RN/78
15.00
Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Die Freiheitliche Partei hat sich zu diesem Dringlichen Antrag veranlasst gesehen, weil unsere Bundesregierung unter Ausschluss jeglicher öffentlicher und parlamentarischer Debatten gerade dabei ist, weitgehende völkerrechtliche Verpflichtungen für den Staat Österreich und seine Bevölkerung einzugehen, nämlich in Form der neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften. Für diese neuen Vorschriften, die letztes Jahr auf der Weltgesundheitsversammlung beschlossen worden sind, läuft die Einspruchsfrist der Bundesregierung mit 19. Juli, also in wenigen Tagen, aus. Wenn bis dahin von Österreich kein Widerspruch gegen diese neuen Vorschriften ausgesprochen wird, dann werden sie auch für Österreich und seine Bevölkerung gültig werden.
Was sind diese Internationalen Gesundheitsvorschriften denn überhaupt? – In der bisherigen Form, 2005 beschlossen, sind sie im Endeffekt das zentrale völkerrechtlich bindende Instrument zur internationalen Kooperation in der Bekämpfung von Gesundheitskrisen. Der Zweck ist ja ein durchaus hehrer, wenn man sich die Definitionen durchliest. Der Zweck ist eben die Verhinderung einer „grenzüberschreitenden Ausbreitung von Krankheiten“ – das ist gut. Auch der Einschränkung, dass das „auf eine Art und Weise“ erfolgen soll, „die den Gefahren für die öffentliche Gesundheit entspricht und auf diese beschränkt ist“, kann man überhaupt nichts entgegensetzen. Das tragen wir selbstverständlich auch mit.
Aber – und jetzt kommt das große Aber –: Diese neue Novelle, die letztes Jahr beschlossen worden ist, diese Änderungen gehen weit über diesen definierten Zweck hinaus. Sie erweitern den Anwendungsbereich dieser Gesundheitsvorschriften, und sie führen zu einer Kompetenzausweitung der WHO und vor allem auch des Generaldirektors der WHO, die aus unserer Sicht vollkommen inakzeptabel ist. (Beifall bei der FPÖ.)
Wie ist es denn überhaupt zu dieser Neuauflage der Gesundheitsvorschriften gekommen? – Offensichtlicher Anlass war sicherlich die Coronapandemie, wobei es 2022 einen Prüfungsausschuss innerhalb der WHO gegeben hat, der das Vorgehen während der Coronapandemie überprüft hat und der festgestellt hat, dass es eigentlich gar nicht an den Regularien, an der Definition der Gesundheitsvorschriften gescheitert ist, sondern dass diese schlicht und ergreifend sowohl auf Ebene der WHO als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ordentlich umgesetzt worden sind. Das heißt, der eigene Prüfungsausschuss der WHO hat gesagt: Wir haben gar keinen Änderungsbedarf bei den Vorschriften an sich.
Trotzdem wurde 2022 ein gesamter Änderungsprozess eingeleitet, und es wurden 2022 auch schon erste Beschlüsse gefasst, die von der Öffentlichkeit ziemlich unbemerkt gewesen sein dürften. Es wurden nämlich Fristen verkürzt, und zwar wurde die Einspruchsfrist – genau das, worum es auch heute geht, dass diese Einspruchsfrist eben ausläuft – von 18 auf zehn Monate verkürzt, und es wurde noch eine zweite Frist verkürzt, nämlich die Frist vom Beschluss der Vorschriften bis zum Inkrafttreten der Vorschriften von zwei Jahren auf ein Jahr.
Jetzt könnte man sich natürlich die Frage stellen: Wieso müssen denn diese Fristen so verkürzt werden? Warum kann das nicht so wie in der Vergangenheit belassen werden? Vor allem: Warum hat man sich für die Ausarbeitung dieser neuen Vorschriften nicht entsprechend Zeit gelassen? Es ist ja so gewesen: Die letzte große Novelle 2005 hat einen Vorbereitungszeitraum von zehn Jahren gehabt. Zehn Jahre lang ist unter den Mitgliedstaaten verhandelt worden, ist an den Formulierungen und an den Konsequenzen der Regelungen getüftelt worden, bis diese beschlossen worden sind. Jetzt hat das Ganze innerhalb von nur zwei Jahren stattgefunden – unter massivem Druck, dass das ganz schnell gehen muss. Die Verhandlungen haben auch hinter verschlossenen Türen stattgefunden. (Abg. Bogner-Strauß [ÖVP]: Das stimmt nicht! Alle Protokolle waren frei zugänglich!) Es hat im Endeffekt ein Sammelsurium der eingebrachten Anträge gegeben und nur einen einzigen Zwischenbericht – in Englisch; der war nicht einmal in einer entsprechenden amtlichen Übersetzung verfügbar.
