RN/41

11.55

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Danke, Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Seit knapp neun Jahren versucht die ÖVP, ihre Überwachungsfantasie vom Bundestrojaner umzusetzen, und heute steht sie kurz davor, denn die SPÖ und die NEOS sind in einem Rekordtempo umgefallen und haben ihre Überzeugungen über Bord geworfen, kurz nachdem sie in die Bundesregierung eingetreten sind. (Beifall bei Grünen und FPÖ.) 

Ich gehe einmal davon aus, dass der Herr Minister davon sprechen wird, dass heute ein historischer Tag ist. Es ist wahrlich ein historischer Tag (Abg. Steiner [FPÖ]: Ja, für die ÖVP!), aber nicht im positiven Sinne, sondern es ist eigentlich ein trauriger Anlass. (Abg. Deimek [FPÖ]: ... für diktatorische Abhörmaßnahmen!)

Wer die letzten Monate und Jahre die Nachrichten in Österreich verfolgt hat, weiß, dass der ÖVP jeder Anlass recht war, nach dem Bundestrojaner zu verlangen. Sie hat das ja schon einmal fast umgesetzt oder es wurde in diesem Haus schon einmal umgesetzt, aber nach kurzer Zeit wurde das dann vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Es wurden die gravierenden Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte bemängelt. Da geht es nicht um irgendwelche Kleinigkeiten, sondern um die Grundrechte von uns allen. 

Wir Grüne haben diesbezüglich eine ganz klare Haltung, egal ob in der Opposition oder in der Regierung. Wir stehen für einen wirksamen Schutz gegen Terrorismus – da ist die Betonung auf wirksam. 

Als wir in Regierungsverantwortung waren, hat die ÖVP das Ganze ja auch verlangt. Wir haben aber deutlich gemacht, es braucht ein Gesetz, das weder gegen unsere Verfassung verstößt noch eine große Gefahr des Missbrauchs birgt. Geliefert wurde damals eigentlich nichts – nichts, was dem gleichgekommen wäre. Und auch der Entwurf, der uns heute vorliegt, ist weit entfernt davon. Der einzige Unterschied ist: Wir haben es nicht umgesetzt und die SPÖ und die NEOS sind leider umgefallen. – Das ist kein Vorwurf an die ÖVP, denn die hat seit vielen, vielen Jahren eine klare Haltung, daran hat sich nichts geändert. Es ist aus meiner Sicht die falsche Haltung, aber es ist eine Haltung.

Gehen wir aber einmal Schritt für Schritt durch, worum es geht: Innenminister Karner und Staatssekretär Leichtfried sprechen – wir hören das seit Wochen – von einer ominösen Spionagesoftware, die einzig und allein auf die Nachrichten zugreift. Der Haken an der Gesamtgeschichte ist: Das ist technisch nicht möglich. Sie können jeden IT-Sicherheitsexperten oder jede Sicherheitsexpertin fragen, er oder sie wird Ihnen das bestätigen. Genau das hat der VfGH ja auch gefordert, dass man eben nicht auf das Gesamtgerät zugreifen soll, und das gibt es einfach nicht.

Vielleicht einmal den technischen Hintergrund, warum das gar nicht funktioniert: Wenn Sie jetzt Whatsapp, Signal oder teilweise Telegram nutzen, dann sind die Nachrichten, die verschickt werden, verschlüsselt. Das heißt, die Nachricht kann man entweder beim Absender oder beim Empfänger ablesen. Natürlich kann man die Nachricht auch dazwischen abfangen, nur wird man sie nicht auslesen können, denn da wird man Zeichen, Buchstaben und Zahlen bekommen, die nichts ergeben. Das heißt, man muss mit einer Spionagesoftware entweder beim Absender oder beim Empfänger auf dem Gerät sitzen, auf dem gesamten Gerät, denn anders wird das nicht funktionieren. 

Wie macht man das Ganze? – Eben mit einer Spionagesoftware, indem man Sicherheitslücken ausnutzt. Aber diese Sicherheitslücken haben ja nicht nur diese Gefährder oder die Terroristen, die man bekämpfen möchte, sondern alle Bürgerinnen und Bürger in Österreich. 

Das ist das erste große Problem: Eigentlich hätte der Staat ja die Sorgfaltspflicht, wenn er Kenntnis von Sicherheitslücken erlangt, dass er dahin gehend arbeitet, diese Sicherheitslücken zu schließen. Jetzt dreht sich das Ganze aber, wir wollen diese Sicherheitslücken anscheinend nicht mehr schließen, sondern sie aktiv ausnutzen. 

Jetzt fragen wir – die Frage nach der Software; wir haben das in allen Ausschüssen gemacht, in denen wir es konnten –: Welche Software möchte man einsetzen? – Wir kennen die Marktteilnehmer in diesem Bereich und man kann eigentlich relativ locker sagen, dass sich alle Anbieter von staatlicher Spionagesoftware in einem rechtlichen Graubereich bewegen. Das sind nicht unbedingt Unternehmen, die hohes Vertrauen genießen – teilweise aus dem nachrichtendienstlichen Bereich. Es sind einfach ein bisschen dubiose Unternehmen. (Zwischenruf des Abg. Deimek [FPÖ].)

