RN/60

15.20

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Alexander Pröll, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Schmidt! Sehr geehrter Herr Kollege Schellhorn! Sehr geehrte Abgeordnete zum Nationalrat! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Seit mittlerweile drei Jahren, drei Monaten und drei Wochen führt Putin seinen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Österreich verurteilt diesen auf das Allerschärfste. Wir stehen seit Tag eins als verlässlicher Partner auf der Seite der Ukraine. Das wird auch in Zukunft so bleiben. (Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Neutralität ist das, ja?) Die Ukrainer verdienen unseren höchsten Respekt für den Verteidigungskampf um ihr Land und ihre Heimat. Wir sind uns auch bewusst: Mit diesem Kampf verteidigt die Ukraine Europa, unsere Werte, die Einhaltung des Völkerrechts und ihre Souveränität. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen.) Ich bin froh, dass unser Bundeskanzler dies heute bei seinem Treffen mit Präsident Selenskyj so klar ausspricht. (Abg. Kogler [Grüne]: Bravo!) 

Sehr geehrte Damen und Herren, wir alle wollen ein Ende dieses Krieges und endlich wieder Frieden. Österreich unterstützt die Initiativen, die zu einem Waffenstillstand und in weiterer Folge zu einem nachhaltigen, langfristigen und gerechten Frieden führen. Auch für uns ist klar, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten einen Beitrag leisten müssen und wollen. 

Für Friedensverhandlungen braucht es mindestens die beiden Seiten eines Krieges. Russland lehnt bis heute trotz dramatischer Verluste auch auf seiner Seite einen bedingungslosen Waffenstillstand ab. Dass Putin nicht ernsthaft an Verhandlungen interessiert ist, ist zutiefst enttäuschend. Nichtsdestotrotz werden wir gemeinsam mit unseren internationalen und EU-Partnern unsere Bemühungen um einen Frieden mit aller Kraft fortsetzen und den Druck auf allen Ebenen erhöhen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der NEOS sowie der Abg. Schatz [SPÖ].)

Sehr geehrte Damen und Herren, es darf keine Täter-Opfer-Umkehr geben. Lassen Sie mich auch ganz klar festhalten, was bisher galt und für uns auch weiterhin gilt: Österreichs militärische Neutralität steht unserer humanitären, finanziellen und politischen Unterstützung für die Ukraine nicht im Wege. (Abg. Kogler [Grüne]: Richtig!) Gerade unsere Neutralität ist es, die uns dazu mahnt, an der regelbasierten internationalen Ordnung festzuhalten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, NEOS und Grünen. – Abg. Kogler [Grüne]: Bravo!)

Es darf nicht das Recht des Stärkeren gelten. Vor diesem Hintergrund sind bilaterale Kontakte mit der Ukraine selbstverständlich im Einklang mit unserer Neutralität. (Abg. Kickl [FPÖ]: Gilt das überall auf der Welt?) Auch die Schweiz hat Präsident Selenskyj seit Kriegsausbruch schon mehrfach empfangen, sowohl zu einem bilateralen Besuch im Rahmen der Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock als auch als Gast beim Weltwirtschaftsforum in Davos. 

Ein wichtiger Aspekt ist für uns auch der Wiederaufbau der Ukraine. Wir sehen da große Chancen für österreichische Unternehmen, die bereitstehen, mit Expertise, Innovation und langfristigem Engagement zu unterstützen, vor allem in den Bereichen Infrastruktur, Bau, Energie und Nachhaltigkeit. 

Aktuell sind rund 1 000 österreichische Unternehmen in der Ukraine aktiv, 200 davon mit eigener Niederlassung. Diese schaffen knapp 25 000 Arbeitsplätze vor Ort. 

Ende März war eine große österreichische Wirtschaftsdelegation in Kiew, geleitet von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Auch der Regierungskoordinator für den Wiederaufbau, Wolfgang Anzengruber, war erst letzte Woche in der Ukraine und hat sich mit einigen Regierungsmitgliedern getroffen. Auch das zeigt das große Interesse Österreichs, aktiv zu unterstützen und zu helfen. 