Dann wurde letztes Jahr auf der 77. Weltgesundheitsversammlung am letzten Verhandlungstag unter massivem Druck hinter verschlossenen Türen ein Kompromiss beschlossen, der eigentlich in dieser Form gar nicht hätte beschlossen werden dürfen – denn grundsätzlich schreibt sich die WHO selber vor, dass Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften ausformuliert den Mitgliedstaaten vier Monate lang zur Begutachtung vorgelegt werden müssen und erst dann eine Beschlussfassung eingeleitet werden darf. Also auch dieser Formalfehler ist passiert, ist aktenkundig. Über den ist man einfach hinweggegangen. Wir haben auch an Frau Ministerin Schumann eine parlamentarische Anfrage gestellt, ob sie davon Kenntnis hat und auch was sie in Anbetracht dieses Formalfehlers zu tun gedenkt. Sie hat gesagt, sie weiß das nicht einmal, dass da irgendwelche Fehler passiert sind oder dass da ein anderes Prozedere vertraglich vorgesehen gewesen ist. Das wäre aber natürlich auch gleich ein wunderbarer Anknüpfungspunkt, wie man auch jetzt noch einen Einspruch gegen das Inkrafttreten dieser Vorschriften erheben könnte.
Wer hat denn jetzt eigentlich ein Interesse daran gehabt, dass das alles so schnell und so zwingend jetzt gleich und innerhalb von nur zwei Jahren beschlossen werden muss und dann auch noch mit verkürzten Fristen in Kraft tritt? – Vielleicht sollte man sich in diesem Zusammenhang auch einmal die Finanzierungsstrukturen der WHO anschauen. Es ist schon bezeichnend, dass gerade einmal 16 Prozent des Budgets von 2024 durch Pflichtbeiträge der Mitglieder finanziert worden sind und ein viel, viel größerer Teil, nämlich 77 Prozent, durch freiwillige Spenden finanziert worden ist. Diese Spenden haben eine Besonderheit: Ganze 71 Prozent von diesen freiwilligen Spenden waren sogenannte zweckgebundene Spenden. Das heißt, der, der bezahlt hat (Abg. Schallmeiner [Grüne]: ... Skandal!), bestimmt im Vorfeld, was mit dem Geld passiert. Jetzt könnte man sagen – ja, ich habe es schon gehört –: Skandal! – Ja, es ist tatsächlich ein Skandal, wenn eine internationale Organisation im Endeffekt zum Auftragsgehilfen (Zwischenruf des Abg. Schwarz [Grüne]) für internationale privatwirtschaftliche Sponsoren wird und nicht die Interessen der Mitgliedstaaten vertritt. (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schwarz [Grüne]. – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner [Grüne].)
Das Ganze wird ja noch viel dramatischer. Da die USA mittlerweile als größter Beitragszahler ihren Austritt bekannt gegeben und beschlossen haben, wird der größte staatliche Beitragszahler wegfallen, und andere Institutionen wie zum Beispiel die Gates Foundation, die bereits 2024 16 Prozent des Gesamtbudgets gestellt hat, werden einen noch größeren Einfluss haben. Natürlich, wer soll denn einem so großen Geldgeber verwehren, dass seine Experten in die entsprechenden Gremien und Ausschüsse geschickt werden, beziehungsweise wer kann sicherstellen (Abg. Schallmeiner [Grüne]: Wer kann sich ... leisten?), dass so große Sponsoren nicht auch einen Einfluss auf die Ernennung eines Generaldirektors haben?
Das bringt mich gleich weiter zur Person des Generaldirektors. Wir haben hier die Situation, dass einer einzelnen Person in einem internationalen Gremium, in der Weltgesundheitsorganisation, eine unglaubliche Machtfülle übertragen wird, für die es aber gleichzeitig keine unabhängigen Kontrolleinheiten, keine unabhängigen Gerichte gibt, wo man Fehlentscheidungen oder auch Machtmissbrauch entsprechend anfechten könnte oder die Entscheidungen auch wieder aufheben könnte. Wesentlich ist, dass es zwar beratende Gremien gibt, deren Mitglieder der Generaldirektor teilweise sogar selber nominieren kann, aber kein einziges sanktionierendes oder tatsächlich kontrollierendes Gremium.
