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9.17

Bundesministerin für Europa, Integration und Familie im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Vielen Dank, Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete hier im Hohen Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie im Hohen Haus, aber auch vor den Bildschirmen! Ich freue mich sehr, dass sich heute eine Aktuelle Stunde ganz besonders dem Thema der Integration widmet. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Aus dem Titel geht klar und unmissverständlich hervor, worum es beim Thema Integration gehen soll. Wer bei uns lebt, muss Teil werden, und Teil zu werden bedeutet, die deutsche Sprache zu lernen, arbeiten zu gehen und sich an unsere Regeln und Werte zu halten, sie zu respektieren und danach zu leben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Darmann [FPÖ]: Das muss man auch wollen! – Abg. Wurm [FPÖ]: ... seit 40 Jahren!) 

Ich darf Ihnen als zuständige Integrationsministerin (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Glauben Sie uns eigentlich?) in den nächsten Minuten kurz umreißen, wie wir diese drei Erwartungen als Bundesregierung ganz konkret umsetzen werden. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: So wie in den letzten Jahren auch schon!) 

Gleich zu Beginn steht die Frage, wie wir unsere Systeme vor einer Überlastung schützen können. Ich bin froh, dass wir – diese Bundesregierung – nicht nur jetzt in der Umsetzung, sondern auch schon zuvor, wenn es um das Verhandeln unseres Regierungsprogramms gegangen ist, eine klare Haltung gezeigt haben, auch was die Beschränkung von Zuwanderung betrifft.

Wir haben uns nicht nur in den letzten Jahren für einen starken EU-Außengrenzschutz starkgemacht (Abg. Darmann [FPÖ]: Dass ihr die ganze Zeit Asyl und Zuwanderung vermischt!), für eine Änderung der EU-Asylpolitik – und tun das nach wie vor –, sondern wir setzen auch in Österreich konkrete Maßnahmen. Das gilt für unsere Schulen, für die Kindergärten, für die Wartezimmer, für das Gesundheitssystem, genauso aber auch für den Sozialbereich.

Unsere Systeme sind in den letzten Monaten an ihre Belastungsgrenze, an ihre Kapazitätsgrenze gestoßen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Was ist mit der Menschenrechtskonvention? – Heiterkeit bei der FPÖ.) Das zeigen auch die Zahlen sehr, sehr deutlich. Zwei von drei Asylberechtigten – also Menschen mit positivem Asylbescheid, die hier bleiben dürfen – sind nicht im lateinischen Alphabet alphabetisiert. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Wirklich?!) Die können, bevor sie Deutsch lernen, unsere Wörter überhaupt nicht identifizieren. Die Hälfte davon ist nicht einmal in der eigenen Muttersprache alphabetisiert.

Es ist unsere Verantwortung, die Systeme vor einer Überlastung zu schützen. In diesem Bereich trifft es ganz konkret die Bildung und auch den Arbeitsmarkt. Eine sinnvolle Arbeitsmarktintegration kann ja nur durch die gemeinsame Sprache – durch Deutschkenntnisse – gewährleistet sein. Deswegen haben wir uns in der Bundesregierung darauf verständigt, den Familiennachzug auszusetzen, damit nicht noch mehr Menschen zu uns nach Österreich kommen. 

Zusätzlich arbeiten wir an der Einführung eines Integrationsbarometers, damit auch an einem Kontingentsystem, das sich auch an den Integrationskapazitäten orientiert, also an den realen Möglichkeiten, ob Integration überhaupt erfolgreich möglich sein kann, egal ob in der Bildung, in der Arbeit oder in der gesamten Gesellschaft.