Das mit den Sicherheitslücken hat ja noch eine Komponente, die aus meiner Sicht zu wenig besprochen wird: Wo kommen diese Sicherheitslücken denn her? – Es gibt kriminelle Organisationen, die sich nur dadurch finanzieren, dass sie Sicherheitslücken auffinden und diese an Staaten verkaufen oder an jene, die Spionagesoftware herstellen. (Abg. Deimek [FPÖ]: Unseriöse ...!) Das heißt, vielleicht finanziert man am Ende mit solch einem Gesetz genau jene, die man ja eigentlich bekämpfen wollte. 

Überlegen wir uns einmal kurz: Was haben wir alles auf unseren Smartphones? – Bilder vom letzten Familienurlaub, Kommunikation mit Freundinnen und Freunden, Onlinebanking, vielleicht Dating-Apps, Dokumente und Daten, die es vielleicht möglich machen, Rückschlüsse auf Ihre politische Gesinnung, eigentlich Ihr gesamtes Leben im Jahr 2025 zu ziehen, wenn wir ehrlich sind. Das Smartphone hat alles.

Jetzt werden sicherlich einige denken: Na ja, und, ich bin ja kein Gefährder, ich habe nichts verbrochen, warum sollte mir etwas passieren?, und dann kommen wir zum Thema Missbrauch; da hätte ich gerne deine Karte ausgeborgt, Herr Kollege (in Richtung Abg. Gödl), aber die wolltest du mir nicht geben. (Zwischenruf des Abg. Steiner [FPÖ].)

In allen Ländern, in denen es zum Einsatz von staatlicher Spionagesoftware gekommen ist, gab es Missbrauchsfälle, und ich rede da nicht von irgendwelchen diktatorischen Regimen, die Oppositionspolitiker damit unterdrückt haben, sondern von europäischen Rechtsstaaten (Abg. Oberhofer [NEOS]: Völliger Blödsinn, das stimmt nicht!) – auch von unseren Nachbarländern – von Dänemark bis Griechenland. Überall dort, wo es zum Einsatz von Spionagesoftware gekommen ist, gab es Missbrauchsfälle. Teilweise gab es in diesen Ländern strengere Gesetze als in Österreich, und dennoch ist es zu einem Missbrauch gekommen.

Auch dort war die Idee, dass man das Ganze gegen Terroristen oder gegen Gefährder einsetzen wollte. Am Ende hat es getroffen: die Zivilgesellschaft, Menschen, die sich für Menschenrechte eingesetzt haben, oder kritische Journalistinnen und Journalisten, die einfach ihrer Arbeit nachgegangen sind; Bürgerinnen und Bürger. (Ruf bei der FPÖ: Jeder dort oben auf der Tribüne kann davon betroffen sein!) – Alle können davon betroffen sein. Es ist keine Massenüberwachung, aber es bietet das Potenzial dazu. (Abg. Erasim [SPÖ]: Dieser Schulterschluss, der ist für mich etwas gruselig!)

All diese und noch schwerwiegendere Einwände zu diesem Gesetzentwurf gab es in der Begutachtungsphase. Mehr als 90 namhafte Organisationen haben diesen Gesetzentwurf eigentlich in der Luft zerrissen. Dazu zählen eindringliche Warnungen von der Rechtsanwaltskammer bis zur Österreichischen Liga für Menschenrechte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestern haben Sie alle ein Mail von 46 Organisationen aus 15 verschiedenen Ländern bekommen, die Sie alle nochmal gewarnt haben. Das sind Organisationen aus Ländern, in denen es diese Missbrauchsfälle schon einmal gegeben hat. Ich hoffe, dass Sie diesen offenen Brief ganz genau gelesen haben und sich auch Ihrer Verantwortung bewusst werden.

Macht das die ÖVP jetzt alleine? – Das kann sie ja nicht, da braucht sie ja Partner dazu. Da gibt es ja die SPÖ und die NEOS. Bis vor Kurzem waren die auch dagegen. Erinnern wir uns an ein Zitat von Herrn Klubobmann Kucher: „Seitens der SPÖ wird es keine Zustimmung für [...] den Bundestrojaner geben.“ – Das ist noch gar nicht so lange her, dass er das gesagt hat. (Abg. Kucher [SPÖ]: Ganz was anderes!)

Das war im April 2024. Jetzt haben wir Juli 2025, jetzt ist man ganz anderer Meinung. Ich finde es ja ein bisschen lustig, wie man das Ganze argumentiert. (Abg. Erasim [SPÖ]: Das ist eine Gefährderabwehr, die wir jetzt beschließen, kein Bundestrojaner!) – Ah, genau. Genau das wollte ich gerade erzählen. Danke, dass du es jetzt vor mir gesagt hast. (Abg. Steiner [FPÖ]: Das ist wohl die Expertin für eh alles! – Abg. Kucher [SPÖ]: Das bist schon du! Das bist eh noch du!)

