RN/341
16.04
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Danke sehr, Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit drei Tagen bekommen wir in den Debatten immer wieder eines zu hören: dass im öffentlichen Dienst gespart werden soll. Das entsetzt mich, ich sage es Ihnen hier in aller Deutlichkeit, und nenne Ihnen hierfür eine Zahl: Der Anteil der öffentlich Bediensteten in Österreich beträgt 15 Prozent der Erwerbsbevölkerung. Von der OECD, also von internationaler Seite, wird uns empfohlen, im öffentlichen Dienst zumindest 18 bis 20 Prozent der Personen zu beschäftigen.
Erfolgreiche – auch wirtschaftlich erfolgreiche – Länder wie Schweden, Finnland oder Dänemark haben im Schnitt einen Anteil von 30 Prozent an öffentlich Bediensteten, teilweise sogar einen höheren. Dort floriert die Wirtschaft, dort geht es der Bevölkerung gut, dort wird auch besser serviciert. Daher frage ich mich: Wie viel soll noch im öffentlichen Dienst eingespart werden?
Ich bin wirklich empört, das möchte ich an dieser Stelle sagen. Anstatt hervorzuheben, wie wichtig es ist, das Land am Laufen zu halten, geht man hier immer wieder in parlamentarischen Debatten verbal auf Mitarbeiter:innen des öffentlichen Dienstes los. Dagegen verwahre ich mich.
Ich möchte an dieser Stelle meinen herzlichen Dank an all die Frauen und Männer, die im öffentlichen Dienst tätig sind, aussprechen: Bitte machen Sie weiter! Wir werden uns bemühen, Ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Stark [ÖVP].)
Werte Mitglieder der Bundesregierung, sehr geehrter Herr Minister, wir haben eines festgestellt: Rezession drei Jahre nacheinander bedeutet mehr Arbeitslosigkeit, weniger Beschäftigte.
Ziel dieser Regierung ist es, Verantwortung zu übernehmen. Ziel der Sozialdemokratischen Partei als Teil dieser Regierung ist es, Verantwortung für das Land, für die Republik zu übernehmen, obwohl wir in den vergangenen Jahren immer wieder ausdrücklich gewarnt haben: keine strukturellen steuerpolitischen Maßnahmen ohne Gegenfinanzierung! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich erinnere daran, wie Sie – auch mit Unterstützung der grünen Fraktion, von der es am meisten Kritik hagelt – einen Fonds, die Cofag, eine private Gesellschaft, gegründet haben, von der Milliarden Euro vorbei an der parlamentarischen Kontrolle ausgeschüttet worden sind, vorbei an einer erfolgreich und effizient arbeitenden Finanzverwaltung ausgezahlt wurden. Und jetzt stehen Ihre Redner:innen hier am Pult und machen uns den Vorwurf, dass das Finanzministerium nicht in der Lage ist, ausreichend zu Unrecht erhaltene Förderungen zurückzuholen.
Wissen Sie, wie sich die Finanzbediensteten fühlen? Wissen Sie, wie es ihnen damit geht, jetzt auf einmal die unangenehme Rückforderungsmaßnahme durchführen zu müssen oder den Unternehmen quasi hinterherlaufen und ihnen sagen zu müssen: Ihr habt das zu Unrecht bezogen!, obwohl sie genau nicht mitgestalten konnten, mitprüfen konnten. Finanzbedienstete haben genau gewusst, welche Unternehmen wie unterwegs sind und wie die Bilanzen aussehen, um auch ein rechtsstaatliches Überprüfungsverfahren durchführen zu können.
Dass Sie uns das jetzt vorwerfen, erstaunt mich schon sehr, und das weise ich auch im Namen der wirklich sehr guten Beschäftigten in der Finanzverwaltung zurück.
Jährlich 15 Milliarden Euro einsparen, bedeutet etwas. Uns ist auch bewusst, dass wir alle unseren Beitrag leisten werden müssen, wir alle. Es ist natürlich unangenehm, wenn Menschen jetzt weniger Geld zur Verfügung haben, wenn die Preise steigen, wenn mir Pensionist:innen erzählen, der Warenkorb wird immer kleiner, sie geben gleich viel Geld aus, aber für viel, viel weniger Lebensmittel. Das kann uns alle nicht gleichgültig lassen. Es tut natürlich auch weh, aber wir haben – und da bedanke ich mich auch bei unserer Sozialministerin – immer darauf geschaut, Härtefälle abzuwenden.
Ich sehe hier die Frau Justizministerin an meiner linken Seite. – Ich möchte mich bei Ihnen und auch beim Herrn Finanzminister dafür bedanken, dass Sie in wirklich schwierigen Zeiten, in denen alle sparen müssen, gesagt haben: Aber im Justizbereich kann nicht noch mehr gespart werden! Danke dafür, dass es da keine Kürzungen gibt. Das ist auch wichtig für eine gut funktionierende Justiz und einen Rechtsstaat, für die Österreicherinnen und Österreicher, und damit meine ich alle Menschen, die in diesem Land leben. Es ist wichtig, eine funktionierende Justiz zu haben.
