RN/45
12.27
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Liebe Schülerinnen und liebe Schüler! Ich glaube, Sie haben sich eine spannende Debatte ausgesucht, der Sie heute folgen können.
Es ist kein Geheimnis: Die Messengerüberwachung – anders als beispielsweise die Bundesstaatsanwaltschaft oder das Integrationsprogramm ab Tag eins, im Übrigen zwei Maßnahmen, die wir in den ersten vier Monaten dieser Regierung auf den Weg gebracht haben – war nie ein und ist auch jetzt kein Leuchtturmprojekt von NEOS.
Ich möchte Ihnen in meiner Rede heute darstellen, warum wir hinter diesem vorliegenden Gesetzentwurf stehen. (Rufe bei der FPÖ: „Wir“! Wer ist „wir“? Wer denn aller?) Ganz offen möchte ich sagen – vielleicht schaffen es die Kollegen von der FPÖ auch einmal, kurz zuhören, vielleicht 1, 2, 3 Minuten, dann wird es eh wieder losgehen (Unruhe im Saal – Präsident Haubner gibt das Glockenzeichen) –: In einer perfekten, liberalen, freien und offenen Gesellschaft würden wir heute nicht über ein solches Gesetz diskutieren.
In einer perfekten, liberalen, freien und offenen Gesellschaft gäbe es keine islamistischen Extremisten, die in Europa mit Selbstmordanschlägen gegen unsere freiheitsliebende Gesellschaft vorgehen. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Wer weist seit Jahrzehnten darauf hin?)
In einer perfekten, liberalen, freien und offenen Gesellschaft gäbe es keine extremistischen, staatsfeindlichen Netzwerke, die Weihnachtsmärkte, Konzerte, Regenbogenparaden, Synagogen oder Kirchen zu Unsicherheitszonen machen. (Ruf bei der FPÖ: Festung Österreich!)
Wir leben in keiner perfekten, liberalen, freien und offenen Gesellschaft – leider. Ich glaube, das sehen wir hier alle so. Wir leben vielmehr in einer Realität, in der – gerade in Österreich – allerspätestens seit 2015 mangelnde Ordnung und Kontrolle in der Integrationspolitik häufig dazu geführt hat, dass jungen Menschen viele Chancen verwehrt bleiben und dadurch ein Nährboden, ein fruchtbarer Boden für Turboradikalisierung entstanden ist.
Wir leben in einer Realität, in der der politische Islam nicht nur ideologisch, sondern auch strukturell an Stärke gewonnen hat – Stichwort: der global operierende Islamische Staat.
Wir leben also in einer Realität, in der der Staat vorbereitet sein muss, rechtsstaatlich, klar begrenzt, demokratisch kontrolliert auf diese Gefahren zu reagieren – und zwar präventiv, bevor in das wichtigste Grundrecht eingegriffen wird, nämlich – Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention – das Recht auf Leben. (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Gewessler [Grüne].)
Was für eine Handhabe hat der Staat gegen Extremisten? – Einen effektiven Staatsschutz und Nachrichtendienst – da müssen wir besser werden –, V-Männer, ein gutes Netzwerk von Partnerdiensten – auch das wird es, und das sage ich auch explizit, prioritär brauchen und das müssen wir stärker ausbauen. Das hat unabhängig von zusätzlichen Befugnissen, die wir heute beschließen, zu erfolgen und muss nachhaltiger passieren als in der letzten Regierung. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Zorba [Grüne].)
Wir wissen aber auch, Terroristen kommunizieren nicht via Fax und planen auch keinen Anschlag via Festnetz. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller [Grüne].) Der Staat muss auch im 21. Jahrhundert wehrhaft gegen den Terror sein. (Abg. Stögmüller [Grüne]: ... NEOS ...!) Genau deshalb haben wir als NEOS die Überwachung von Hochrisikogefährdern nie kategorisch ausgeschlossen, sondern schon immer gesagt: Wenn es ein solches Instrument geben soll, dann muss es das strengste, das engmaschigste und am besten kontrollierte sein, das es in Österreich je gegeben hat – kurzum, es muss verfassungskonform ausgestaltet sein.
Ich bin überzeugt, wir sind überzeugt (Abg. Gewessler [Grüne]: Wer ist „wir“?), das ist uns gelungen. Entscheiden kann das aber nicht Abgeordneter Zorba, Abgeordneter Darmann oder ich – niemand von uns hier –, sondern das kann nur der Verfassungsgerichtshof entscheiden. Dazu sage ich dann später noch ein paar Sätze. (Zwischenrufe bei den Grünen.)