Die SPÖ redet ja davon, dass der Trojaner, gegen den sie ja früher waren, auch der Trojaner von Kickl gewesen sei: Der war Massenüberwachung, der war schlimm! – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, am Trojaner hat sich nichts verändert, die Systematik ist dieselbe. (Abg. Deimek [FPÖ]: Sie kennen sich da nicht aus!) Das Einzige, das sich verändert hat, ist eure Position dazu. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Darüber solltet ihr einmal nachdenken. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

RN/41.1

Zu den Kollegen von den NEOS: Bis vor Kurzem hat man die NEOS auf der Straße gesehen, gegen Überwachung, gegen den Trojaner. (Der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der ein Foto von NEOS-Aktivist:innen und Beate Meinl-Reisinger zu sehen ist, die pinke sprechblasenförmige Plakate in die Höhe halten, auf denen unter anderem „Meine Daten gehören mir“ und „Nicht wegschauen beim Überwachen“ zu lesen ist.) Da haben Sie laut geschrien, aber heute wird eine Mehrheit Ihrer Abgeordneten dem Gesetz zustimmen! Ja, es gibt ein paar Abweichler in den eigenen Reihen, und ich habe großen Respekt davor, dass sie sich auch lautstark dazu gemeldet haben. Da möchte ich die Frage stellen: Sind die vernünftigen Argumente vom eigenen Verfassungssprecher nicht relevant? Bedeuten die nichts? Ist seine Expertise nichts wert? Wieso hört man da gar nicht hin?

Wo bitte sind in diesem Gesetz die wesentlich schärferen parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten, die Frau Beate Meinl-Reisinger gefordert hat? Wo sind die Regelungen gegen den Missbrauch, die Kollege Shetty immer wieder gefordert hat? (Abg. Shetty [NEOS]: Musst halt einmal den Ministerratsvortrag lesen! Das ist nicht deine Stärke!)

RN/41.2

Kollege Shetty, ich habe ein Geschenk für dich mit. (Der Redner hält ein T-Shirt mit der Aufschrift „Stopp Überwachungsstaat“ in die Höhe.) Diese T-Shirts hattet ihr an, als ihr gegen Überwachung auf die Straße gegangen seid, als ihr gegen den Bundestrojaner gekämpft habt, als ihr das zum VfGH gebracht habt. Du hast jetzt die Möglichkeit - - Ich schenke dir dieses T-Shirt, das kannst du gerne anziehen. (Abg. Lausch [FPÖ]: ... zieht er’s verkehrt an!) Ich hoffe, es löst vielleicht etwas in dir aus, sodass du eine Rede hältst, die der Yannick Shetty von vor knapp 100 Tagen hier gehalten hätte. (Beifall bei Grünen und FPÖ. – Abg. Voglauer [Grüne]: Aber eine Überraschung!)

Zusammengefasst: Die SPÖ und die NEOS sind umgefallen und ermöglichen der ÖVP ihre Überwachungsfantasien. (Abg. Shetty [NEOS]: Spannend, weil Umfallen eigentlich eure Kernkompetenz ist!) Die ÖVP ist aber schon wieder drei Schritte weiter. Die redet ja schon von Ausweitungen. Die möchten das Gesetz schon ausweiten oder haben danach gerufen, noch bevor das Gesetz da ist.

Es fängt ja immer so an: Es wird am Anfang ein Bereich vorgegeben, bei dem vermeintlich niemand etwas dagegen haben kann – es geht ja um Terroristen, es geht ja um Gefährder! –, und dann geht es schrittweise weiter. Das kennen wir aus Überwachungsgesetzen, nicht nur aus Österreich.

Zusammengefasst: Dieses Gesetz ist technisch nicht machbar, rechtlich nicht haltbar, es gibt keinen ernstzunehmenden Rechtsschutz, keinen wirklichen Schutz gegen Missbrauch. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

Wir wissen – und das zeigt uns auch die Erfahrung auch aus europäischen Staaten –: Wenn es zum Einsatz von Spionagesoftware kommt, ist die Frage nicht, ob es zu einem Missbrauch kommt, sondern wann es zu einem Missbrauch kommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen – die ÖVP spreche ich gar nicht an, weil eh klar ist, wo sie steht –, wollen Sie wirklich einem trojanischen Pferd trotz aller Warnrufe die gesetzlichen Tore öffnen? Wollen Sie das wirklich? Für uns steht fest: Grün hält Grundrechte hoch und die Augen offen. Das heißt, wenn dieses Gesetz in dieser Form heute hier beschlossen werden sollte, werden wir eine Klage vor dem VfGH prüfen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.06

Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Maximilian Köllner. Ich habe die Redezeit auf 5 Minuten eingestellt. – Herr Abgeordneter, bitte.