Ich möchte mich auch bei unserer Frauenministerin bedanken, bei einer feministischen Frauenministerin, die gesagt hat: Wir werden auf gar keinen Fall bei Frauenfördervereinen kürzen! – Das war auch gut und wichtig so. Es gibt keinen einzigen Cent weniger für Frauenprojekte. (Beifall bei der SPÖ.)
Was trotz dieser schwierigen Situation auch möglich ist: dass wir etwas, das immer schon gefordert wurde, endlich umsetzen können, nämlich den Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen. Keine Frau darf in Unsicherheit leben. Es ist großartig, dass uns alle Ministerien im Herbst einen entsprechenden Maßnahmenkatalog vorlegen werden und wir diese Maßnahmen auch umsetzen wollen.
Es ist eine Milchmädchenrechnung von der Wirtschaftsexpertin der Freiheitlichen Partei. – Sie sagen, es muss im öffentlichen Bereich gespart werden. Ich darf Ihnen sagen, dass ein Staatsbudget nie eine Milchmädchenrechnung – plus, minus – sein kann, denn der Staat ist kein betriebswirtschaftlich geführtes Managementunternehmen, sondern vielmehr ist es so, dass jeder einzelne Euro, den wir zum Beispiel in der Kinderbetreuung einsetzen, volkswirtschaftlich 8 Euro zurückbringt – ein Gewinn für die Gesellschaft! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Kogler [Grüne]. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Sie sitzen hier in Ihrer neoliberalen Manier und erzählen uns etwas von Staatswirtschaft – unfassbar! (Zwischenruf der Abg. Kolm [FPÖ].)
Ich möchte noch sagen: Es ist gerade in Krisenzeiten ganz wichtig, als Staat zu schauen, die Schaffung von Arbeitsplätzen zu ermöglichen. Je mehr Arbeitsplätze gefördert und geschaffen werden, desto mehr Entspannung wird es bringen – nicht nur für die Menschen, die arbeiten gehen wollen und auch arbeiten gehen können, sondern auch für unsere Wirtschaft. Wenn es unserer Wirtschaft gut geht, dann wird es uns allen gut gehen, dann wird es uns allen besser gehen.
Trotz vieler Kürzungen, die leider passieren müssen, haben wir gesagt, in drei Bereichen darf auf gar keinen Fall gekürzt werden: Das ist im Bereich der Bildung, das ist im Bereich der Gesundheit und das ist im Bereich der - - (Abg. Wurm [FPÖ]: Zuwanderung!), im Bereich der Arbeitsplätze wie bereits erwähnt, Herr Kollege, Arbeitsplätze. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und NEOS.)
Wichtig ist, in diesen Bereichen nicht zu kürzen, aber wichtig ist auch, dass wir einnahmenseitig darauf achten, dass jene Unternehmen, die Rekordgewinne gemacht haben – ich nenne die Branche der Energiewirtschaft –, Rekordgewinne in Zeiten, in denen die Vorgängerregierung leider keinen Preisdeckel auf Energiekosten wie eben Strom- und Gaspreise eingezogen hat, auch ihren Beitrag leisten, und diese Rekordgewinne müssen nun über eine höhere Besteuerung an die Bevölkerung zurückfließen, damit mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können, damit mehr in Gesundheit investiert werden kann, damit mehr in Bildung investiert werden kann.
Ähnliche Entwicklungen haben wir auch in anderen Bereichen gemerkt, und das spüren ja auch alle, etwa im Bereich Wohnen. Wollen nicht wir alle für die Menschen in Österreich leistbares Wohnen ermöglichen? Ist es nicht so, dass es mit dem leistbaren Wohnen schwieriger geworden ist, weil Immobilienkonzerne – es gibt ja kaum Besteuerung für Immobilienkonzerne – mit Wohnraum und mit Grund und Boden spekulieren und die Preise künstlich hoch halten? Daher ist es wichtig, die Immobilienkonzerne zu besteuern, Immobilienkonzerne genauso wie Stiftungen. Warum sollen denn Stiftungen nicht auch ihren Beitrag dafür leisten, dass ihnen die Republik Österreich hier ein sicheres und verlässliches Umfeld bietet? Die Stiftungseingangssteuer zu erhöhen, wird den Stiftungen als Beitrag wohl zumutbar sein. Die Zwischensteuer für Stiftungen wird es genauso brauchen. Dadurch kommen auch Mittel herein.
Was wir bereits beschlossen haben, ist die Erhöhung der Bankenabgabe. Wir erinnern uns an die Rekordgewinne der Banken, und daher ist es auch den Banken zumutbar, dass sie in schwierigen Zeiten ihren Beitrag leisten.
Sie wissen, der Spitzensteuersatz von 55 Prozent für Einkommen über 1 Million Euro wurde genauso verlängert, ebenso eine Reihe von weiteren Maßnahmen, die wichtig sind, damit wir alle gemeinsam diese schwierigen eineinhalb, zwei Jahre – hoffentlich dauert es nicht länger – bewältigen können.
In diesem Sinne danke ich allen, die so konstruktiv mitdiskutiert und mitgearbeitet haben. Gemeinsam bringen wir Österreich wieder auf Kurs. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
16.15
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarz gemeldet. 5 Minuten eingemeldete Redezeit.