Was den heutigen Besuch betrifft, ist festzuhalten, dass Präsident Selenskyj heute als Gast des österreichischen Bundespräsidenten in Österreich ist. Ich werde daher im Folgenden Ihre Fragen gemäß den uns vorliegenden Informationen so umfangreich wie möglich beantworten. Ich bitte um Verständnis, sollten gewisse Fragen in die Zuständigkeit der Präsidentschaftskanzlei fallen und mangels Zuständigkeit daher nicht alle beantwortet werden können. 

Ich darf nun zur Beantwortung der Fragen kommen. 

Zu Frage 1: 

Der Präsident ist zu einem offiziellen Besuch bei seinem österreichischen Visavis, dem Herrn Bundespräsidenten, in Wien und ist damit Gast des Herrn Bundespräsidenten. Der Besuch des Präsidenten erfolgt auf Grundlage einer bereits im Jahr 2022 ausgesprochenen Einladung des Bundespräsidenten. 

So wie bei diesen Besuchen üblich wird der Präsident auch den Herrn Bundeskanzler und Mitglieder der Bundesregierung treffen. Darüber hinaus wird auf die österreichische Präsidentschaftskanzlei verwiesen. 

Zu Frage 2:

Im Ministerrat findet ein regelmäßiger Austausch zu Projekten und Reisen statt. 

Zu Frage 3:

Es handelt sich um einen Besuch des ukrainischen Präsidenten beim Bundespräsidenten auf Grundlage der bereits erwähnten Einladung aus dem Jahr 2022. 

Wie bei Besuchen dieser Art üblich wurde auch angefragt, ob ein Treffen mit dem Bundeskanzler möglich ist. Im Bundeskanzleramt liegt der inhaltliche Schwerpunkt des Besuchs auf dem Wiederaufbau der Ukraine und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. 

Zu Frage 4:

Wie bei anderen Staatsbesuchen dieser Art werden die üblichen protokollarischen Standards eingehalten. Für Details zum protokollarischen Ablauf verweise ich auf die österreichische Präsidentschaftskanzlei. 

Zu Frage 5:

Geplant sind Gespräche mit dem Bundespräsidenten sowie dem Bundeskanzler. An den Gesprächen beim Bundespräsidenten nehmen nach unseren Informationen auch der Vizekanzler, die Außenministerin und der Infrastrukturminister teil. Beim Bundeskanzler werden neben dem Wirtschaftsminister der Infrastrukturminister, der Wiederaufbaukoordinator sowie Vertreter der Wirtschaft anwesend sein. Thematisch stehen im Bundeskanzleramt Wirtschaft, Wiederaufbau, Bemühungen um den Frieden sowie aktuelle EU-Themen im Vordergrund. 

Zu Frage 6:

Die Auswahl erfolgt auf Basis wirtschaftlicher und diplomatischer Gesichtspunkte. 

Zu Frage 7:

Die Organisation des Besuchs erfolgte über den regulären Dienstweg und die etablierten diplomatischen Kanäle. 

Zu den Fragen 8 und 9:

Seitens des Bundeskanzleramts wurden gezielt Vertreter der österreichischen Wirtschaft eingeladen, um das Potenzial für eine Beteiligung am Wiederaufbau der Ukraine zu nutzen. Interventionen gab es unseres Wissens keine. Uns sind keine Absagen oder Ablehnungen von eingeladenen Persönlichkeiten bekannt. 

Zu Frage 10:

Teil der ukrainischen Delegation sind unter anderem der Außenminister, der Landwirtschaftsminister und die stellvertretende Premierministerin. 

Zu den Fragen 11 bis 17 darf ich ausführen: 

Die Medienakkreditierung erfolgt, wie bei Besuchen mit ähnlicher Sicherheitseinstufung üblich, per Vorabverständigung von Medienschaffenden und Agenturen, Vorabmeldungen per Onlineakkreditierung und damit einhergehenden Sicherheitsüberprüfungen. 

Zu Frage 18: 

Die Gesamtkoordination des Besuches und damit die Kostenabrechnungen liegen in der Zuständigkeit der österreichischen Präsidentschaftskanzlei und des BMEIA. Das Treffen im Bundeskanzleramt liegt im Rahmen des laufenden Betriebs. Allfällige Abrechnungen davon liegen noch nicht vor. 

Zu Frage 19: 

Es darf da nicht zu einer Täter-Opfer-Umkehr kommen. Die Ukraine ist nicht Aggressor, sondern sieht sich einem völkerrechtswidrigen Angriff ausgesetzt. 

