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9.08

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Das Thema dieser Aktuellen Stunde ist „Ausbau der Absicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“. Ich bin schon gefragt worden: Warum dieses Thema?, und ich sage Ihnen ganz offen, die SPÖ hat dieses Thema bewusst gewählt, weil diese Bundesregierung, diese Regierungsparteien in den ersten 130 Tagen der Verantwortung bereits vieles zum Vorteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umgesetzt haben. Konkretes dazu später, aber lassen Sie mich zuerst auf die Ausgangssituation dieser Regierungsbildung eingehen.

Die SPÖ war sieben Jahre nicht in der Regierung. Was wurde in diesen sieben Jahren alles unterlassen, verändert, verbockt – auf Steirisch – oder verschlechtert? – Ein kleiner Auszug daraus: Es gab keine verbesserten Maßnahmen bei der Integration. Es gab keine Maßnahmen für den Ausbau von Kindergärten und Nachmittagsbetreuung. (Abg. Bogner-Strauß [ÖVP]: Na geh! Kindergartenmilliarde!) Die Inflation ist durchgerauscht. Wir hatten in Österreich die höchste Teuerung – eine Rekordteuerung – in Europa. Bei leistbarem Wohnen wurde nichts gemacht. (Abg. Bogner-Strauß [ÖVP]: Deutschförderklassen! Deutschkurse! – Abg. Belakowitsch [FPÖ] – in Richtung Abg. Bogner-Strauß [ÖVP] –: In Wien auch?) Wir erinnern uns, die Wohnbauinvestitionsbank wurde 2017 verhindert. Die Chance auf eine Vereinheitlichung der Sozialhilfe wurde nicht genutzt. Es gab keine Industriestrategie zur Absicherung unseres Wirtschaftsstandortes und unserer Arbeitsplätze.

Die Sozialversicherung wurde parteipolitisch umgefärbt – mit fatalen Folgen für die Menschen wie immer längeren Wartezeiten bei Arztbesuchen oder auch bei geplanten Operationen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Unser Gesundheitssystem wurde finanziell geschwächt. Die Sozialversicherungsreform 2018: Wir erinnern uns – der Rechnungshof hat das bestätigt –, anstatt den Versicherten 1 Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, hat das die Versicherten 1 Milliarde Euro an Sozialversicherungsbeiträgen gekostet. (Ruf bei der FPÖ: Blödsinn!) O-Ton FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein – das Geständnis im Untersuchungsausschuss –: Ja, es war ein Marketinggag! (Abg. Deimek [FPÖ]: ... leisten, wirst schon wieder vergessen haben!)

Wir erinnern uns hinsichtlich Arbeitszeiten an den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche oder auch an die Maßnahmen von ÖVP und Grünen bei Sozialbetrug: Durch die Abschaffung des Kumulationsprinzips wurden auch die Strafen herabgesenkt. Eine Mindeststrafe ab 0 Euro wurde festgelegt. – Das darf es nicht geben, meine sehr geehrten Damen und Herren, Betrug darf sich nicht rechnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben nun das größte Budgetdefizit der Zweiten Republik. Wir sind im dritten Jahr der Rezession und hoffen alle, dass wir da rauskommen. Was aber hätte den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gedroht, wenn die SPÖ nicht in die Regierung gekommen wäre? – Den Medienberichten zu den Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP war klar zu entnehmen, es wäre ein Eingriff ins Pensionskonto gekommen, dies war auch bei der Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters auf 67 Thema. Allen Wirtschaftsvertretern, die immer noch fordern, dieses gesetzliche Pensionsantrittsalter anzuheben, muss man ganz klar sagen: Beschäftigen wir vorab wirklich einmal ältere Menschen und schaffen wir gesunde Arbeitsplätze! Das ist nämlich das wirkliche Rezept für eine Pensionsreform. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben auch mit Mehrwertsteuererhöhungen geliebäugelt, aber das haben wir verhindert. Verhindert haben wir es nur deshalb, weil die Sozialdemokratie ganz klar gesagt hat: Wir sind bereit, Mitverantwortung zu übernehmen, wenn es darum geht, dieses Budget zu sanieren, mit Sparmaßnahmen, die wehtun, die auch stattfinden, aber auch mit neuen Einnahmen – mit neuen Einnahmen durch Beiträge von Banken, Energiekonzernen, Stiftungen und vielem mehr!

