RN/10
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Abgeordnete Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß (ÖVP): Danke, Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen, werte Zuseher! Wir erleben heute eine der traurigsten Stunden dieses Parlaments. Die unfassbare Gewalttat an der Grazer Schule hat unser Land in tiefer Betroffenheit vereint. Zehn Menschen wurden brutal ermordet, viele andere tragen schwer an körperlichen und seelischen Wunden. Ihre Familien sind mit unermesslichem Leid konfrontiert. Ihnen allen gelten unser tiefstes Mitgefühl, unsere Gebete und der aus tiefstem Herzen empfundene Wunsch, dass sie die unerträglichen Erlebnisse in irgendeiner Weise ertragen können und irgendwann das Erlebte überwinden können.
In diesen Tagen sind wir alle Graz. Wir stehen zusammen, und – wie gestern gesagt wurde – wir halten zusammen. Wir sind stärker. Doch es bleibt die Frage: Warum?
Diese Tat war menschenverachtend, sie war grausam, sie war sinnlos. Sie war aber nicht nur ein Angriff auf unschuldige Menschen, sie war ein Angriff auf das friedliche Zusammenleben in unserem Land, sie war ein Angriff auf unsere Werte, auf unsere Schulen als Orte des Lernens, als Orte von Freundschaften, als Orte von Geborgenheit.
Ich möchte mich bei allen Einsatzkräften, bei allen, die geholfen haben, die noch immer helfen, bei allen, die trösten, bei allen, die zur Seite stehen und den Betroffenen helfen, bedanken.
Wir werden heute langsam wieder zur politischen Tagesordnung zurückkehren, aber wir werden dabei nicht vergessen, dass für einige Menschen in unserem Land nichts mehr ist, wie es war. Sitzplätze am Familientisch bleiben leer, Tische in Klassenzimmern bleiben leer, Bilder im Kopf werden nie verschwinden. Es gibt nichts, was die Politik tun kann, um die Zeit zurückzudrehen, aber wir müssen uns ernsthaft und in aller Sachlichkeit überlegen, wie man solche Taten bestmöglich verhindern kann.
Was sich in dieser Schule ereignet hat, ist nicht nur eine persönliche Tragödie für alle, die betroffen sind. Es ist ein Weckruf für uns als Politikerinnen, als Politiker, für die Schule als Institution, es ist ein Weckruf für das Wie – wie wir zusammenleben –, für unser Bildungssystem, für unsere Familienpolitik, für uns als Gesellschaft. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Menschen in unserer Gesellschaft isolieren, radikalisieren und letztlich keinen Ausweg mehr für sich sehen außer blinde Wut, Hass und Gewalt.
Kinder und Jugendliche brauchen heute mehr denn je Halt, sie brauchen Werte, sie brauchen Orientierung. Es braucht Herzensbildung, es braucht Benehmen, und es braucht Haltung. Wir müssen unsere Kinder und Jugendlichen zu eigenverantwortlichen Menschen machen. Dafür braucht es starke Familien, die sie tragen; Schulen, die sie fordern, fördern, aber auch schützen; und ein Umfeld, das unsere Kinder und Jugendlichen ernst nimmt, ein Umfeld, das ihre psychische Gesundheit ernst nimmt.
Deshalb ist für mich klar: Prävention ist der Schlüssel. Sicherheit beginnt nicht erst bei der Polizei, Sicherheit beginnt bei der Prävention; sie beginnt bei der Stärkung von Familien, bei der Stärkung von Schulen, bei der Früherkennung von psychischen Problemen und auch bei einer besseren Verantwortung im Umgang mit Waffen.
Wir werden genau analysieren, wie es zu dieser Tat gekommen ist, und wir werden aus Fehlern lernen; aber wir müssen natürlich den Mut haben, unbequeme Fragen zu stellen – da geht es nicht um Ideologie, da geht es um Verantwortung –: Welche Rolle spielen soziale Isolation, Onlineradikalisierung und eine zunehmende Verrohung der Sprache in unserer Gesellschaft? Kommen Menschen zu jung und zu einfach an Waffen? Wo ist unser System zu spät dran? Funktionieren alle vorgesehenen Sicherheitsmechanismen?
Es braucht tatsächlich keine reflexartige Symbolpolitik, sondern klare, faktenbasierte Maßnahmen – und da geht mein Dank an die Bundesregierung. Wir dürfen den Rechtsstaat nicht infrage stellen, sondern wir müssen ihn stärken, nicht mit Aktionismus, sondern mit klaren Konsequenzen. Unser Ziel muss es sein, eine Gesellschaft zu bauen, in der Kinder stark, sicher, ohne Angst und mit Hoffnung aufwachsen können. Ich hoffe sehr, dass wir alle – alle – aus dieser Tragödie mehr machen als Worte: zum Schutz unserer Kinder, zum Schutz unserer Schulen und zum Schutz unserer offenen Gesellschaft. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS sowie der Abg. Zadić [Grüne].)
10.03
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Greiner. Eingemeldete Redezeit: 5 Minuten.