RN/20

10.25

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Die hier wohnen!), die in Österreich leben! Liebe Besucherinnen und Besucher hier im Hohen Haus! Wie bereits im Vorfeld angekündigt, hat Magnus Brunner gestern seinen Rücktritt als Finanzminister verkündet und auch sein Mandat als Nationalratsabgeordneter zurückgelegt, um mit Anfang Dezember seine neue Position als EU-Kommissar antreten zu können. 

Als Bundeskanzler möchte ich mich ausdrücklich bei Magnus Brunner für seinen Dienst an unserer Republik bedanken, zuerst als Staatssekretär und in weiterer Folge als Bundesminister. Die letzten fünf Jahre waren tatsächlich mehr als zehrende Jahre für die Österreicherinnen und Österreicher, geprägt durch die Krisen und die Herausforderungen, die die Krisen mit sich gebracht haben.

Gerade in solch unsicheren Zeiten braucht es besonnene und kühle Köpfe, und genau so jemand war Magnus Brunner als Staatssekretär, aber vor allem dann auch in dieser schwierigen Zeit als Finanzminister. Gemeinsam haben wir als Regierung – als Team – nicht nur durch diese Herausforderungen geführt, sondern auch die Menschen entlastet und strukturelle Meilensteine wie die Abschaffung des schleichenden Lohnfraßes, der kalten Progression, erreicht. Deshalb mein ganz aufrichtiger Dank und meine besten Wünsche für Magnus Brunner in seiner neuen Rolle als Kommissar! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Auch das Aufgabengebiet, in dem er als Kommissar für die Europäische Union und damit auch für das Interesse der Republik Österreich arbeiten wird, ist von besonderer Bedeutung. Zurzeit gibt es einen Paradigmenwechsel in der Europäischen Union, wenn es um die Frage Kampf gegen illegale Migration geht, wenn es um die Frage Kampf gegen organisierte Kriminalität, gegen Menschenhandel geht und wenn es darum geht, mit sicheren Drittstaaten neue Übereinkünfte zu finden, damit eben das Leid der Menschen, die sich auf die Fluchtrouten begeben und damit ihr Leben gefährden, auch tatsächlich enden kann. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].) Magnus Brunner wird diese Aufgabe sehr gut erfüllen, gerade mit der Erfahrung eines Binnenlandes, das von sogenannter Sekundärmigration immer wieder hart getroffen und dadurch auch immer vor große Herausforderungen gestellt wurde. Wir sind damit jetzt in einer Situation, dass wir auch darauf verweisen müssen, dass es gelungen ist, 16 verbündete Mitgliedstaaten zu finden, die die gleichen Interessen haben, wenn es um den Kampf gegen illegale Migration geht und wenn es darum geht, mit neuen Möglichkeiten auch tatsächlich effizienter auftreten zu können.

Obwohl es bei einer sogenannten Übergangsregierung oder einer amtsführenden Regierung, wie wir sie jetzt gerade haben – wie ich es auch als Bundeskanzler sein darf – überhaupt nicht üblich ist, eine Regierungserklärung abzugeben – gerade auch wenn es einen Ministerwechsel gibt –, so ist mir das dennoch besonders wichtig, weil ich glaube, es ist eine gute Tradition, und es ist auch eine Möglichkeit, den Österreicherinnen und Österreichern den neuen Finanzminister ein Stück weit vorstellen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor Ihnen sitzt mit Gunter Mayr ein Ihnen vermutlich bereits bekanntes Gesicht; nämlich dann ein bekanntes Gesicht, wenn Sie sich mit dem Thema Steuerrecht und Finanzen in besonderem Maße auseinandersetzen. Prof. Mayr ist ein langjähriger Finanzexperte, Doktor sowohl der Rechtswissenschaften als auch der Betriebswirtschaft. Seit 2012 ist er – und das ist eben das Besondere dabei – auch Sektionschef im Finanzministerium und lehrberechtigt sowohl an der Universität Wien als auch an der Universität Innsbruck. Ich bin überzeugt davon, dass er die richtige Wahl für die Nachfolge als Finanzminister ist, und ich bedanke mich hier auch gleichzeitig für die Bereitschaft, das Amt jetzt anzunehmen, die Verantwortung zu übernehmen und gerade in einer fordernden Zeit auch für die Österreicherinnen und Österreicher im redlichen Sinne Politik zu machen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von NEOS und Grünen.)