Wir als SPÖ sind bereit, das aufzuarbeiten, was andere angerichtet und verschuldet haben. Die SPÖ übernimmt Verantwortung, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es darum geht, Österreich wieder auf Kurs zu bringen, mit einem engagierten Arbeitsprogramm und erstmals in einer Dreierkoalition. Diese drei Parteien – SPÖ, ÖVP und NEOS – streiten nicht, sie arbeiten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS. – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Diese Regierung hat mit den Abgeordneten ihrer Parteien in den ersten 130 Tagen 44 konkrete Maßnahmen umgesetzt beziehungsweise beschlossen. (Abg. Wurm [FPÖ]: Das spüren die Menschen, ja!) Das ist um ein Drittel mehr im Vergleich zur Vorgängerregierung von ÖVP und Grünen (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Schlägt sich aber in den Umfragen auch nieder! – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Danke!) und um zwei Drittel mehr als bei der Regierung von FPÖ und ÖVP, meine sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Wurm [FPÖ]: Alle begeistert, Beppo! – Abg. Steiner [FPÖ]: Qualität, nicht Quantität! Qualität, Herr Kollege!) Das zeugt wirklich von einem hohen Arbeitspensum, das natürlich auch viele Maßnahmen gebracht hat. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Bitte weitermachen! – Abg. Steiner [FPÖ]: Schwach! Schwach!)

Ein Auszug aus den bisherigen Maßnahmen, um die Frage des Warum dieser Aktuellen Stunde zu beantworten: 

Wir haben trotz leerer Kassen und notwendigem Sparkurs bereits jetzt schon – in diesen ersten 130 Tagen – einen Medikamentenkostendeckel umgesetzt, damit Medikamente leistbar bleiben. Zudem gibt es keine Eingriffe in bestehende Pensionen, das heißt keinen Eingriff ins Pensionskonto (Abg. Wurm [FPÖ]: Stimmt nicht!), keinen Eingriff oder keine Minderung in der Pensionsanpassung, keine - - (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Rede mit deinen Leuten!) – Wisst ihr, was das Problem ist? – Ihr könnt nicht Äpfel mit Birnen vergleichen! Ihr könnt das nicht vergleichen (Zwischenrufe bei der FPÖ), Pensionen haben nichts mit der Krankenversicherung zu tun – das ist euer größtes Problem. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Aber unterm Strich bleibt weniger übrig!)

Keine Pensionskürzung bei zukünftigen Pensionen – nicht so, wie es die FPÖ damals im Jahr 2002 gemacht hat (Abg. Schartel [FPÖ]: Das ist ja die größte Lüge!); keine Erhöhung des Pensionsantrittsalters auf 67; Pflege- und Gesundheitsberufe ab 2026 in der Schwerarbeitsregelung. Neu, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist, dass Arbeitszeiten bei der Anmeldung zur Sozialversicherung gemeldet werden müssen. Das ist ein Riesenschritt, ein wichtiger erster Schritt, wenn es darum geht, Arbeitszeiten fair aufzuzeichnen. Steuerfreiheit bei Mitarbeiterprämien bis 1 000 Euro; 2025 Mietpreisstopp und Mietpreisbremse ab 2026 – eine Entlastung für die Bewohner von mehr als 1 Million Wohnungen in Österreich.

Ich möchte Ihnen jetzt auch noch sagen, was gerade in Verhandlung ist und laut dem Regierungsprogramm noch umgesetzt werden soll, und das wollen wir auch wirklich umsetzen. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Wie lang macht ihr das? Bis wann?) – Herr Kollege, 130 Tage in der Regierung und eine Abarbeitung sondergleichen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn Sie zuhören, Herr Kollege Hafenecker, sage ich Ihnen, was wir jetzt noch über die Sommermonate vorhaben, um das im Herbst umzusetzen. 

