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11.07

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Kollegen auf der Regierungsbank! Kolleginnen und Kollegen auf den Abgeordnetenbänken! Ich bin dankbar dafür, dass ansatzweise eigentlich eine Generaldebatte aus dieser Debatte geworden ist – sowohl im Beitrag des Herrn Bundeskanzlers als auch gerade eben in jenem von Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Ich möchte daher auch die Gelegenheit nutzen, auf das traurige, tragische Jubiläum, wenn man das so nennen darf, einzugehen: 1 000 Tage brutaler, völkerrechtswidriger Angriffskrieg Putins auf die Ukraine. Das ist im Übrigen der Grund, warum die Abgeordneten der grünen Fraktion hier einen solchen Button (auf den blau-gelben Button auf seinem Revers weisend) tragen. (Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Niederösterreich!) – Das ist vielleicht nicht so leicht zu verstehen für alle Fraktionen, danke, aber es ist natürlich die ukrainische Nationalflagge. (Abg. Kickl [FPÖ]: Sehr beeindruckend!)

1 000 Tage – es ist genau so, wie Beate Meinl-Reisinger gesagt hat (Abg. Amesbauer [FPÖ]: Stimmen Sie allem zu ...? Das gibt es ja nicht! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Sag ich ja! Aber er darf ja nicht mitregieren!), und ich würde noch hinzufügen: 1 000 Tage, wobei das Motiv für die Konsequenzen daraus – Massenmord, Vergewaltigung und ja, Verschleppung von Tausenden Kindern – zunächst einmal erforscht werden muss. Noch einmal – wer das nicht erkennt – die ganz, ganz einfache Weisheit, die da dahintersteckt: Wenn Putin aufhört, ist dieser Krieg beendet, und wenn die Ukraine aufhört, ist sie unterworfen. Das muss man doch einmal kapieren, verdammt noch einmal! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Amesbauer [FPÖ]: Es werden beide aufhören müssen, oder?!) – Was heißt, „beide aufhören“? Das werden die tapferen Ukrainerinnen und Ukrainer entscheiden, wie sie damit umgehen (Abg. Amesbauer [FPÖ]: Der Trump wird das schon regeln! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Genau!), denn ein Diktatfrieden, ein aufoktroyierter Friedhofsfrieden wird es nicht sein können (Abg. Kassegger [FPÖ]: Bis zum Sieg weiter! – Abg. Amesbauer [FPÖ]: Das wird euch der Trump dann schon zeigen! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Bis zum Sieg weiter!), und da ist allenfalls ein Unterschied. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Sagt er da aus der warmen Stube! Von den Grünen!)

Wissen Sie, auch da ist die angesprochene Motivenlage, warum Putin nicht aufhören wird, wenn ihm nicht in den Arm gefallen wird, ganz einfach: Seine Sorge war doch – neben seinen imperialistischen Fantasien durch den Verlust der Sowjetunion (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Aber es geht jetzt um den Finanzminister!) , dass er, und das ist das zentrale und treibende Motiv, in seiner unmittelbaren Nachbarschaft keine westlich orientierte Demokratie will, die sich damals 2014 mit den Majdanbewegungen hin zur Europäischen Union, zum europäischen Sozial-, Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell und vor allem zum demokratischen Modell in Freiheit entwickeln wollte. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer [FPÖ]. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Können Sie jetzt bitte zum Finanzminister was sagen ...?) Das ist die Hauptsorge von Putin. Dies wird dort bekämpft, damit er nicht vor seiner Haustür Demokratie, Selbstbestimmung und „Freiheit“ – unter Anführungszeichen – erdulden muss, weil dann die in Moskau auch noch draufkommen würden, dass es anders geht. Das ist doch der Grund. 