Es geht dabei auch um die gute Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Stellen, um die Zuständigkeiten, um einen guten Datenaustausch, damit wir auch diese Vorhersagen für die Zukunft treffen können, damit wir eben genau wissen, wie es um unsere Kapazitäten im Bereich der Integration bestellt ist. Und ich freue mich hier auf eine gute Zusammenarbeit, diese wird für den Erfolg dieses Projektes ausschlaggebend sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Gleichzeitig gilt: Wer bereits hier ist und ein Bleiberecht hat, einen positiven Bescheid hat, muss sich aktiv um Integration, um erfolgreiche Integration bemühen. Ein zentraler Punkt ist die deutsche Sprache. Wir haben in Österreich ein großes Angebot an Deutschkursen, an Wertekursen und genauso auch an Arbeitsplätzen. Und für uns ist klar: Ohne ausreichende Deutschkenntnisse ist keine Integration möglich, weder im Alltag noch am Arbeitsmarkt. Wir schaffen deshalb auch strengere Regeln: Die bloße Anwesenheit bei Deutschkursen wird nicht mehr ausreichend sein. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ah, das ist jetzt so?) Es wird verpflichtende Abschlussprüfungen geben, bis hin zu Sanktionen. Wir meinen es in dieser Sache sehr, sehr ernst. Wer sich nicht bemüht, wird das auch zu spüren bekommen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Bis jetzt war es wurscht, oder? Das ist die ÖVP!)

Wir haben ein verpflichtendes Integrationsprogramm nicht nur im Regierungsprogramm vorgesehen, sondern werden diese Maßnahme in den nächsten Wochen gleich aufgreifen: ein verpflichtendes Integrationsprogramm ab dem ersten Tag. Das bedeutet, sofort nach Anerkennung, sofort nach dem positiven Bescheid müssen Deutschkurse besucht werden, Wertekurse absolviert werden und ein Arbeitsplatz gesucht werden. Ein bis zwei Mal zum Kurs kommen und dann nie wieder erscheinen, das ist nicht mehr möglich mit diesem neuen verpflichtenden Integrationsprogramm. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Bisher war das möglich, Frau Minister?) Das ist uns sehr, sehr wichtig, dass wir diese Verpflichtung, versehen mit Sanktionen, deutlich hervorstreichen.

Integration bedeutet aber mehr als Sprache und Arbeit. Integration bedeutet auch, sich an unsere Werte und Regeln zu halten, sie nicht nur zu respektieren. Und zu unseren Werten gehört auch, dass junge Frauen, dass Mädchen nicht unterdrückt werden, sondern dass ihnen genauso von Kindheit an die vielen Chancen unserer freien westlichen Gesellschaft, die Chancen unserer Gleichberechtigung, unserer Demokratie offenstehen. Das ist eine Selbstverständlichkeit für uns hier herinnen, aber das muss auch eine Selbstverständlichkeit für die gesamte Gesellschaft sein und damit auch Teil dessen, was wir unter Integration verstehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Mir ist dieses Thema sehr, sehr wichtig, nicht nur als Integrationsministerin, sondern insbesondere als Jugendministerin, dass alle Mädchen, die in Österreich leben, die hier eine langfristige Perspektive haben wollen, egal ob sie Migrationshintergrund haben oder nicht, die gleichen Chancen in unserer Gesellschaft haben. Das gilt von Kindheitsjahren an und das müssen wir auch konsequent einfordern. 

Aus diesem Grund erarbeiten wir aktuell das Kopftuchverbot, das Kinderkopftuchverbot für Mädchen bis 14 Jahren. Der Verfassungsgerichtshof hat ja schon einmal das Kopftuchverbot aufgehoben, nachdem es beschlossen wurde, das heißt aber nicht, dass wir uns als Bundesregierung, dass wir uns als politische Verantwortungsträger nicht ein weiteres Mal drübertrauen sollten, ein Verbot in einer anderen, einer verfassungskonformen Form zu beschließen. Es geht hier ganz explizit um die Begründungen, um den Wortlaut bei diesem Verbot, und wir werden hier sehr genau mit Expertinnen und Experten arbeiten und schauen, wie wir es verfassungskonform umsetzen können.

