RN/76
16.59
Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Danke, Herr Präsident. – Gleich einmal zu Beginn ein Wort an Kollegen Graf – ein gutes Beispiel dafür, dass lebenslanges Lernen wirklich wichtig ist –, der die Frage gestellt hat, welcher Krieg denn jemals durch einen Waffenstillstand beendet wurde. (Abg. Martin Graf [FPÖ]: ... falsch zitiert! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Kickl [FPÖ]: Die hören dauernd irgendwas, was keiner gesagt hat!) Das war der Koreakrieg, das war der Jom-Kippur-Krieg, das war der Bürgerkrieg in Bosnien und das war der Erste Weltkrieg.
Der ukrainische Präsident Selenskyi kommt nach Wien und die FPÖ hyperventiliert (Abg. Kogler [Grüne]: Wenn es nach denen ihrem Frieden ginge, wären wir heute noch im Tausendjährigen Krieg!): neutralitätszersetzender Staatsbesuch! – Die FPÖ fährt auch nach Russland und unterschreibt einen Freundschaftsvertrag mit Moskau. Meine Damen und Herren, das ist die Außenpolitik der FPÖ: nicht konsistent, aber konsistent auf der falschen Seite! (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
Die FPÖ spricht von Neutralitätsverletzungen und von Propaganda, aber was sie wirklich meint, ist: Sie will keine Solidarität mit der Ukraine, sie will einen Putin-nahen Kurs gegen die europäische Wertegemeinschaft, gegen den Westen, gegen die Freiheit. Die FPÖ nennt den Besuch auch eine Provokation, und ich nenne die Haltung der FPÖ eine Schande! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Die FPÖ hat kein Problem mit Diktatoren, kein Problem mit Putin, kein Problem mit Gewalt, aber ein riesiges Problem mit europäischer Solidarität, ein riesiges Problem mit westlichen Werten und offenbar ein riesiges Problem mit jeder Form von Mitgefühl. (Abg. Kickl [FPÖ]: Die westlichen Werte!)
Neutralität, meine Damen und Herren, heißt nicht Gleichgültigkeit. Neutralität heißt, dass wir nicht schweigen, wenn ein demokratisches Land von einem autoritären Regime überfallen wird. Neutralität heißt nicht, dass wir einen Präsidenten, der für die Freiheit seines Volkes kämpft, und zwar mit Mut, mit Haltung und mit einem enormen menschlichen Preis, nicht empfangen.
Die FPÖ will Österreich aus dieser europäischen Solidarität herausbrechen, sie will uns isolieren, will Kriegsverbrechen relativieren, und sie stellt sich ganz klar auf die Seite des Aggressors. (Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Nein! Wir wollen uns in keinen Krieg hineinziehen lassen!) Und die FPÖ inszeniert sich auch ganz gerne als die Stimme des Volkes, aber ich frage mich: Ist das die Stimme eines Volkes, das zwei Weltkriege erlebt hat, eines Volkes, das weiß, wohin Schweigen und Wegschauen führt? Ist das die Stimme eines Volkes, das für Demokratie, Frieden und Menschenrechte steht? – Ich denke nicht!
Neutralität ist für euch kein Prinzip, sie ist eine Ausrede – eine Ausrede fürs Wegschauen, eine Ausrede fürs Ducken und eine Ausrede dafür, sich politisch und moralisch einfach feige davonzustehlen.
Ich war vor wenigen Wochen selber in der Ukraine, in Kiew, in Butscha und in Charkiw an der Front (Abg. Wurm [FPÖ]: Kämpfen, oder?), und ich habe gesehen, was es bedeutet, wenn Kinder 10 Meter unter der Erde unterrichtet werden müssen, wenn sie nicht in einer Schule sein können, die sonnen- und lichtdurchflutet ist. Ich habe mit dem Staatsanwalt einen Schrottplatz besucht, wo Überreste von Raketen und Drohnen gesammelt werden, als Beweise für die Kriegsverbrechen, für die Aggressionen gegen Zivilistinnen und Zivilisten. Ich habe in Charkiw ein Stadtviertel besucht, wo es tags zuvor eine Rakete in der Luft zerrissen hat. Sie ist nicht eingeschlagen, deswegen gab es nur einen kleinen Schaden von 5 000 zerbrochenen Fenstern und Balkontüren; 5 000 Fenster und Türen – und wäre diese Rakete eingeschlagen, hätte es deutlich mehr Tote gegeben als jenen bedauernswerten Mann, der durch das Schrapnell gestorben ist. Ich habe Stadtviertel besucht, die belagert und kaputtgeschossen worden sind, Stadtviertel, wo Zivilistinnen und Zivilisten leben. Ich habe Butscha besucht, wo russische Besatzer in wenigen Wochen 419 Menschen gefoltert, vergewaltigt, erschlagen und umgebracht haben. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ja eh!) Ich habe die Auswirkungen dieses Verbrechens mit eigenen Augen gesehen, und niemand sollte, so wie Sie, von der gemütlichen, von Putin finanzierten Couch aus hier Maulheld spielen und gerne dann auch gratis Mut verteilen. (Präsident Rosenkranz übernimmt den Vorsitz.)
Wir stehen ganz klar an der Seite der Ukraine, weil wir wissen, was es heißt, die Freiheit zu verlieren, und weil wir wissen, dass man sie verteidigen muss – mit Haltung! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)
17.03
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Steiner. Die Restredezeit Ihrer Fraktion beträgt 3 Minuten. (Zwischenrufe bei NEOS und Grünen.) Diese ist auch eingestellt.