RN/66

15.54

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Vielen Dank. – Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist das für ein eigentümliches Verständnis von Neutralität, wenn so getan wird, als würde sie außer Kraft gesetzt, wenn ein Präsident eines anderen souveränen Landes zu Gast ist? (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen. – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Haben Sie den Schrebergarten schon verkauft?)

Kollegin Fürst hat am Ende ihrer Rede die Schweiz erwähnt. – Ja, das ist, glaube ich, ein ganz guter Gradmesser. Selenskyj war am 14. Juni 2024 – also ziemlich genau vor einem Jahr – in der Schweiz, auf dem Bürgenstock. Wenn die Neutralität der Schweiz seither in sich zusammengebrochen oder sonst irgendetwas Dramatisches passiert wäre, könnte man das nach einem Jahr schon feststellen – ich sehe aber nichts dergleichen. Ich verstehe also wirklich nicht, woher Sie diese Annahme haben, dass das irgendein Problem sein könnte. Wenn es nicht Raum für Debatten gibt, wenn es nicht Raum dafür gibt, darüber zu diskutieren, wie denn auch Österreich als neutrales Land zum Entstehen von Frieden beitragen kann, ja was denn dann? Was denn sonst soll unsere Aufgabe, was denn sonst soll unser Beitrag zu einem möglichen Frieden sein, frage ich mich. (Abg. Kickl [FPÖ]: Vor fünf Monaten haben Sie das Wort Frieden noch nicht einmal rausgebracht!) Also das ist wirklich vollkommen verrückt, wie Sie das darstellen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Lassen Sie mich klarstellen: Österreich steht natürlich seit Tag eins dieses völkerrechtswidrigen Angriffskriegs der Russischen Föderation auf der Seite der Ukraine, und gerade als neutraler Staat leisten wir einen wichtigen Beitrag für die Menschen in der Ukraine – für die Menschen –, indem wir bislang 327 Millionen Euro an Unterstützung geleistet haben – an die Ukraine selbst, aber auch an die Nachbarstaaten, in die die Menschen aufgrund dieses brutalen Krieges fliehen mussten. 

Dieser Krieg verursacht weiterhin großes Leid, extremes Leid, und damit bleibt auch der Bedarf an humanitärer Hilfe enorm. Gerade im humanitären Bereich ist Österreichs Engagement, weil wir eben neutral sind, auch wirklich beachtlich und sehr breit getragen, von sehr vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen: von Nachbar in Not, der Caritas, von freiwilligen Feuerwehren bis hin zu vielen, vielen Gemeinden, die Hilfslieferungen organisieren und Spitalsbetten, OP-Material oder Schulmöbel spenden. Ich habe vor wenigen Wochen auch involviert sein dürfen, als beispielsweise der Samariterbund ein Rettungsauto für Charkiw gespendet hat und die Ukrainehilfe diese Überstellung abgewickelt hat. All das hilft den Menschen vor Ort, all das ist für Menschen in der Ukraine momentan wirklich lebenswichtig, überlebenswichtig, und wir werden uns das von niemandem schlecht- oder kleinreden lassen – ganz sicher nicht. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Darüber hinaus ist ein anderer ganz wichtiger Aspekt unserer Unterstützung die Entminung, die zivile Entminung. Wir haben bis jetzt 12 Millionen Euro dafür ausgegeben. Da geht es darum, dass große landwirtschaftliche Flächen entmint werden, denn wir wissen genau, diese Landminen sind, wenn sie vergraben sind, vergraben bleiben, eine unglaubliche Gefahr für Zivilistinnen und Zivilisten, ganz besonders für spielende Kinder, aber natürlich auch für die Landwirte. Wir wissen, dass die Ukraine ein großer Agrarproduzent, ein großer Agrarexporteur ist, gerade auch für den globalen Süden, by the way, sehr wichtig. Indem wir beim Entminen helfen, leisten wir auch einen wichtigen Beitrag zum wirtschaftlichen Wiederaufbau der Ukraine – und das tun wir als neutrales Land. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.) 