Weiterbildungsgeld, also ein Nachfolgemodell der Bildungskarenz: Anstatt die Bildungskarenz abzuschaffen, machen wir eines, wir verhandeln ein neues Modell für die Menschen (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Also habt ihr es nicht abgeschafft? – Abg. Wurm [FPÖ]: Aber jetzt ist es abgeschafft? – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Jetzt ist es abgeschafft, oder?), die sich weiterbilden wollen. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Was macht ihr, wenn ihr mal in der Regierung seid?) 

Evaluierung Trinkgeldpauschale: Auch das ist immer wieder ein Thema. Das wurde in den letzten Tagen in den Medien sehr hochgespielt, und die Leute glauben, es ist etwas Neues. Wir müssen den Menschen draußen sagen, das ist nichts Neues, denn die Trinkgeldpauschale gibt es seit Jahrzehnten. Was wir jetzt machen müssen, ist, die Trinkgeldpauschale zu evaluieren, so wie es im Koalitionspaket vereinbart ist. (Abg. Wurm [FPÖ]: Ihr nehmt den Ärmsten was weg, Beppo!)

Was sind die drei wichtigsten Botschaften bei der Trinkgeldpauschale? Was wollen wir als die drei Regierungsparteien umsetzen? – Wir wollen Rechtssicherheit für Dienstgeber schaffen. Wir wollen Rechtssicherheit für Dienstnehmer schaffen. Wir wollen, dass sie höhere Dienstnehmeransprüche (Abg. Belakowitsch [FPÖ] – erheitert – Das ist Satire!) für Arbeitslosigkeit, für Krankheit und für Pensionen erwerben. (Abg. Wurm [FPÖ]: Aber die brauchen mehr Geld, Beppo! Das braucht der Kellner!) Wir wollen eine Neuregelung, die entbürokratisiert und den Vollzug vereinfacht. Wir wollen eine Regelung (Ruf bei der FPÖ: Taten statt Worte!), Abgeordneter Wurm, mit der die Menschen auch bei Arbeitslosigkeit, bei Krankheit und in der Pension mehr Geld haben. Das wollen wir, das ist unser Ziel. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wollen wir noch umsetzen? – Wir wollen eine Hitzeschutzverordnung, die Menschen schützt und die diesen Namen verdient, eine Hitzeschutzverordnung, die wirklich das macht und umsetzt, was wir schon in der vorigen Legislaturperiode probiert, aber nicht geschafft haben. Jetzt wird eine Hitzeschutzverordnung kommen. Ich glaube, wir sind in der Zielgeraden.

Was wir weiters umsetzen wollen: freie Dienstnehmer in Kollektivverträge. Das ist unser nächstes Ziel. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Lieferando darf sich nicht wiederholen! Arbeitnehmer zuerst kündigen, dann Dienstverträge mit billiger Abspeisung anbieten: Das darf es nicht sein! Auch das wollen wir verhindern, das wollen wir lösen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen das Älterenbeschäftigungspaket umsetzen. Wir wollen ausbauen und sichern, anstatt das gesetzliche Pensionsantrittsalter anzuheben. Ich grüße alle Arbeitgebervertreter und Industrievertreter in diesem Land, die sich da in den Medienberichten matchen: Wer bietet mehr? 67, 68, 70! (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Euer Regierungskoalitionspartner!) Sehr geschätzte Höchstbieter in der Wirtschaft, die ihr das anheben wollt, schreibt euch das in euer Stammbuch: Diese Bundesregierung hat vereinbart, Pensionsausgaben zu senken und tatsächlich das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben. Das ist die Pensionsreform für diese Legislaturperiode – kein Jahr mehr dazu! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: ... Nachhaltigkeitsmechanismus!)

Wir wollen auch das Gesundheitssystem langfristig finanzieren und nicht den privaten Anbietern ausliefern. 

Das alles wollen wir über den Sommer angehen. Auch über den Sommer wollen wir diese Gespräche fortsetzen, um den Herbst vorzubereiten – zu dritt, offen und ehrlich, in konstruktivem Austausch wie bisher.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend): Ich danke all jenen, die bereit sind, in diesen schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren – Schlusssatz –, wir werden Österreich wieder auf Kurs bringen, auch im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

9.19

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Für eine einleitende Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Korinna Schumann. Ich erteile es ihr. – Auch Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht übersteigen. Bitte, Frau Bundesminister.