RN/30

12.21

Bundeskanzler Dr. Christian Stocker: Danke, Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Zuseher:innen hier im Saal und vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich, weil es vorhin angesprochen wurde, einiges vorausschicken:

Ja, es ist richtig, ich werde heute Nachmittag den Präsidenten der Ukraine treffen, und daher wird die Beantwortung der Dringlichen Anfrage, wie es vorgesehen ist, durch Herrn Staatssekretär Pröll vorgenommen werden. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Wie immer bei der ÖVP! Immer irgendeinen Sekretär schicken! Null Verantwortung, null!) Wenn man das als Zerstörungswerk an der Neutralität bezeichnet, dann hat man, meine sehr geehrten Vertreter:innen der Freiheitlichen Partei, die Neutralität nicht verstanden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ja, warum laden Sie dann nur einen ein? – Abg. Shetty [NEOS]: Jetzt hört einmal zu! Das gibt es ja nicht! – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Kommt nächste Woche der Präsident vom Iran auch?)

Österreich war, ist und wird auch in Zukunft ein Ort der Gespräche bleiben.

Neutralität heißt nicht, dass man zwischen Aggressor und Opfer nicht mehr unterscheiden kann. (Abg. Kickl [FPÖ]: Ja, erklären Sie uns das jetzt einmal mit Israel und dem Iran! – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Kommt der iranische Präsident auch zu Ihnen?) Es heißt auch nicht, dass Äquidistanz und damit Beliebigkeit mit Neutralität verbunden sind, sondern es heißt, dass wir dort, wo wir hinsehen, auch genau hinschauen. Wir wissen genau, wer der Aggressor und wer das Opfer ist. Es ist Ihnen unbenommen, es anders zu sehen und auf der Seite des Aggressors zu stehen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Nein, das tun wir nicht! Aber Ihre großartige Erkenntnis bringt uns keinen Schritt weiter!) Wir tun es nicht. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS sowie des Abg. Kogler [Grüne].)

Und ich sage Ihnen auch, weil Sie der Regierung unterstellt haben (Abg. Kogler [Grüne]: Putin-Freunde! – Ruf bei der FPÖ: Eben nicht!), dass Angst das entscheidende Motiv dieser Regierung sei: Ich kann Ihnen sagen, es ist umgekehrt. Mut und Gestaltungswille (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Wo ist denn der bei Ihnen?), das treibt uns an. Bei allem, was ich heute gehört habe, habe ich die Vermutung, dass die größte Angst hier im Haus die der FPÖ ist, dass es in diesem Land besser wird (Abg. Kickl [FPÖ]: Sie tun alles dafür, dass es nicht so ist! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), dass all das, was Sie beschreiben, nicht eintritt, weil damit Ihre Erzählung nicht mehr zu erzählen ist. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS sowie des Abg. Kogler [Grüne].)

Ich sage Ihnen, so gesehen können Sie sich vor dieser Regierung durchaus ängstigen, das sei Ihnen unbenommen. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Soll ich mich vor dem Herrn Babler fürchten ...?!) Aber die Wertschätzung der eigenen Bevölkerung dürfen Sie nicht mit Polarisierungen vereinnahmen, mit einer Sprache, die wir alle hier im Haus eigentlich vor wenigen Stunden verurteilt haben, auch nicht mit dem Sicherheitsthema. (Abg. Kickl [FPÖ]: Sagen Sie vielleicht etwas zu den Polizeiinspektionen, zum Personalproblem!) – Ja, Herr Klubobmann Kickl (Abg. Kickl [FPÖ]: Ja, sagen Sie uns was dazu!), Österreich ist Gott sei Dank eines der sichersten Länder dieser Welt (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Sie sagen nicht einmal im Nationalen Sicherheitsrat die Wahrheit, Herr Kollege, Herr Bundeskanzler!), und dieser furchtbare Dienstag vorige Woche hat bewiesen, dass die Systeme, die von Ihnen so oft geschmäht werden – das Sicherheitssystem mit der Polizei, das Rettungssystem, unser Gesundheitssystem, auch unser Schulsystem –, gut funktionieren, besser, als Sie es offensichtlich glauben und haben wollen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Was ist jetzt mit den Einsparungen?) Die Systeme sind das, worauf dieses Land am Dienstag stolz sein konnte und was viele, viele schlechtere Entwicklungen verhindert hat. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Ich komme damit zum Doppelbudget, das zur Beschlussfassung vorliegt. Das ist ein entscheidender Schritt in die Zukunft unseres Landes, und es ist auch kein Routineakt, kein gewöhnliches Haushaltswerk, sondern ein Wendepunkt.