Das ist lupenreine Diktatur – und der halten Sie die Stange. Danke für die Zwischenrufe an der Stelle, weil die mir jetzt eh schon abgegangen wären! (Beifall bei den Grünen.) Da können Sie (Abg. Kickl [FPÖ]: Aber wenn ein seniler amerikanischer Präsident jetzt eskaliert, ist’s wurscht!) sich hinstellen, wie Sie wollen. Daher ist, glaube ich, noch einmal festzuhalten: Ein militärisch neutraler Staat wie Österreich hat nicht die irregeleitete Verpflichtung – so wie Sie das vielleicht ableiten –, gar nichts zu tun. Militärisch neutral sein heißt nicht, teilnahmslos jedes Verbrechen und jedes Kriegsverbrechen zu dulden. (Abg. Amesbauer [FPÖ]: ... lieber Kriegstreiber sein!) Das muss klar sein, und dazu sollten wir uns auch bekennen.

Ich möchte mich auch noch dem Dank an den – inzwischen nicht mehr – Kollegen Brunner für die Zusammenarbeit anschließen und gleich den neuen Finanzminister begrüßen. Ich stehe auch nicht an, hervorzuheben, dass er nicht nur ein Experte ist, sondern ein besonders ausgewiesener Experte. Das ist, glaube ich, in dieser Übergangszeit eine gute Nachricht. Außerdem ist ja in der Verfassung gar nicht so viel Spielraum gegeben, zu entscheiden, wer in einer solchen Situation Finanzminister wird. Es ist allerdings in diesem eingeschränkten Verfahren eine gute Auswahl gelungen. Das ist einmal gut.

Zu den Budgetentwicklungen, weil das debattiert wird – war ja klar; Sie sehen es, man bereitet sich in jeder Situation vor –, habe ich die Budgetrede des Finanzministers Brunner von vor genau einem Jahr dabei. (Der Redner nimmt eine vor ihm auf dem Redner:innenpult liegende Broschüre zur Hand. – Abg. Wurm [FPÖ]: Was war vor ...?) Ja, August Wöginger hat recht: Es macht halt schon einen Unterschied, wie die Wirtschaftsprognosen sind. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ah so ...!) Kollege Brunner (Abg. Wurm [FPÖ]: ... Expertise!) ist ja jetzt nicht mehr auf meine Verteidigung angewiesen, aber so viel muss man der Korrektheit halber schon dazusagen, nicht? Dieser Unterschied im Wirtschaftswachstumsprognosebereich von 1,8 Prozent – meiner Rechnung nach sind es im Übrigen dann aber 9 Milliarden Euro Differenz – macht mehrere Milliarden fürs Budget aus; das ist ja logisch. Die Ausgaben erhöhen sich, weil mehr für Arbeitslosigkeit ausgegeben werden muss, und so weiter. Vor allem verringern sich aber die Einnahmen, gemessen an den sonstigen Prognosen. Da reicht das Einmaleins. Nichtsdestotrotz haben wir auch Divergenzen in der Einschätzung gehabt. Ich habe immer gesagt: Mir liegen die Daten von Prof. Badelt und auch jene des Wirtschaftsforschungsinstituts näher. Da geht es aber um kleinere Beträge. Das muss man ehrlicherweise dazusagen. 

Eine neue Regierung und wir alle hier im Haus werden eh gut damit zu tun haben, zu schauen, wie wir da weiterkommen. (Abg. Krainer [SPÖ]: ... Beträge!) Ich wende mich aber auch gegen dieses generelle Schlechtreden. Ja, es gibt Riesenherausforderungen und -probleme; und in der Veränderung der Wirtschaftsdaten stehen wir nicht gut da. Auf der anderen Seite muss man schon erkennen: Viele Länder, die in der Wirtschaftsleistung ein hohes Niveau haben, haben halt auch andere Wachstumszahlen. Das ist auch ein alter Zusammenhang und wir sind in Österreich immer noch – je nachdem – unter den drei bis fünf Besten in Europa, wenn es um die Wirtschaftsleistung und damit um das Durchschnittseinkommen pro Kopf geht. Das muss man schon auch einmal sagen dürfen. (Abg. Krainer [SPÖ]: Aber bei der Entwicklung sind wir schon von hinten unter den Top drei!)

