RN/13
10.16
Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Danke, Herr Präsident. – Ja, zu dem, was Frau Abgeordnete Fiedler gesagt hat, möchte man meinen: Wenn man mit diesen Fragen zurückbleibt, muss man auch einmal weiter innehalten und schweigen. Aber wir sind eben auch das Parlament und Sie sind die Regierung und haben sich hier zu einer Regierungserklärung eingefunden. Also wir werden über mehr reden müssen, ich sage es gleich vorab dazu.
Ja, natürlich: Mir geht es auch immer noch so, dass das alles unfassbar ist und unbegreiflich – und plötzlich kriegen diese Begriffe eine Bedeutung. Man kann es nicht greifen, man kann es nicht fassen, weil – da möchte ich bei Klubobmann Kickl anschließen – es auch unvorstellbar ist. Man stellt es sich nicht vor, aber es ist da, die Gefahr ist da. Ich werde gleich etwas dazu sagen, aber das ist sozusagen das emotionale Dilemma, das alle rüttelt und schüttelt. Wir als Verantwortungsträger hier haben natürlich schon auch die Aufgabe, daraus Schlüsse zu ziehen, wie es ja schon angedeutet wurde.
Einige von uns waren ja gestern in Graz bei der Trauerfeier am Hauptplatz. Es ist nicht nur berührend – es wurde geschildert –, es ist auch beeindruckend, wie erstens einmal die Schülerinnen und Schüler, also die jungen Menschen, mit dieser immer noch unfassbaren Tragödie umgehen. Auch die Anteilnahme und der Zusammenhalt in Graz sind in der Bevölkerung sehr, sehr groß. Das ist bei aller Tragödie auch etwas Positives, dass man das dann auch tatsächlich spürt – denn man kann die Tragödie nicht wegkriegen, man kann ja dann nur zusammenstehen, und das passiert in Graz. Das ist letztlich auch wieder positiv und hoffnungsgebend. Das war im Übrigen das Motto: Graz hält zusammen.
Ich will nicht all den Dank wiederholen, ich richte ihn direkt an alle, die hier schon genannt wurden – wir hatten ja auch schon anderswo Gelegenheit dazu –, aber eines möchte ich noch hinzufügen, nämlich betreffend das medizinische Personal: All die Pläne, die es gibt, funktionieren offensichtlich. Die Leiterinnen und Leiter der Spitäler haben das erklärt: dass wunderbar und gut entsprechend den Plänen für diese sogenannte Lage eines Massenanfalls von Verletzten zusammengearbeitet wurde. Das hat perfekt funktioniert, und man sollte auch das einmal erwähnen, und es funktioniert offensichtlich dann doch einiges auch bei aller Tragödie sehr, sehr gut.
Ich habe es gesagt, 100-prozentige Sicherheit – ich weiß nicht – wird es nicht geben. Wir sollten gar nicht suggerieren, dass es die gibt. Die Appelle haben so geklungen, auch gestern. Die wird es nicht geben.
Bevor ich zu den Waffen komme, möchte ich noch sagen: Ja, viel wichtiger ist, wie das gesellschaftliche Klima entsteht, was da alles schiefläuft, und zwar nicht nur bezogen auf diesen Anlassfall, sondern auf viele andere. Was für eine Rolle spielen die sozialen – eigentlich die unsozialen – Medien? Offensichtlich wächst das Bewusstsein da auch bei den anderen Fraktionen. Und dann bin ich schon dort: Was kann man dort tun, um abzufangen? Das ist eigentlich noch wichtiger als die Waffengesetze, ich sage es dazu. Wenn jetzt bei den psychosozialen Unterstützungen an den Schulen etwas weitergeht: umso besser. Generell ist die Gewaltpräventionsfrage mindestens so wichtig wie die Frage nach den Waffen.
Jetzt aber, in der Kürze der Zeit, dazu: Es gibt eben keine 100-prozentige Sicherheit, aber wir sollten alles tun, um die Wahrscheinlichkeit von solchen Wahnsinnstaten zu reduzieren. Das ist unsere Aufgabe, gerade hier im Parlament als Gesetzgeber, weil am Schluss fast alles eine gesetzliche Regelung ist, weil es ja massive Eingriffe sind. Es sind massive Eingriffe – die uralte Fragestellung jeder Zivilisation –: Freiheit versus Sicherheit. Im Großen wie im Kleinen: Freiheit versus Sicherheit.