Österreichische Unternehmen haben schon vor Ausbruch des Krieges – und tun es in großem Ausmaß auch noch weiterhin – Arbeitsplätze in der Ukraine geschaffen, etwa 25 000, und sie leisten auch einen großen Beitrag für die Wertschöpfung im Land. Natürlich wird der Wiederaufbau eine Mammutaufgabe sein. Natürlich ist es uns ein großes Anliegen, dass davon nicht einige wenige profitieren, sondern dass dieser Wiederaufbau wirklich breiten Bevölkerungsschichten zugutekommt. Ich freue mich sehr, dass es ziemlich sicher eine österreichische Organisation sein wird, die ganz vielen kleinen Gemeinden, die zu klein sind, um große EU-Töpfe mit über 50 Millionen Euro ansprechen zu können, dabei helfen wird, dass sie in der Lage sein werden, genau dieses Geld vonseiten der Europäischen Union abzuholen, für einen Wiederaufbau des Wohnbaus, der durch den russischen Angriff zerstört worden ist. Das ist etwas, durch das Menschen dann wirklich wieder ein Dach über dem Kopf haben, das ist ausgesprochen wichtig, und ich freue mich, dass da eine österreichische Organisation so erfolgreich dabei ist. Das ist wunderbar. 

Natürlich, was zum Wiederaufbau, zum Neuaufbau der Ukraine auch dazugehört, ist die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit der Ukraine und die Bekämpfung der Korruption. Nur so wird es auch einen Weg in Richtung Europäische Union geben. 

Und – es ist schon gesagt worden – es wird keine Shortcuts geben oder keine augenzwinkernden Zugeständnisse, sondern nein, natürlich wird auch die Ukraine alle Erfordernisse erfüllen müssen, die notwendig sind, um beizutreten. 

Österreich wird sich mit allen diplomatischen internationalen und nationalen Möglichkeiten für einen gerechten, für einen umfassenden und dauerhaften Frieden in der Ukraine einsetzen – alles andere verdient das Wort Frieden nicht. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Das Angebot, Wien als eine solche Plattform für Gespräche anzubieten, herzunehmen, ist wahrscheinlich wesentlich effektiver als irgendwelche Kniefälle ehemaliger freiheitlicher Außenministerinnen vor Herrn Putin, da bin ich mir ziemlich sicher. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und Grünen. – Abg. Kickl [FPÖ]: Nein, nein, die gehört schon noch der ÖVP! – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Glauben Sie, hat der Herr Gusenbauer auch Kontakte zu den Russen gehabt? Hat der ... Geld her? ... Schrebergarten gekauft?)

Um zum Ende zu kommen: Es gilt aus meiner Sicht einmal mehr, dass die Rolle Wiens auch als Sitz der OSZE in diesem Zusammenhang Platz greift – wir werden ja im Dezember dieses Jahres ein Ministerkomitee ausrichten. Ich weiß, dass es auch während des Kalten Krieges, wenn Wien Austragungsort von bilateralen oder trilateralen Gesprächen war, sehr oft belächelt worden ist, nach dem Motto: Haha, wie schön! Die OSZE ist aber eine der wenigen Organisationen, bei denen Russland immer noch Mitglied ist, wo es auch eine Möglichkeit der Auseinandersetzung auf Augenhöhe gibt, und ich bin mir sicher, dass dieser Ministerrat – zwar unter finnischer Präsidentschaft, aber in Wien ausgetragen – im Dezember Möglichkeiten bieten wird, da entscheidende Schritte vorwärtszugehen, entscheidende Schritte – wie auch immer die Situation dann aussehen wird, aber jedenfalls entscheidende Schritte – als Wien, auch als Österreich, auch als österreichische Bundesregierung zu gehen. 

Das Schöne ist, dass ich weiß, dass die Bevölkerung Österreichs sich diesen Frieden wünscht und auch bei allem, was wir tun, hinter uns steht. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von NEOS und Grünen.)

16.02

Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Yannick Shetty. Eingestellte Redezeit: 7 Minuten.