Nach einem intensiven Begutachtungsverfahren von über acht Wochen haben wir mehr als zwei Dutzend Änderungen in dieses Gesetz eingebracht. Über zwei Dutzend Anregungen zu massiven Änderungen und Verschärfungen bei der Kontrolle, die von uns NEOS, aber auch von Expertinnen und Experten eingebracht wurden, wurden in diesem Gesetzesbeschluss, den wir heute hier fassen, realisiert. Ich kenne kein anderes Gesetz – und, Kollege Zorba, nenn mir ein anderes Gesetz –, das in einer Begutachtung je so umfassend überarbeitet wurde wie dieses. Strenger als dieses Gesetz geht es nicht. (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Zorba [Grüne]. – Abg. Reifenberger [FPÖ]: Hast ja nicht einmal ...!)
Drei Bedingungen waren für uns dabei nicht verhandelbar: erstens der größtmögliche Rechtsschutz (Abg. Zorba [Grüne]: Wo ist der? Wo ist dieser Rechtsschutz?), zweitens engste Anwendungsgrenzen und drittens härteste Sanktionen bei Missbrauch.
Ich sage Ihnen, was das konkret heißt, weil da Fragen kommen – ich habe das Gefühl, Sie haben die Entwürfe und die Änderungen nicht gelesen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Erstens: Die Überwachung bedarf einer Genehmigung durch einen unabhängigen Dreirichtersenat des Bundesverwaltungsgerichts. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Wer bestellt die Richter?) Zweitens: Keine einzige abgefangene Datei am Handy eines mutmaßlichen Islamisten oder Neonazis geht am Rechtsschutzbeauftragten vorbei. Dieser bekommt vollen Zugriff auf alle Daten und das Recht, Löschungen zu verlangen. Drittens: Das Parlament wird ab dem 31. Fall pro Jahr automatisch eingebunden. (Ruf bei den Grünen: Benachrichtigt! Benachrichtigt!) Viertens: Diese Maßnahmen greifen nur bei Terrorverdacht beziehungsweise bei sogenannten staatsfeindlichen Angriffen mit einer Strafdrohung von über zehn Jahren, keine Ausnahmen dabei – eine Massenüberwachung durch dieses Gesetz ist ausgeschlossen! (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Zorba [Grüne]. – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Hättest du die Rede vor einem Jahr auch gehalten?)
Dazu kommt noch etwas anderes: Es gibt kein einziges anderes Land in der Europäischen Union – auch diesbezüglich, Kollege Zorba, bitte um einen Gegenbeweis –, das einen so strengen Rechtsschutz für diese Maßnahme vorsieht, wie wir ihn heute beschließen.
Ich möchte auch ausdrücklich erwähnen (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Sie öffnen die Büchse der Pandora! – Zwischenruf bei den Grünen), es ist ja auch kein Geheimnis, dass es bei uns im Klub dazu unterschiedliche Perspektiven gibt. (Ruf bei der FPÖ: Warum wohl?) Niki Scherak, den ich persönlich auch sehr schätze, hat ja bereits in den Regierungsverhandlungen und schon vor langer Zeit gesagt und klargemacht, dass er die Überwachung von Messengerdiensten aus grundsätzlichen Überlegungen ablehnt. Ich respektiere seine Meinung, der Klub respektiert seine Meinung. Auch wenn wir in der Gesamtabwägung zu einem anderen Ergebnis gekommen sind – ich führe ja gerade die Gründe aus, warum (Abg. Kassegger [FPÖ]: Und der Wähler wählt jetzt wen, den Scherak oder den Shetty?!) –, respektieren wir unsere Gegensätze und arbeiten trotzdem gemeinsam daran, dass das Gesetz unseren hohen Ansprüchen genügt. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Hätte der Kollege Shetty diese Rede auch voriges Jahr gehalten?) Das ist übrigens auch gelebter Parlamentarismus – ich weiß, für einige von Ihnen ein Fremdwort! (Beifall bei Abgeordneten von NEOS und ÖVP.)