Es geht hier um das Kindeswohl. Es geht mir hier weniger um ein religiöses Symbol, es geht mir darum, Mädchen vor Unterdrückung zu schützen, vor etwas, das sie vielleicht im Alter von acht, neun Jahren noch gar nicht richtig verstehen. Ich finde, es ist nicht akzeptabel, dass im Kindesalter Druck auf Mädchen ausgeübt wird, egal ob familiär, religiös oder gesellschaftlich. Unter Gleichaltrigen nimmt der Druck zu – wir brauchen nur an die Schulen in den Städten zu schauen –, durch selbst ernannte Sittenwächter, die es in den Schulen auch gibt, und genauso auch durch Influencer, Influencerinnen in erster Linie, auf Social Media. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Wenn ihr Fake News bekämpfen wollt, dann müsst ihr euch niedersetzen und dürft nichts mehr sagen!)

Die Religionsfreiheit endet dort, wo die Selbstbestimmung des Einzelnen beginnt – und damit auch die Selbstbestimmung von Mädchen. Religionsfreiheit ist es sicherlich auch nicht, wenn im Internet radikale Ansichten einfach so geteilt werden können. Das sind Angriffe auf unsere Werte, Angriffe auf unser demokratisches Zusammenleben, die nichts anderes im Sinn haben, als unsere Gesellschaft zu spalten und zu verunsichern. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das hat die ÖVP ja gut gemacht! Das wissen wir ja! – Abg. Steiner [FPÖ]: Ja, in Coronazeiten!)

Radikalisierung passiert heute nicht mehr, wenn sich extremistische Gruppen tatsächlich treffen, wenn sich extremistische Vereine tatsächlich treffen, sondern sie passiert zunehmend in sozialen Netzwerken, in Messengergruppen und auch auf Plattformen. Dort wird Hass verbreitet, es wird suggeriert, dass es einfache Antworten auf sehr komplexe Probleme und Fragen gibt. Unsere Gesellschaft soll, wie gesagt, dadurch auch bewusst gespalten und verunsichert werden. Vielleicht kommt Ihnen das ja bekannt vor, liebe Abgeordnete der FPÖ! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Deshalb stärken wir gezielt die Extremismusprävention im digitalen Raum mit einem Maßnahmenpaket, das bereits im Ministerrat vor einigen Wochen verabschiedet wurde. Wir wollen unseren Kindern und Jugendlichen das nötige Rüstzeug mitgeben, auch im Sinne der Medienkompetenz, damit sie in der Lage sind, kritisch zu hinterfragen und klar zu unterscheiden: Was ist demokratiegefährdend? Was hat absolut nichts mit der Art und Weise zu tun, wie wir in Österreich, wie wir in Europa leben? Was sind das für Inhalte, die hier hereingespielt werden?

Lassen Sie mich abschließend noch etwas ganz allgemein zu meinem Verständnis von Werten sagen: Werte spielen nicht nur bei der Integration eine große Rolle, sondern auch beim Themenbereich der Religion. Ich bin als Integrationsministerin auch für den Bereich Kultus zuständig, für die Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich. 

Deshalb möchte ich auch mit einem Appell schließen: Wir können stolz sein auf unser gutes Miteinander der Religionsgemeinschaften und Kirchen, das nicht nur ein Nebeneinander ist, sondern ein klares Miteinander. Aber gleichzeitig müssen wir auch deutlich selbstbewusster zu unseren Werten stehen, zu unseren Werten, die ganz klar aus einer christlichen Prägung hervorgehen. Das Christentum und auch das Judentum haben in vielen Teilen unsere österreichische Geschichte, unsere europäische Geschichte mit beeinflusst und gestaltet, und da dürfen wir nicht anfangen, mit unseren Traditionen, die eben ganz stark auf dem Christentum basieren, zu fremdeln, vor allem, wenn wir dann glauben, dass wir dadurch toleranter sind. Ganz im Gegenteil: Wer sich gestört dadurch fühlt, sollte sein eigenes Toleranzverständnis hinterfragen. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne freue ich mich auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit im Bereich der Integration. Ich sehe eigentlich inhaltliche Zustimmung, und vielleicht zeigt sich das ja auch in den einen oder anderen Beschlüssen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

9.27

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Danke, Frau Bundesministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brückl. Ich erteile es ihm.