Die letzten Jahre waren tatsächlich von multiplen Krisen geprägt – von der Pandemie bis zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine über die Teuerung und die Energiekrise bis hin zur explodierenden Inflation. All das zeigt, dass es mehr als schwierige Zeiten und Herausforderungen für die Menschen, die in unserem Land leben, waren.

Es war wegen dieser Krisen notwendig, immer wieder zu investieren, den Menschen auf dem Weg durch die Krisen zu helfen und auch ein Stück weit die wehrhafte Demokratie wieder viel stärker in den Mittelpunkt zu stellen als in den Jahrzehnten davor. Was heißt das? – Auf der einen Seite war es zum Beispiel notwendig, eine strategische Gasreserve im Ausmaß von 20 Terawattstunden Gas anzulegen. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Was hat die gekostet?)

Das sind Milliarden Kubikmeter Gas, die Ihnen, liebe Österreicherinnen und Österreicher, tatsächlich gehören, die dazu da sind, in einer Krise, sollte es zu einer solchen kommen, Versorgungssicherheit herstellen zu können. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Was hat es gekostet, was ist es wert?) Diese 4 Milliarden Euro waren damals budgetbelastend – mehr als das. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Was ist es jetzt wert?) Es ist eben notwendig, gerade wenn man in herausfordernden Zeiten lebt, auch genau dann zu investieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Darüber hinaus wurde es durch den russischen Angriffskrieg – wir haben erst unlängst 1 000 Tagen Krieg auf dem europäischen Kontinent gedacht – auf dramatische Art und Weise wieder notwendig, die wehrhafte Demokratie im Sinne der wehrhaften Neutralität, der militärischen Landesverteidigung in den Mittelpunkt unseres Tuns zu stellen. Deshalb war es auch notwendig, durch die Erhöhung der Budgets die Nachrüstung des österreichischen Bundesheeres voranzutreiben, damit wehrhaft – im wahrsten Sinne des Wortes – auch gelebt werden kann. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Das haben wir bei der Luftraumverteidigung eh gesehen!) 

Wie wichtig das ist, dass das auch umgesetzt wird, dass es Menschen gibt, die bereit sind, politische Verantwortung zu übernehmen, sieht man jetzt. Es gibt gerade einen Rechtsstreit zwischen der OMV und Gazprom. Als Reaktion auf ein Schiedsgerichtserkenntnis – das der OMV recht gegeben hat – hat die russische Seite wieder einmal nicht rechtsstaatlich agiert. Sie hat begonnen, die österreichische Gasversorgung von russischer Seite aus abzudrehen und zu limitieren. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Um 4 Milliarden Gas einkaufen ...!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich spreche von wehrhafter Demokratie, und diese zeichnet sich dadurch aus, dass man sich eben nicht erpressen lässt (Abg. Kassegger [FPÖ]: Sie liefern an jemanden, der sagt: Ich zahle nichts!, weiter! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ein Verlust von fast dreieinhalb Milliarden! Gratuliere! Das haben Sie gut gemacht!), dass man sich nicht in die Knie zwingen lässt, damit man in der Lage ist, auch in einer schwierigen Zeit für die Menschen in unserem Land da zu sein und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das ist dieser Bundesregierung gelungen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden die Zwischenrufe vonseiten der freiheitlichen Fraktion, die ja eine besondere Russlandaffinität besitzt (Abg. Kassegger [FPÖ]: Nein, eine Österreichaffinität, eine besondere!), nicht hören können. Nun an die freiheitliche Fraktion gerichtet: Wären wir Ihren Ratschlägen gefolgt (Ruf bei der FPÖ: Stünden wir viel besser da!), wäre die Gasversorgung in Österreich jetzt gefährdet. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Nein, das glaube ich weniger! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Was wollen Sie mit 20 Terawattstunden? – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Aber es wäre billiger gewesen! – Abg. Amesbauer [FPÖ]: Sie haben es gefährdet! Sie persönlich!) 

Es ist durch das umsichtige Agieren der OMV erreicht worden, dass wir andere Gasquellen erschlossen haben, dass wir Pipelinekapazitäten dazubekommen haben und dass wir in der Republik Österreich, und vor allem Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Wer hat Nord Stream in die Luft gesprengt? Wer war das? – Abg. Amesbauer [FPÖ]: Was ist mit Ihrem Freund Selenskyj?), eben keine Angst davor haben müssen, dass die Wohnungen kalt bleiben, keine Angst davor haben müssen, dass der Strom ausgeht, und keine Angst davor haben müssen, dass unternehmerische Tätigkeiten nicht fortgesetzt werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl [FPÖ]: Nur weiter so!)