Die letzten Jahre waren schwierige Jahre, krisenhaft. Auf eine weltweite Gesundheitskrise folgte ein Krieg in Europa, es hat einen Energiepreisschock gegeben, eine Teuerungswelle. Das alles waren Situationen, in denen die Politik reagieren musste. Zur Abfederung dieser Krisen und in Reaktion auf all diese Entwicklungen hat die letzte Bundesregierung tatsächlich viel Geld in die Hand genommen, und ich sage, das war auch eine richtige Entscheidung, denn ein Staat muss reagieren, wenn solche Situationen eintreten, wenn die Wirtschaft gefährdet ist, Einkommen gefährdet werden, die Lebensgrundlage der Menschen infrage gestellt wird. Das heißt, diese Entlastungsmaßnahmen haben dazu geführt, dass die Kaufkraft der Menschen und die Existenz von unzähligen Unternehmungen und damit auch von Arbeitsplätzen gesichert wurden.

Klar ist aber auch, dass solche Krisen Spuren im Staatshaushalt hinterlassen und sich der budgetäre Ausnahmezustand der letzten Jahre nicht zum budgetären Normalzustand entwickeln darf. Mit dem Doppelbudget beenden wir daher diesen Ausnahmezustand der vergangenen Jahre, weil wir diesen Staatshaushalt sanieren und konsolidieren werden und wieder zu einer nachhaltigen Budget- und Fiskalpolitik zurückkehren. Das tun wir aus volkswirtschaftlicher Vernunft, aber auch aus fiskalpolitischer Verantwortung.

Eine solide Finanzpolitik ist kein Selbstzweck, sondern eine notwendige Voraussetzung, um weiterhin die Zukunft Österreichs gestalten zu können (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Ja, wie denn, mit einem Defizitverfahren? Wie wollen Sie das machen: gestalten, mit einem Defizitverfahren? Das ist ein Widerspruch!) und in die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder investieren zu können, auch in die Sicherheit unseres Landes, in ein starkes Gesundheitssystem, in einen attraktiven und wettbewerbsfähigen Wirtschafts- und Industriestandort oder in die Förderung von Bildung, Forschung und Wissenschaft. Nur so kann es langfristig gelingen, dass Wohlstand und Lebensqualität nicht zur Erinnerung an bessere Zeiten werden, sondern Perspektive für die Zukunft bleiben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Gasser [NEOS].)

Deshalb gilt auch in budgetären Fragen, was wir uns im Großen für diese Legislaturperiode vorgenommen haben, nämlich das Richtige für Österreich zu tun. Das Richtige bedeutet nicht, den einfachsten Weg zu gehen, sondern den besten Weg für Österreich. Das ist in diesem Fall der Weg der Konsolidierung.

Was tun wir konkret? – Die ersten Konsolidierungsschritte erfolgen bereits in diesem Jahr mit Einsparungen von 6,4 Milliarden Euro im Haushalt. In einem zweiten Schritt werden wir 2026 weitere 8,7 Milliarden Euro einsparen.

Bei der Sanierung des Staatshaushaltes und der Gestaltung des Budgets setzen wir auf einen Maßnahmenmix aus Ausgabenreduktion und zusätzlichen Einnahmen. Rund 70 Prozent werden ausgabenseitig im Budget zur Sanierung beitragen. 

Es ist aber kein reines Sparbudget, denn Investieren in die Zukunft des Landes wird auch weiterhin möglich sein. Das zeigt sich sehr deutlich, wenn man sich die ersten 100 Tage dieser Legislaturperiode ansieht. Neben dem Doppelbudget sind ganz viele Maßnahmen im Bereich der Wirtschaft auf den Weg gebracht worden: Die Unternehmen wurden entlastet, und gleichzeitig wurde ein Beitrag geleistet, dass das Wirtschaftswachstum in unserem Land wieder stimuliert wird.

Ich darf hier nur als Beispiele anführen: die 1 000-Euro-Mitarbeiterprämie, die Erhöhung der Basispauschalierung, die Abschaffung der Bildungskarenz, die NoVA-Befreiung für Handwerkerautos oder die weitgehende Abschaffung des geringfügigen Zuverdienstes bei Bezug von Arbeitslosengeld. All diese Maßnahmen dienen als Impulsgeber für die heimische Wirtschaft und sind natürlich auch für das Budget relevant.