Wir alle – und das eint uns in der Koalition – wollen schließlich sicherstellen, dass dieses Gesetz keine Neuauflage des Kickl-Trojaners wird. Der wurde damals nämlich von der FPÖ umgesetzt und vom VfGH aufgehoben. (Ruf bei der SPÖ: Das ist ja unerhört! – Abg. Schroll [SPÖ]: Unerhört, unerhört, unerhört!) Das da ist das genaue Gegenteil von dem, was Sie damals umgesetzt haben: Es ist Resultat eines harten Verhandlungsprozesses gegen Massenüberwachung, gegen Generalverdacht und gegen den Missbrauch von staatlicher Gewalt! (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ. – Abg. Schroll [SPÖ]: Ihr habts es gemacht! Ihr habts es gemacht! )
Ich sage Ihnen aber auch ganz deutlich hier am Rednerpult: Die ersten Rufe nach einer Ausweitung der Messengerüberwachung lehnen wir entschieden ab, und ich sage das auch in aller Deutlichkeit. (Unruhe im Saal.) Eine Ausweitung der heute zu beschließenden Befugnisse wird es in dieser Legislaturperiode niemals geben! (Abg. Stefan [FPÖ]: Ja, ja, Staatsgefährder ...!) Die Gefährderüberwachung bleibt ein Instrument gegen Terroristen (Abg. Kassegger [FPÖ]: Staatsgefährder!) – und zwar nur gegen Terroristen, nicht gegen Einbrecher, nicht gegen Demonstranten (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Na ja, Staatsgefährder, hat der Herr Minister gesagt!), nicht gegen Bürgerinnen und Bürger, die sich politisch engagieren. Ich nehme auch die Kritik der Opposition - - (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Was sind die Coronamaßnahmengegner in dem Zusammenhang? Was wären die? Sind die Staatsgefährder? Oder wer ist das dann?) – Herr Hafenecker, geht es? (Präsident Haubner gibt das Glockenzeichen. – Ruf bei der FPÖ: Schwurbler!)
Präsident Peter Haubner: Der Herr Klubobmann ist am Wort, und ich darf um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bitten. – Danke.
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (fortsetzend): Wenn das die Kollegin Belakowitsch schafft, schaffen Sie es, glaube ich, auch.
Ich nehme die Kritik der Opposition zur Kenntnis, auch wenn mich irritiert – das möchte ich schon sagen –, dass gerade von Politikern, die sich doch, glaube ich, in den redlichen Sektor einreihen, über Medien Dinge kritisiert werden, die unbestritten im ursprünglichen Entwurf standen (Abg. Zorba [Grüne]: Ein Beispiel! Ein Beispiel!), aber die ja geradezu in der Begutachtung herausgestrichen wurden. Ich kann das hier aufführen.
Man hat das Gefühl, es geht hier manchen nicht um die Sachpolitik, sondern darum, um jeden Preis einen politischen Punkt zu machen. (Abg. Zorba [Grüne]: Ein Beispiel ..., ein einziges Beispiel!) Ich sage, man kann das tun, aber ich lehne diese Haltung ab! (Beifall bei Abgeordneten von NEOS und ÖVP. – Abg. Götze [Grüne]: Nicht einmal ein Beispiel!)
Ich sage noch abschließend, weil mich das schon sehr ärgert, bezüglich der FPÖ: Das ist die Partei, die einst mit dem Kickl-Trojaner potenziell alle Österreicherinnen und Österreicher überwachen wollte und unter Generalverdacht gestellt hat. Just jene Partei spielt sich jetzt als Bürgerrechtspartei auf. (Abg. Ragger [FPÖ]: So ein Schwachsinn!) Wie nennt man so ein Verhalten noch einmal? Herr Präsident, ich glaube, ich nenne es jetzt nicht beim Namen, um die Würde dieses Hauses zu respektieren. (Abg. Stefan [FPÖ]: Ja, blöd, dass Sie ...!) Sie sind keine Bürgerrechtspartei, und die Menschen wissen das auch! (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Abg. Kassegger [FPÖ]: Eine Karikatur Ihrer selbst!)
Sehr geehrte Damen und Herren, wir NEOS übernehmen Verantwortung für Sicherheit und für den Grundrechtsschutz, mit einem Gesetz, das unserer Auffassung nach den strengsten grundrechtlichen Anforderungen entspricht – und das ist aus meiner persönlichen Perspektive der wichtigste Punkt – und bei dem der VfGH ausreichend Zeit hat, bevor auch nur ein Islamist, ein Neonazi, ein anderer Extremist überwacht wird, es auf die Verfassungskonformität zu überprüfen. (Ruf bei den Grünen: Scheinheilig! – Zwischenruf der Abg. Prammer [Grüne].)
Deswegen möchte ich mich abschließend explizit bedanken: bei allen Bürgerinnen und Bürgern, bei allen Expertinnen und Experten, die diesen Prozess kritisch begleitet haben und deren Ideen wir im Rahmen der Begutachtung zur Verbesserung des Entwurfs heranziehen konnten – auch das ist in dieser Form eine Premiere. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Du überzeugst ...!)
12.37
Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Alma Zadić. – Ich stelle Ihre Redezeit auf 4 Minuten ein, Frau Abgeordnete.