Es ist tatsächlich manchmal notwendig, den eigenen Populismus hintanzustellen (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Die Sprengung von Nord Stream kostet uns 1 Milliarde Steuergeld! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ja, machen Sie das einmal, Herr Kanzler!), einen Schritt hinaus zu machen und Verantwortung zu übernehmen, wenn es um das Ganze geht, wenn es um neun Millionen Menschen geht, die in unserem Land leben und genau dieses verantwortungsvolle Handeln verdient haben. (Abg. Amesbauer [FPÖ]: Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und treten Sie zurück! Sie sind abgewählt! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: … Millionen wollen Sie nicht! Sie wollen Sie nicht mehr!) 

Ich glaube, es ist redlich, richtig und recht, dass die Republik Österreich – und damit Sie alle, die Sie uns gerade zusehen – sich nicht erpressen lässt, auch wenn gerade ein Erpressungsversuch stattfindet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir leben in einer Zeit der Desinformation. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].) In verschiedensten sozialen Medien wird behauptet - - (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Sie sind der Desinformant! – Abg. Amesbauer [FPÖ]: Die betreiben Sie gerade!) – Sie sehen, die Aufregung in der freiheitlichen Fraktion ist besonders groß, das muss wohl Gründe haben. (Abg. Michael Hammer [ÖVP]: Fake-News-Partei!) 

Es wird gerade viel Desinformation verbreitet, nach dem Motto: Wenn Österreich sein Gas verbraucht, dann gibt es keines mehr! – Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch das ist eine Falschmeldung. Die strategische Gasreserve wird derzeit natürlich nicht angegriffen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Sagen Sie auch etwas zum Budgetloch, wenn wir gerade bei Desinformation sind?! – Zwischenruf des Abg. Amesbauer [FPÖ]. – Abg. Karner [ÖVP]: Herr Präsident!) Die Versorgung ist gegeben, wir beziehen ausreichend Gas aus anderen Quellen. Das zu betonen, ist mir nur deshalb so wichtig, weil es – wie Sie sehen – das Ziel von Erpressung ist, Unsicherheit und Angst zu schüren. Das Ziel von Erpressung ist es, über diese Angst Destabilisierung zu erreichen (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Da redet der Richtige von der Angst!) und über diese Destabilisierung das Vertrauen in die Institutionen zu untergraben. (Abg. Fürst [FPÖ]: Das habt ihr während Corona gemacht! – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Reden Sie von der Coronakrise?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden weiter gemeinsam mit all unseren Möglichkeiten dafür Sorge tragen, dass der Kampf gegen Desinformation offen, klar und transparent geführt wird. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Was zahlen die Österreicher für die Megawattstunde, Herr Bundeskanzler? – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das, was Sie bei Corona gemacht haben! – Abg. Amesbauer [FPÖ]: Ist das eine Zensurankündigung?) Wir werden mit all unseren Maßnahmen – auch gemeinsam mit der Europäischen Union – dafür sorgen, dass insbesondere auch die Versorgungssicherheit in unserem Land gegeben ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Ziel muss jetzt sein, gerade in so turbulenten Zeiten wie diesen mit einer starken parlamentarischen Mehrheit eine handlungsfähige Bundesregierung zu formen. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Habt ihr aber nicht! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].) Und ja, tatsächlich ist es so, dass eine handlungsfähige Mehrheit zu haben bedeutet, dass hier im Hohen Haus eine parlamentarische Mehrheit einer zukünftigen Bundesregierung zur Verfügung steht (Abg. Amesbauer [FPÖ]: Eine Verliererampel! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das waren jetzt tiefe Einblicke!), die es möglich macht, Veränderungen, Reformen zu beschließen, Gesetze zu beschließen, die dazu da sind, um Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Österreicherinnen und Österreicher, im besten Sinne des Wortes zu dienen. 

In diesem Sinne: Herr Finanzminister, es warten große Aufgaben auf Sie! Alles Gute, ich freue mich auf die Zusammenarbeit! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Kein Wort zum Budgetloch! Kein Wort! – Abg. Kickl [FPÖ]: Kein Wort zum Budget! Das ist auch interessant! – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Kein einziges Wort zum Budget! Das ist unglaublich!)

10.36

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Danke, Herr Bundeskanzler. 

Wir gehen in die Debatte zur Erklärung ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kaniak. Eingemeldete Redezeit: 5 Minuten.