Österreich hat seit Beginn des Kriegs stets unmissverständlich betont: Wir sind militärisch neutral, aber politisch klar solidarisch mit jenen Staaten, die das Völkerrecht und die regelbasierte Weltordnung verteidigen. Unsere Neutralität bedeutet weder Passivität noch Gleichgültigkeit. Sie verpflichtet uns vielmehr zu einem aktiven Eintreten für Frieden, Dialog und internationale Rechtsordnung. Ein gerechter und nachhaltiger Frieden kann nur durch Verhandlungen erreicht werden, an denen alle relevanten Akteure beteiligt sind. Dabei gilt: Es kann keine Gespräche über die Ukraine ohne die Ukraine geben. (Beifall bei ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Österreich hat mehrfach seine Bereitschaft erklärt, Wien als neutralen Ort für ernsthafte Friedensgespräche zur Verfügung zu stellen, auch unter Einbeziehung aller Konfliktparteien einschließlich Russlands.

Zu Frage 20: 

Selbstverständlich wird der Bundeskanzler im Gespräch mit Präsident Selenskyj auf Österreichs Neutralität hinweisen. 

Zu Frage 21: 

Wir erkennen den Wunsch dieser Staaten an, Teil der europäischen Familie zu werden. Die Entscheidung zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau ist unter anderem auch ein wichtiges Zeichen unserer Unterstützung und Solidarität. Gleichzeitig ist wichtig, alle Kriterien und Verfahren des Beitrittsprozesses einzuhalten. Ein beschleunigtes Verfahren ist nicht vorgesehen. 

Die Ukraine und die Republik Moldau haben wichtige Fortschritte gemacht. Nun beginnt aber ein harter Weg, auf dem alle EU-Normen und -Standards übernommen werden müssen. Dies ist der einzige Weg, um Richtung EU voranzukommen. Wir müssen vor einer überbordenden Erwartungshaltung warnen, sowohl innerhalb der EU als auch bei den Beitrittskandidaten. Der Beitrittsprozess wird viele Jahre dauern, die Eröffnung von Verhandlungen bedeutet per se nicht, dass ein Land beitreten wird. 

Für Österreich ist ausgeschlossen, ein Land, das sich im Kriegszustand befindet, als Mitglied der EU aufzunehmen. Der geopolitische Ansatz wie bei der Ukraine und der Republik Moldau muss auch für den Westbalkan und insbesondere für Bosnien-Herzegowina gelten. 

Zu Frage 22:

Es liegt nicht im Vollzugsbereich der Bundesregierung, vorherzusagen, wie sich Präsident Selenskyj äußern wird. 

Zu den Fragen 23 und 24: 

Das Bundeskanzleramt hat keine Information darüber, wann und wie die österreichische Präsidentschaftskanzlei das Parlament über den Besuch informiert hat.

Zu Frage 25:

Seitens des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten wurden seit Kriegsbeginn die bilateralen staatlichen finanziellen und humanitären Hilfen in der Höhe von rund 294 Millionen Euro – Stand 11.4.2025 – für die Ukraine und Nachbarländer zur Verfügung gestellt, davon 102,46 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds. Dies inkludiert auch jene, die bilateral im Wege von jeweils besonders geeigneten multilateralen und sektoriellen Partnerorganisationen geleistet wurden. Österreich hat die Ukraine somit politisch und humanitär umfassend unterstützt, und zwar durch bilaterale Maßnahmen und im Rahmen der EU, unter anderem durch Beitragsleistung für nicht letale Ausrüstung im Wege der Europäischen Friedensfazilität. 

Prioritäten im Rahmen der bilateralen humanitären Unterstützung waren unter anderem humanitäre Entminung und Reparatur der Energieinfrastruktur. 

Ein wesentlicher Teil der österreichischen Hilfsleistungen wurde über internationale Organisationen und verschiedene Partnerorganisationen geleistet. 

Die österreichische Bundesregierung beabsichtigt, auch weiterhin die Ukraine in diesem Sinne mit Hilfsleistungen im Rahmen der budgetären Möglichkeiten zu unterstützen. 

