RN/8

9.39

Abgeordneter Paul Stich (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen! Integration ist Fördern und Fordern, und wenn wir in diesem Haus über Integration sprechen, dann steht ganz oft das Fordern im Vordergrund und im Zentrum der Auseinandersetzung (Abg. Wurm [FPÖ]: Genau!), und das ist prinzipiell gut. Es ist wichtig, dass wir definieren, wie wir unsere Gesellschaft entwickeln wollen. Es ist wichtig, dass wir Ziele setzen, und es ist wichtig, dass wir klar sagen, dass gewisse Parameter nicht verhandelbar sind: wenn es darum geht, schnellstmöglich Deutsch zu lernen, wenn es darum geht, schnellstmöglich eine Arbeit zu finden und auch zur österreichischen Gesellschaft beizutragen.

Das heißt für uns ganz konkret: Integration ab Tag eins. Das ist wichtig für die Leute, die nach Österreich kommen, das ist wichtig für die gesamte Gesellschaft. Sprache, Arbeit und Teilhabe sind wichtige Schlüssel und gehören zu den zentralen Bekenntnissen hinsichtlich gelungener Integration in Österreich. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Gerade bei gelingender und auch bei gelungener Integration ist es aber ebenso wichtig, das Fördern ins Zentrum der Auseinandersetzung zu stellen, und ein Teil der Gesellschaft, ein vollwertiger Teil der Gesellschaft, wie es die Aktuelle Stunde im Titel auch sagt, werden zu können, bedeutet auch, die entsprechenden Möglichkeiten dafür vorzufinden. Da gibt es aktuell, selbst bei bestfunktionierender Integration, selbst wenn ich im Dirndl herumrenn’, jodl’ und steirischen Backhendlsalat ess’, eine durchaus doch ganz große Hürde. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Man kann das eh alles ins Lächerliche ziehen!) Es ist nämlich für viele Menschen gar nicht möglich (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Aber gut, jemand, der nur bei der SJ hauptberuflich arbeitet!), vollwertiger Teil der österreichischen Gesellschaft zu werden, obwohl sie Leistungsträgerinnen oder Leistungsträger sind, weil es eben nicht möglich ist, etwa aufgrund bestehender Hürden, auch tatsächlich Österreicherin oder Österreicher zu werden, und das ist ein ganz großes Problem.

Das betrifft die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land, ganz besonders in den Städten, egal ob das Graz, Linz, Wels oder Wien ist; das betrifft zum Beispiel 80 Prozent des Reinigungspersonals in Wien, die zweifelsohne Leistungsträgerinnen und Leistungsträger dieser Gesellschaft sind. Sie sind von demokratischen Mitbestimmungsprozessen ausgeschlossen – nicht, weil sie nicht wollen, oder nicht, weil sie sich nicht für österreichische Politik interessieren, nicht, weil sie ihre eigenen Rechte nicht durchsetzen wollen, sondern weil die Hürden durchaus bewusst so gelegt sind, dass trotz guter und funktionierender Integration die vollwertige Integration in unsere Gesellschaft nicht gelingen kann.

Das kann es nicht sein, da muss die Bundesregierung etwas tun, und da wird die Bundesregierung etwas tun, um diesem Zustand etwas entgegenzusetzen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl [FPÖ]: Ein Steirer darf auch nicht in Wien wählen!) 

Weil die Zwischenrufe der freiheitlichen Fraktion zunehmen (Abg. Kickl [FPÖ]: Ist ja so!): Ich bin ja immer wieder erstaunt über diese Ehrlichkeit, es diesen Leuten auch durchaus ins Gesicht zu sagen, dass Sie ihre Leistung und ihre Arbeit und das, was sie für Österreich beitragen, eben nicht wertschätzen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Wieso? Ein Steirer darf doch auch nicht in Wien wählen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sagen Sie den Leuten, die Ihnen Ihre Wassergläser wegräumen, die Ihre Büros putzen, in denen Sie Ihre Meetings abhalten, sagen Sie ihnen, dass Sie nicht wollen und kein Interesse daran haben, dass sie tatsächlich ein ganzheitlicher Teil der Gesellschaft werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kickl, Sie sind ja anscheinend viel unterwegs; es ist ja eine Freude, Sie auch hier im Haus anzutreffen. Da gibt es zumindest einige Gelegenheiten, diesen Reinigungskräften ganz bewusst zu sagen, dass Sie ihre Arbeit nicht wertschätzen – zumindest diese Ehrlichkeit weiß ich zu schätzen.

Es gibt viele Parameter, und auch das zu betonen ist mir sehr wichtig (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ]), um gelungene Integration zu messen. Was es aber nicht geben darf, sind Generalverdachte, die auch in diesem Haus immer wieder, manchmal niederschwelliger und manchmal offener, suggeriert werden. Parameter der gelungenen Integration und das, was auch die Bundesregierung tut, um Integration voranzutreiben, haben unter anderem Kollege Marchetti und viele andere schon ausgeführt. Es geht um die Sprache. Es geht um Arbeit. Es geht um ein Wertefundament, das weit weg ist von Verfassungsfeindlichkeit oder jeglichem Extremismus, sei es religiös oder jeder sonstigen Art.

Eines gehört aber definitiv nicht dazu – das hat mich und wahrscheinlich auch ganz viele im Haus in den letzten Tagen, Wochen und Monaten immer wieder ganz besonders erschüttert –: dass nicht nur Soldat:innen, sondern auch Zivilist:innen oder gar Mitarbeiter:innen diplomatischer Dienste, wie etwa im Westjordanland oder auch gestern bei diesem grausigen Attentat in Washington, Opfer von kriegerischen Auseinandersetzungen und von Verbrechen werden. Kritik an den Verbrechen in Kriegen, etwa in Gaza, ist nicht automatisch fehlende Integration. Es ist berechtigte Kritik daran, dass Tausende unschuldige Menschen in den vergangenen Wochen ums Leben gekommen sind und getötet wurden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Was meinen Sie da genau? – Abg. Kickl [FPÖ]: Können Sie das kurz auf den Punkt bringen, was Sie meinen?)

Langer Rede kurzer Sinn: Integration heißt Fördern und Fordern, klare Vorgaben und faire Chancen (Abg. Kickl [FPÖ]: Redet um den heißen Brei herum! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Feig auch noch!), und jene Menschen, die in Österreich jeden Tag ihre Leistung bringen, sollen etwas beitragen können, sollen die Voraussetzungen erhalten, sollen die Möglichkeiten erhalten, ein wichtiger Teil und ein vollwertiger Teil unserer Gesellschaft zu werden. Die Bundesregierung wird Fördern und Fordern zu ihrem Programm machen, und all diejenigen, die ein Interesse an gelungener Integration haben, sind herzlich eingeladen, sich dabei auch mit Ideen und Vorhaben zu beteiligen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.45

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Klubobmann Shetty; ebenfalls 5 Minuten.