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9.19

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Korinna Schumann: Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte den Titel der Aktuellen Stunde „Ausbau der Absicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ dafür nützen, auf einige wesentliche Akzente, die wir im politischen Handeln gesetzt haben, hinzuweisen.

In der letzten Zeit haben wir uns häufig mit großen Problemstellungen herumschlagen müssen, und wir werden auch weiterhin viele Probleme lösen müssen, auch angesichts des Budgets, aber trotz schwierigster Bedingungen ist uns zum Wohl der Arbeitnehmer:innen in diesem Land einiges gelungen. 

Ich darf vorab sagen, wir haben ein stabiles, von Interessenausgleich geprägtes Arbeitsrecht, und darauf sind wir in Österreich ganz besonders stolz. Österreich zählt im internationalen Vergleich zu jenen Ländern mit den wenigsten Streiktagen, und das ist diesem Interessenausgleich geschuldet. Jahr für Jahr verhandeln Gewerkschaften mit den Arbeitgebervertretern auf Augenhöhe rund 450 Kollektivverträge für ein faires und existenzsicherndes Einkommen für die Beschäftigten. Die Politik sorgt dabei für den gesetzlichen Rahmen, der sich wie die Arbeitswelt stetig weiterentwickeln muss. 

Die Arbeitswelt befindet sich in einem dynamischen und stetigen Wandel, und dieser bringt auf der einen Seite Chancen, aber auf der anderen Seite natürlich auch Gefahren. Wir haben uns als Regierung dieser Realität in den vergangenen Wochen gestellt und im Einklang mit dem Regierungsprogramm die folgenden Punkte auf den Weg gebracht. Ich glaube, es ist ganz wichtig, diese in geballter Form einmal aufzuzeigen, und das soll der Inhalt dieser Aktuellen Stunde sein.

Lassen Sie mich mit der Meldung der Arbeitszeit bei der Anmeldung zur Sozialversicherung beginnen – ein ganz, ganz wichtiger Schritt –: Kaum ein Thema rund um die Arbeitszeit ist so viel diskutiert worden (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ]) wie die Frage Teilzeit/Vollzeit. Wir haben aber keine ordentliche Datenlage. Das ist Fakt. Wir wissen auch, zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses keinen schriftlichen Arbeitsvertrag in der Hand. Das heißt, sie wissen nicht, zu welchem Stundenausmaß sie angestellt sind. Sie wissen nicht, ob die Arbeitsstunden, die sie leisten, Normalarbeitszeit, Mehrarbeitszeit oder Überstunden sind. Das ist ein Zustand, den wir verändern wollen und verändern werden. 

Nicht selten wird Arbeitnehmer:innen, die sagen: Ich arbeite jetzt mehr Stunden!, gesagt: Nein, nein, das ist schon in deiner Normalarbeitszeit drinnen!, und das ist etwas, das nicht fair und nicht transparent ist. Wir wissen, die Statistik Austria hat im Vorjahr 42 Millionen Überstunden gemeldet, die unbezahlt von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erbracht wurden. Jede vierte Überstunde wurde weder in Zeit noch in Geld abgegolten – ein Zustand, den wir nicht fair finden und bei dem wir jetzt ansetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir ändern das jetzt – ein wichtiger Schritt –: Ab 1.1.2026 müssen Arbeitgeber:innen bei der Anmeldung ihrer Beschäftigten zur Sozialversicherung verpflichtend die vereinbarte Normalarbeitszeit angeben. Das heißt, wir haben zukünftig fürs politische Handeln eine valide Datenlage – das ist das, was wir brauchen – und es gibt endlich die notwendige Transparenz für die Betroffenen, indem sie wissen, in welchem Ausmaß sie angestellt sind. Es hilft all jenen Unternehmen – und das ist ganz, ganz wichtig –, die sich vorbildlich an alle Vorgaben halten und mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fair umgehen, und es wird jene treffen, die schwarze Schafe sind und nicht faire Arbeitsbedingungen für die Menschen schaffen. Das ist ganz, ganz wichtig und es ist ein ganz enorm wichtiger Schritt im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping – also eine wichtige Handlung, die wir im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesetzt haben. (Beifall bei der SPÖ.) 