Zu den Fragen 26 und 27: 

Im Rahmen des Besuchs wird im Bundeskanzleramt eine politische Absichtserklärung zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit unterzeichnet. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Beteiligung österreichischer Unternehmen am Wiederaufbau der Ukraine. Unterzeichnende sind auf österreichischer Seite der Wirtschaftsminister, auf ukrainischer Seite die stellvertretende Premierministerin.

Zu Frage 28:

Zum jetzigen Zeitpunkt sind keine konkreten Kosten bekannt. Im Gegenteil: Ziel ist es, die österreichische Wirtschaft gezielt beim Wiederaufbau der Ukraine zu positionieren und Chancen zu eröffnen. 

Zu Frage 29:

Zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Finanzministerium wurden keine finanziellen Zusagen im Zusammenhang mit dem Besuch vereinbart.

Zu den Fragen 30 und 31:

Österreich enthält sich konstruktiv zu allen Beschlüssen über letale Ausrüstung im Rahmen der EFF und leistet stattdessen einen freiwilligen Ersatzbeitrag in der Höhe seines Anteils für nicht letale Ausrüstung. Österreich beteiligt sich damit ausschließlich an der Finanzierung nicht letaler Ausrüstung. Im Einklang mit seiner militärischen Neutralität beteiligt sich Österreich somit nicht an der Finanzierung und Lieferung von Waffen und Munition an die Ukraine und enthält sich zu Beschlüssen über die Bereitstellung letaler Ausrüstung im Rahmen der EFF.

Zu Frage 32:

Ja, die wirtschaftliche Zusammenarbeit steht im Zentrum. Es geht uns vor allem um eine zukunftsgerichtete Perspektive. Der Wiederaufbau bietet ein großes Potenzial für die österreichische Wirtschaft. Zudem wird die Abhaltung einer Wiederaufbaukonferenz in Österreich angestrebt, um die heimische Wirtschaft strategisch zu positionieren und zusätzliche Chancen zu erschließen.

Zu Frage 33:

Die Vorbereitungen erfolgten in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium und relevanten Interessenvertretungen und Stakeholdern.

Zu den Fragen 34 bis 37 sowie 39 bis 43:

Das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten nimmt Listungen dieser Art von Österreicherinnen und Österreichern vor dem Hintergrund möglicher Auswirkungen auf deren Lebensumstände sehr ernst. Das BMEIA steht mit der ukrainischen Seite im Austausch, um zu eruieren, inwieweit staatliche Organisationseinheiten der Ukraine in den Betrieb der gegenständlichen Plattformen involviert sind, und drängt diese, gegen derartige Listungen von Österreichern und Österreicherinnen vorzugehen. 

Es gibt bisher keinerlei Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen den genannten Plattformen und den ukrainischen Behörden. Die Urheberschaft dieser Plattformen bleibt daher bis dato unbekannt. 

Zu Frage 38: 

Der Bundeskanzler hatte bisher lediglich zwei kurze Kontakte: ein erstes Kennenlernen beim außerordentlichen EU-Rat am 6. März sowie ein Telefonat mit dem ukrainischen Premierminister. Vertiefte Gespräche zu bilateralen Themen, etwa in Bezug auf die genannten Listen, haben bislang nicht stattgefunden, da die bisherigen Treffen in erster Linie dem gegenseitigen Kennenlernen und dem Austausch zur aktuellen Lage dienten.

Zu Frage 44:

Nach derzeitigem Stand sind keine Besuche hochrangiger ukrainischer Politiker in Österreich oder österreichischer Politiker in der Ukraine für die nächsten Monate geplant. Dies kann aber auch nicht vollkommen ausgeschlossen werden. 

Zu Frage 45:

Eine Reise des Bundeskanzlers in die Ukraine ist derzeit nicht geplant. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.)

15.36

Präsident Peter Haubner: Danke vielmals, Herr Staatssekretär. 

Bevor wir in die Debatte eingehen, möchte ich darauf hinweisen, dass es üblich ist, Kundgebungen mit Tafeln zeitlich zu beschränken. Ich war jetzt, glaube ich, sehr großzügig. Ich darf Sie (in Richtung FPÖ) also einladen, wie es der Usance des Hauses entsprechend ist, die Tafeln zu entfernen. (Abg. Nemeth [FPÖ]: Zur Geschäftsordnung!)