Ich würde aber auch durchaus selbstkritisch oder kritisch sein, inwiefern wir künftig die Dinge angehen sollten. Mein Zugang oder mein Rat für die Zukunft ist, und unser Beitrag wird schon sein: Ja, es muss gespart werden, möglicherweise schneller als Kollege Babler glaubt. Ich sehe eher mehr Bedarf als 1,5 Milliarden Euro. Insofern wird es schon darum gehen, folgende Kunst durchzuführen: sinnvoll zu sparen und trotzdem Spielräume für Investitionen zu lassen, teilweise öffentlich, aber auch Direktinvestitionen – und vor allem Rahmenbedingungen für Private zu schaffen. Da kann es sehr wohl sein – das ist ja eine spannende Debatte in diesen Zeiten –, dass bestimmte Förderarchitekturen und -konstruktionen Sinn machen. Die Frage ist also für alle, die jetzt die Förderung ins Zentrum der Debatte rücken: Was soll nicht mehr gefördert werden und wo gibt es Ineffizienz? Die muss man einmal identifizieren. Das einfach so in den Raum zu schmeißen, ergibt noch kein Konzept.

Ich mache da jetzt keine lange Rede daraus, aber es wird Sie nicht wundern, wenn wir vorschlagen, dass es natürlich sinnvolle Sparpotenziale bei vielen Großprojekten aus dem vorigen Jahrhundert gibt. Das wären Möglichkeiten. Möglichkeiten hätten wir auch bei den lange identifizierten umweltschädlichen Subventionen, weil die ja doppelt falsch wirken. Erstens kosten sie etwas und zweitens wirken sie in die falsche Richtung. Da meine ich nicht das Pendlerpauschale: Das soll nur sozialer gestaltet werden – klarerweise im Sinne einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft. Es ist aber schon nicht unbedingt einzusehen, wieso weiterhin – wir haben es halt nicht weggebracht – Dienstwägen, SUV-Fahrer in der Umgebung von Wien über dieses Instrument begünstigt werden sollen (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Kollegin Götze!); und da kommen auch schon 500 Millionen Euro zusammen. Der Gleiche profitiert ja noch von dem völlig falsch angesetzten Pendlerpauschale. (Abg. Kaniak [FPÖ]: Ihr habt mit der NoVA-Erhöhung eh schon bewiesen ...! ) Da kriegen schließlich die mehr gutgeschrieben, die besonders viel verdienen – und der Nachbar, der weniger verdient und das kleinere Auto hat, kriegt weniger, obwohl er genau gleich viele Kilometer in die Arbeit fährt. Da gäbe es also schon Möglichkeiten. 

Ich gehe aber generell auf die Frage der Förderungen und des Föderalismus noch einmal ein, weil das sicher eine Debatte werden wird. (Abg. Wöginger [ÖVP]: Pendlerpauschale!) Wir identifizieren viele Förderungen, die insoferne zu hinterfragen sind, als man noch nicht einmal weiß, ob sie doppelt und dreifach existieren. Ich weiß, wovon ich rede, weil wir das selbst im kleinen Bereich des Sports gehabt haben. Wir haben das alles, wo wir konnten, ganz schnell transparent gemacht. Ich weiß aber, dass es im Wirtschaftsbereich noch so ist. Wenn das Wirtschaftsministerium nicht genau weiß, was die Bundesländer oder auch große Kommunen schon fördern, dann ist das nicht gut. Ich rede ja noch nicht einmal gegen Doppelförderungen. Es kann ja auch sinnvoll sein, dass man im einen oder anderen Bundesland noch unterschiedliche Schwerpunkte dazunimmt. (Zwischenruf des Abg. Egger [ÖVP].) Das kann ja irgendwann einmal einen Sinn gehabt haben, aber dass das Hirn nicht weiß, dass die andere Hand etwas ausgibt, dagegen kann man aber immer noch mehr tun. Das Ärgerliche dabei ist, dass wir das eigentlich schon seit zehn Jahren diskutieren. 

