RN/17

10.51

Abgeordneter Veit Valentin Dengler (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Regierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Eine Lehrerin und neun Jugendliche sind in Graz ermordet worden. Sie wurden daran gehindert, dieselben Chancen zu haben wie wir, ihr Leben zu gestalten; es ging zu Ende, noch bevor es richtig anfing. Bei der Gedenkfeier in Graz gestern Abend endete der Schulsprecher der Dreierschützengasse mit den Worten: Regierung, tun Sie etwas! – Nichts von dem, was wir jetzt sagen und tun, kann etwas an der Sinnlosigkeit der Morde ändern, aber es ist unsere Aufgabe, die richtigen Schlüsse zu ziehen, um solche Taten in Zukunft nach Möglichkeit zu verhindern.

Heute, sechs Tage nach den Morden, ist die Zeit gekommen, darüber nachzudenken, was das für uns als Gesetzgeber bedeutet. Da gibt es keine einfachen Lösungen, aber anfangen können wir mit der Abrüstung der Worte. Wenn man bei jeder harten inhaltlichen Auseinandersetzung gleich mit Beleidigungen kommt, die einen Ordnungsruf nach sich ziehen oder nach sich ziehen sollten, ist das ein Teil der Verrohung der Gesellschaft. Wir sind Vorbild im Guten wie im Schlechten.

Ich hätte es heute übrigens auch gut gefunden, wenn wir es zumindest bei der Rede des Herrn Bundeskanzlers geschafft hätten, dass alle Mitglieder dieses Hohen Hauses klatschen, für eine Rede, die nicht politisch war. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir werden einige Gesetze ändern. Gesetze gibt es aber viele, und das ist in gewisser Weise sogar der einfachere Teil. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht bei Gesetzen oder bei Symbolpolitik stehen bleiben. Es muss sich tatsächlich etwas ändern. Wir müssen uns die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, wie wir das Land sicherer machen.

Der unmittelbare Grund, warum der Mörder von Graz Waffen kaufen konnte, ist, dass der eine Teil des Staates mit dem anderen nicht kommuniziert. Das Bundesheer, das jährlich jeden Jahrgang mustert, hat diesem jungen Mann den Dienst mit der Waffe verweigert, aber wenig später konnte sich dieser Mann zwei Waffen kaufen.

Natürlich können wir das Waffengesetz schärfen und sollten das auch tun. Mehr noch als das sollten wir aber darauf achten, was das Labyrinth an Gesetzen, das wir schon haben, bewirkt oder verhindert. Wenn der Datenschutz wichtiger ist als der Schutz vor Gewalt, müssen wir etwas am Datenschutz ändern. Wenn unsere Polizisten laut Rechnungshof 60 Prozent ihrer Zeit am Schreibtisch verbringen, dann müssen wir Bürokratie und Berichtspflichten angehen, damit mehr Polizei mehr Zeit auf den Straßen verbringen kann. 

Wir müssen praktisch denken. Sachpolitik nennt man das – ein bisschen aus der Mode gekommen –, eine Politik der schrittweisen Verbesserungen, oft auch in den Abläufen und in der Kommunikation, nicht unbedingt immer im Gesetz. Zu Recht gibt es bittere Kommentare über die Reaktion auf Amokläufe in Schulen in den USA, wo das ja recht häufig ist, wenn Politiker danach jeweils ihre Thoughts and Prayers anbieten, ihre Gedanken und Gebete. Wenn aber unsere Reaktion darauf ist, dass wir neue Gesetze anbieten – Laws and Prayers –, aber nichts an den Fähigkeiten des Staates ändern, das zu verhindern, dann verdienen wir ähnlichen Spott.

Es ist eine traurige Tatsache, dass wir in einer Welt leben, die nicht ohne Gewalt auskommt, aber wir können erreichen, dass wir möglichst viele Gefährder frühzeitig erkennen und es ihnen so schwer wie möglich machen, anderen Gewalt anzutun. Das ist unsere Aufgabe. Nehmen wir sie ernst! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

10.55

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Maurer. Eingemeldete Redezeit: 4 Minuten.