Weiters: Wir reparieren die Kündigungsfristen. Es gab in der Angleichung von Arbeitern und Angestellten ja einige Problemstellungen mit Gerichtsurteilen. Das wird jetzt repariert – auch ein wesentlicher Schritt.

Wir sichern den Sozialfonds im Reinigungsgewerbe und im Bewachungsgewerbe ab – auch das ist ganz wesentlich. In den Kollektivverträgen des Reinigungsgewerbes und des Bewachungsgewerbes gibt es diesen Sozialfonds schon, aber es war nie ganz sicher: Wie muss man einzahlen? Wer zahlt ein? Das wird jetzt zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geklärt, denn sie bekommen aus diesem Fonds die Unterstützung erstens zur Weiterbildung und zweitens bei Jobverlust und in Härtefällen. Auch das wurde finalisiert, und das ist ein wichtiger Schritt. (Beifall bei der SPÖ.)

Und jetzt zu einem Punkt, den man wirklich als Meilenstein im Arbeitnehmer:innenschutz sehen kann: Es ist gelungen, in den Verhandlungen die Hitzeschutzverordnung auf den Weg zu bringen. Das ist wirklich ein Meilenstein. Es gibt wahrscheinlich keinen einzigen Wirtschaftszweig mehr, der nicht von zunehmenden Extremwetterereignissen und immer länger währenden Hitzeperioden betroffen ist. Arbeitsplätze im Inneren waren schon durch die Arbeitsstättenverordnung geschützt – da sind klare Vorschriften festgelegt –, aber Arbeitsplätze im Freien sind von diesem Schutz gänzlich ausgenommen. Es gibt eben keine Schutzverordnung für das Arbeiten im Freien – aber das endet jetzt, und ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich darüber freue. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bisher konnten sich Arbeitnehmer:innen selbst bei tropischer Hitze auf keine treffsicheren Schutzmaßnahmen bei ihrer Arbeit im Freien verlassen. Arbeitgeber:innen wussten oft nicht: Was ist jetzt geregelt? Was muss ich zur Verfügung stellen? Wie muss ich handeln? Gerade in den letzten Wochen gab es durch die starke Hitze eine wirklich große Betroffenheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Auch da ist die Zeit des Wegschauens vorbei, gesundes und sicheres Arbeiten liegt im Interesse dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun im Konkreten: Die neue Hitzeschutzverordnung soll fürs Arbeiten im Freien gelten, das habe ich bereits gesagt, um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor den gesundheitsgefährdenden Auswirkungen von Hitze, aber auch von UV-Bestrahlung zu schützen. Die Verordnung soll Arbeitgeber:innen verpflichten, ein Maßnahmenprogramm zum Hitze- und UV-Schutz umzusetzen, wenn Geosphere Austria eine Hitzewarnung mindestens der Stufe zwei, das ist jene der Hitzewarnung bei 30 Grad bis 34 Grad, ausweist. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].

Dazu kommt eine verpflichtende Ausstattung von Krankabinen und selbstfahrenden Arbeitsmitteln mit einer Kühlung beziehungsweise Klimatisierung. Dazu wird es Übergangsfristen für die Nachrüstung geben. 50 Grad sind in einer Krankabine gemessen worden: Das sind Bedingungen, die können und wollen wir nicht haben. Wir müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bei diesen Maßnahmen ist es ganz wichtig, dass im Vordergrund die Gefahrenvermeidung steht, wie zum Beispiel durch die Verlagerung der Arbeitszeit, die Reduzierung der Arbeitsschwere. Wenn das nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, müssen technische Maßnahmen wie Beschattung des Arbeitsplatzes, Wasservernebelung, organisatorische Maßnahmen wie zum Beispiel Wechsel der Tätigkeit, Verlagerung der Tätigkeit in den Schatten getroffen werden. 

