft (Abg. Steiner [FPÖ]: Da musst den Peter Pilz wieder in die Partei aufnehmen!): Unsere Kollegin Nina Tomaselli wird in bereits gewohnter Manier – Sie kennen sie alle – mit ihren kritischen Fragen und mit ihrem Durchsetzungsvermögen die Aufarbeitung für uns hier im Untersuchungsausschuss leiten, aber wir werden auch, wo immer die FPÖ versucht, diesen Untersuchungsausschuss für die Verbreitung von rechtsextremen Verschwörungstheorien zu verwenden, das auf das Schärfste zurückweisen, klar benennen und auch bekämpfen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kickl [FPÖ]: Verschwörungstheorien reicht schon nicht mehr! Zerstörerisch fehlt noch! Die Angriffsverschwörungstheorie! Eine zerstörerische Angriffsverschwörungstheorie!)
16.09
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Spalt zu Wort gemeldet. Sie kennen die einschlägigen Bestimmungen. 2 Minuten eingestellte Redezeit.