Wie eng die konjunkturelle und die budgetäre Lage eines Landes miteinander verbunden sind, zeigen uns die Zahlen. Es gilt die Faustregel: 1 Prozent weniger Wachstum bedeutet rund 0,5 Prozent höheres Defizit im Staatshaushalt. Daher ist es sehr erfreulich, dass wir einen sehr zarten, aber doch sichtbaren Silberstreif am konjunkturellen Himmel sehen können.

Die Nationalbank hat ihre Prognose für das laufende Jahr geringfügig nach oben revidiert. Immerhin: 0,2 Prozent Wachstum heißt keine Rezession, und wenn die Nationalbank recht behält, ist damit diese für uns so schwierige Phase auch beendet. Das ist nicht der erhoffte Wirtschaftsaufschwung, aber es sind erste vorsichtige Zeichen einer Besserung, die auch Hoffnung auf mehr geben.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Doppelbudget ist ein ehrliches Budget. Es verspricht nicht das Unmögliche, es verheißt keine Wohltaten, die wir uns nicht leisten können, es beschönigt auch nicht die Herausforderungen, vor denen wir stehen, aber es zeigt einen gangbaren, realistischen und verantwortungsvollen Weg für die Sanierung des Haushaltes, für die Sicherung der Zukunft und unseres Wohlstandes, für die Stärkung des Wirtschaftsstandortes auf, und genau das bestätigt auch der aktuelle Bericht des Fiskalrates. (Beifall bei der ÖVP.)

Er zeigt deutlich, wie herausfordernd die budgetäre Lage Österreichs ist, aber er bestätigt zugleich, dass wir mit diesem Doppelbudget den notwendigen Kurswechsel eingeleitet haben. Ja, der Weg der Konsolidierung ist lang und verlangt weitere strukturelle Reformen wie im Bereich der Pensionen, der Gesundheit oder der Förderungen, und genau da setzen wir an. Bereits in den ersten drei Monaten dieser Periode haben wir wesentliche Reformvorhaben gestartet, die genau in diesen Bereichen wirken.

Wir arbeiten an einer Pensionsreform, um dafür zu sorgen, dass die langfristige Finanzierbarkeit und Stabilität unseres Pensionssystems weiterhin abgesichert bleiben. Wenn es uns gelingt, den tatsächlichen Pensionsantritt um ein Jahr an das gesetzliche Pensionsalter heranzuführen, dann entlasten wir das Budget um rund 2,4 Milliarden Euro, und das jedes Jahr. Um das zu erreichen, haben wir auch die ersten Maßnahmen auf den Weg gebracht – es ist angesprochen worden –: die Korridorpension oder auch die Teilpension.

Gleichzeitig haben wir mit den Ländern, mit den Gemeinden und den Städten in einer Reformpartnerschaft eine neue Grundlage geschaffen, um die Strukturen unseres Landes in den Bereichen Energie, Bildung, Gesundheit und Verwaltung schlanker, effizienter und kostengünstiger zu gestalten.

Der Fiskalrat hält auch fest, dass ohne die jetzt gesetzten Maßnahmen das Defizit im Jahr 2025 bei über 5 Prozent liegen würde. Diese Mahnungen, unseren Reformweg ambitioniert fortzusetzen, verstehen wir als Bestätigung unserer Vorhaben und als Ansporn, nicht als Infragestellung.

Mit dem Doppelbudget legen wir das Fundament, auf dem diese Reformen aufbauen und nachhaltig umgesetzt werden können. Es ist der Beginn eines Weges, der unser Land stärker, krisenfester und zukunftsfähiger machen wird. Dabei konzentrieren wir uns auf den schon angesprochenen Dreiklang von Handlungsfeldern: Erstens wollen wir unser Budget sanieren und konsolidieren, zweitens wollen wir die Strukturen in unserem Land reformieren, und wir wollen Wachstum generieren und in die Wirtschaft investieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.33

Präsident Peter Haubner: Als Nächster hat sich der Herr Vizekanzler zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Vizekanzler. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Das hat sogar dem Landwirtschaftsminister gereicht, was Sie gesagt haben, der geht schon! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Das ist der Landwirtschaftsminister? – Abg. Kogler [Grüne]: Haha! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Wer ist denn der Landwirtschaftsminister? – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Der ist geheim!)