Wenn das auch nur eingeschränkt durchführbar ist, müssen persönliche Maßnahmen getroffen werden: leichtere Kleidung, Kopfschutz, Nackenschutz, Sonnenbrillen, Sonnenschutzcreme, natürlich das Bereitstellen von Wasser oder alkoholfreien Getränken. Dazu kommen Notfallmaßnahmen für die Erste Hilfe bei Symptomen einer hitzebedingten Gesundheitsbeeinträchtigung wie Hitzekrämpfen, Schwindel, Kopfschmerzen, Kreislaufproblemen und am Ende Kollaps. 

Dieser Hitzeschutzplan muss in Arbeitsstätten und auf Baustellen und an auswärtigen Arbeitsstellen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer elektronisch oder in Papierform einsehbar sein. Diese Verordnung wird es der Arbeitsinspektion – auch das ist ganz, ganz wesentlich – erleichtern, Mängel konkret festzustellen und Arbeitgeber zielgerichtet zu beraten, damit sie konkrete Maßnahmen setzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ab 1.1.2026 wird es diese Hitzeschutzverordnung für das Arbeiten im Freien geben, und ich kann wirklich nur sagen, es ist ein großer, großer Meilenstein im Arbeitnehmer:innenschutz. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Lassen Sie mich noch einige Punkte erwähnen: Morgen wird es ja die Debatte über das Pensionspaket geben und auch, um das schon vorwegzunehmen, über die Frage der Teilpension, die ja eine wirkliche Chance für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist, länger in der Erwerbstätigkeit bleiben zu können. Auch da haben wir genau hingeschaut: Wie können wir noch besser abfedern und schützen? – Und zwar: Jene, die die Teilpension in Anspruch nehmen, haben die Möglichkeit, Überstunden abzulehnen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt und etwas, das auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützt. Und: Es wird bei Kündigung keine Nachteile im Ausmaß der Abfertigung geben.

Auch das sind wichtige Punkte. Es sind kleine Punkte, aber es sind Punkte, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen, und ich bin sehr stolz darauf, dass wir so genau hinschauen und jene Maßnahmen setzen, die Menschen wirklich helfen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Von den anderen Meilensteinen wie der Aufnahme der Pflege in die Schwerarbeitsregelung wurde ja bereits berichtet.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas sagen, weil das auch Thema meines Hauses ist und ich glaube, es ist wichtig, dass es erwähnt wird, weil mir das in diesem unserem Gedenkjahr so besonders am Herzen liegt. Sie wissen, 80 Jahre Befreiung vom nationalsozialistischen Faschismus lassen uns besonders der Verantwortung bewusst werden, die wir gegenüber jenen haben, die die Gräuel und Schrecken dieser finsteren Zeit überlebt haben. Ich darf sagen, sie bekommen angesichts des Gedenkjahres 2025 aus den Mitteln unseres Hauses eine Sonderzuwendung von je 1 000 Euro, die wir als Republik symbolisch und auch in Übernahme unserer Verantwortung leisten. Ich glaube, es ist wichtig, das gerade hier im Parlament zu erwähnen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Nun zurück zum Thema der Aktuellen Stunde: Der Ausbau der Absicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist für mich kein Lippenbekenntnis. Nach etwas mehr als vier Monaten in Verantwortung setzen wir Schritt für Schritt Maßnahmen, die das Leben der Menschen in Österreich unmittelbar verbessern, vor allen Dingen mit den Punkten, die ich hier erwähnen durfte, das Leben der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Ich darf die Gelegenheit noch nützen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses meinen größten Dank für ihre großartige Leistung in den letzten Monaten auszusprechen. Es war wirklich eine große, große Belastung, denn es musste vieles auf den Weg gebracht werden, und sie haben mit größter Anstrengung und größtem Engagement diese Aufgaben erledigt. Dafür darf ich einen großen Dank aussprechen.

Danke auch an die Sozialpartner:innen, die vielen Expertinnen und Experten und natürlich vor allen Dingen an die Koalitionspartner:innen für die gute, konstruktive und wertschätzende Zusammenarbeit in diesen intensiven letzten Wochen. Soziale Sicherheit braucht Rechtssicherheit, und wir schaffen diese, wo sie notwendig ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

9.32

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Danke, Frau Bundesministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. Ich erteile es ihr.