Jetzt muss man einmal zum Punkt kommen: Was ist denn das für eine Welt, in der es einen allgegenwärtigen Anspruch auf Waffen gibt? Waffen – immer mehr Waffen im privaten Bereich! – machen sie nicht sicherer, die Welt wird eher unsicherer – jedenfalls muss man den Eindruck gewinnen. Geht es um die Freiheit auf einen allgegenwärtigen Anspruch auf Waffen? – Bei diesen legeren und laschen Regelungen, die wir haben, muss man diesen Eindruck gewinnen. Geht es darum, geht es um diese Freiheit oder geht es viel mehr um die Freiheit der Gesellschaft, der anderen Individuen, um die Freiheit von Waffen, um mehr Sicherheit zu erzeugen? Das ist doch die Grundfrage, um die sich nicht so wenige herumschwindeln – ich sage das so direkt, wenn wir hier schon politisch diskutieren; wozu treffen wir uns sonst?
Freiheit von Waffen: Das sollte das Grundprinzip sein, und da haben wir genug zu tun. Da haben wir genug zu tun, und das mit einer Reihe, ich sage es dazu, sinnvoller Ausnahmen, ganz klar: Jäger:innen, Sportschützen und alle Personen, die im Übrigen – leider nimmt auch das zu – konkret, nachweisbar im eng definierten Sinn bedroht sind. Die werden wir als Staat auch nicht rund um die Uhr schützen können, aber dann dürfen wir ihnen als Staat auch nicht verwehren, dass sie sich auf diese Art vielleicht mit verteidigen können. Das sind einmal drei Ausnahmen, aber die Regel ist Freiheit von und nicht Freiheit für Waffen. Manchmal hat man den Eindruck, es geht auch um die Narrenfreiheit von Waffenbesitzern. Das muss man so benennen, und ich tue das jetzt, weil dann – ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht – schon wieder die Relativierer kommen.
Jetzt sind wir eigentlich in einer großen Trauerkundgebung. Mir ist völlig bewusst, dass ich das an dieser Stelle, und zwar absichtlich, durchbreche, weil es ein völliger Unsinn ist, zu sagen: Haltet ein, Freunde, keine Anlassgesetzgebung! – Welchen Anlass braucht es, um etwas zu tun? Ist es nicht ein Frevel, nach so einem Anlass nichts zu tun, also einen Vorhalt zu formulieren, dass man jetzt über Anlassgesetzgebung redet? Das ist doch das Problem. Die Lösungen werden wir gemeinsam finden – wir haben hier nicht die Mehrheit, mir ist das völlig bewusst.
Die Parteien haben in diesen Tagen gut zusammengearbeitet, ich habe das erwähnt: die Kommunisten und die Grünen in Graz als Führende in der Regierung, die Freiheitlichen und die ÖVP in der Landesregierung und, hinzukommend, die Sozialdemokraten und die NEOS in der Bundesregierung. Das ist eine gute Sache.
Wir werden das schon zivilisiert diskutieren. Ich habe nur gesagt, was meine Meinung und die meiner Fraktion ist. Wir haben das schon lange so gesagt, nicht erst jetzt – das noch dazugefügt. Deshalb glaube ich, dass diese Umkehr des Prinzips, von der ich geredet habe, so wichtig ist.
Ja, und am Schluss: Österreich hat nicht nur lasche Waffengesetze, es gibt – wir haben es gehört – auch eine hohe Dichte an Waffen, und zwar der legalen, aber auch der illegalen. Lesen Sie sich die internationalen Studien durch! Ich wusste das, ich gebe es ja zu, auch nicht so genau. Wir sind noch dazu ein Umschlagplatz für illegalen Waffenhandel, deshalb sind wir auch im Visier der Europäischen Union. Es gibt also genug zu tun. Im Übrigen ist auch das Einsammeln illegaler Waffen zu organisieren; in vielen Ländern hat das ganz gut funktioniert, anonym et cetera.
Ich wollte auch das noch hinzufügen: Wir sind an dieser Stelle keine Insel der Seligen. Wir sollten diese Rührseligkeit hier nicht besonders versprühen, sondern ganz bewusst diesen Anlass heranziehen, um ganz bewusst Anlassgesetzgebung zu betreiben. Das ist mein Plädoyer, auch wenn es Ihnen nicht leichtfällt. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
10.25
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Darmann. Eingemeldete Redezeit: 8 Minuten.