Sehen Sie, da sind wir bei der Frage des Föderalismus. Das wird eine schwierige Aufgabe. Ich freue mich ja, dass die NEOS im wahrsten Sinne des Wortes so einen Esprit versprühen. Ich hoffe nur, dass da jetzt auch einmal etwas vorangeht, und ich weiß, wie schwer das für die jeweilige Bundesregierung ist. Ich kann mich ja gut daran erinnern, wie das bei Faymann-Pröll noch ein Konzept war. Wir haben voller Tatendrang, weil das eh alles eine Zweidrittelmaterie ist, mitwirken wollen, aber so schnell hast du gar nicht schauen können, wie die Ambitionen verflogen sind, weil natürlich Widerstand kommt. Daher wäre es doch ein vernünftiger Vorschlag, dass man sich ehrlich einmal mit den Ländern zusammensetzt – jetzt im Guten gemeint – und schaut: Wo kann man Kompetenzen wirklich verstärkt bei den Ländern lassen und wo dafür umgekehrt mehr beim Bund?

Wir haben in allen großen Bereichen – Kinderbetreuung von Elementarbildung bis in die Schulen hinein, in der Gesundheit, in der Pflege auch noch – immer serielle undurchdringliche Mischkompetenzen. Der Gesundheitsminister weiß, wovon wir da reden, nicht? In Österreich machen alle Gesundheitspolitik: die Krankenkassen, die Ärztekammer, die Bundesländer in Dreifachfunktion – Krankenkassenerhalter gleichzeitig mit Gesetzgeber, und so weiter und so fort. Es machen alle Gesundheitspolitik, nur die Gesundheitsministerinnen und -minister haben kaum Kompetenzen. Das ist doch ein unhaltbarer Zustand, und dagegen könnte man schon etwas tun.

Wir werden uns da gerne auch einbringen – ich habe es ja schon an anderer Stelle gesagt –, weil wir, wenn jetzt wirklich der Reformeifer ausbricht, alle miteinander schnell draufkommen werden, dass wir da in aller Regel und gerade in Österreich Zweidrittelmaterien tangieren. Insofern sage ich ehrlich und aufrichtig: Unsere Hand ist ausgestreckt, und ja – und jetzt habe ich damit angefangen –, auch wir sehen, dass in den Bereichen gespart werden muss, in denen man es sinnvoll angehen kann. Das ist in Wahrheit ein Projekt für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Da kann man schon mit Sicherheit mehr machen. Das führt aber auch gleichzeitig dazu, dass man es so machen muss, dass wie erwähnt nicht die Investitionsspielräume eingeschränkt werden sollen. Da werden wir schon weiter etwas brauchen – und sehen Sie, da kann es schon sein, dass man draufkommt, dass Förderungen da oder dort sinnvoll sein können. Wie wollen denn unsere Industriebetriebe oder Gewerbebetriebe die Sache hinbekommen, wenn das nicht entsprechend angestoßen wird? Da, glaube ich, muss man eben einen Unterschied machen.

Wir sehen ja, dass Österreich in den modernsten Technologien viele, viele Weltmarktführer hat, dass die Voest noch die Chance hat, vorne dabei zu sein. Das wird aber nicht ohne entsprechende Rahmenbedingungen gehen, das hat ja die Entwicklung der letzten Jahrzehnte gezeigt.

Im Ökotechnologiebereich ist Österreich mit einigen anderen Volkswirtschaften in Europa ganz, ganz weit vorne. Das sollte man nutzen – dort, wo wir die Chancen haben, die Chancen weiter nutzen. Das betrifft insbesondere (Abg. Krainer [SPÖ]: Du hast gesagt, du machst keine lange Rede daraus!) die angesprochene Steiermark.

Also diese riesigen Chancen sollten wir nutzen und da investieren. Das wird wohl bleiben müssen. Wenn wir so an die Sache herangehen, dann, glaube ich, kann man auch wieder zu Recht – weil das auch wieder in Abrede gestellt wurde – zuversichtlich sein. Unsere Hand ist wie gesagt jedenfalls ausgestreckt. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei den Grünen.)

11.20

Präsident Peter Haubner: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Christian Hafenecker zu Wort gemeldet. – Sie kennen die Vorgaben für die tatsächliche Berichtigung. Bitte.