Die Befugnisse, die er mit dieser neuen Änderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften bekommt, sind vor allem die, dass er im Endeffekt ad personam alleine die letzte Entscheidungshoheit darüber hat, ob eine internationale Gesundheitsnotlage, eine pandemische Notlage ausgerufen wird oder nicht.
Jetzt könnte man sagen: Was hat denn das für eine Relevanz? Was ist denn das überhaupt, so ein internationaler Gesundheitsnotstand oder eine pandemische Notlage? – Das will ich Ihnen sagen: Das ist die höchste Krisenstufe in der Weltgesundheitsstruktur im öffentlichen Gesundheitswesen. Und natürlich hängen daran viele Folgen, sowohl in den Internationalen Gesundheitsvorschriften – da kommt es dann zu diesen obligatorischen empfohlenen Maßnahmen, zu denen ich später noch kommen werde –, aber in weiterer Folge bei dem ja bereits beschlossenen Pandemievertrag auch zu konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen, auch zum Beispiel im Bereich der beschleunigten Verfahren für die Arzneimittelzulassungen, im Bereich der Güterverteilung, des Schutzes des geistigen Eigentums und bei vielen anderen Dingen auch, unter anderem natürlich auch die Grund- und Freiheitsrechte unserer Bürger betreffend.
Problematisch ist, dass man diesen Begriff dieser pandemischen Notlage neu geschaffen hat und sich nicht mehr an eine medizinische oder epidemiologische Definition – tatsächliche Verbreitung von Krankheiten über mehrere Kontinente oder Staaten – hält. Nein, man hat diese Definition neu geschaffen, sodass diese viel weiter gehend ist. So eine pandemische Notlage kann mittlerweile schon eintreten, wenn nur die Gefahr einer entsprechenden Verbreitung besteht. Das ist genau das Problem: Eine hypothetische Gefahr ist nicht quantifizierbar, ist nicht messbar, ist de facto nicht feststellbar. Auf dieser Basis kann der Generaldirektor der WHO zukünftig weltweite Notstände – einen Ausnahmezustand schlicht und ergreifend – ausrufen.
Wie ist denn nun der Einzelne von diesen Maßnahmen betroffen? Was ist denn da in diesem Regelwerk angedacht? Was betrifft die Menschen auch in Österreich, wenn diese Vorschriften angenommen werden?
Im Falle dieses pandemischen Notfalls wird die österreichische Regierung angehalten, Maßnahmen gegenüber betroffenen Personen zu setzen. Betroffene Personen: Das ist schon einmal eine interessante Definition. Früher hätte man gesagt – und so ist es auch im alten Epidemiegesetz in Österreich gestanden – Erkrankte; das waren Personen, die amtsärztlich festgestellt von der entsprechenden Krankheit befallen waren. Jetzt heißt es Betroffene. Betroffen wird wahrscheinlich, so wie wir das aus der Coronazeit kennen, nicht nur jeder sein, der symptomatisch erkrankt ist, sondern auch jeder, der infiziert ist oder vielleicht sogar auch nur Träger von Krankheitsfragmenten ist, die dann mittels PCR-Testung festgestellt werden. Das ist also ein ganz weiter Geltungsbereich, der gar nicht klar definiert und abgegrenzt ist, wobei aber für betroffene Personen schon Maßnahmen wie Absonderung, wenn notwendig direkte medizinische Behandlungen und natürlich eine Kontaktverfolgung indiziert sind.
Dann gibt es eine zweite Personengruppe, die heißen in den Vorschriften so schön: verdächtige Personen. Was sind denn verdächtige Personen? – Aus der Coronapandemie kennen wir das: Verdächtige Personen sind die, die entweder aktiv denunziert worden sind oder vielleicht Kontaktpersonen waren oder die sich vielleicht sonst irgendwie nicht systemkonform verhalten haben. (Abg. Silvan [SPÖ]: Geh, Gerhard!) Das waren dann ganz schnell die verdächtigen Personen; und die sollen, so steht es wörtlich drinnen, beobachtet werden.
Beobachtet sollen sie werden, sie dürfen natürlich auch in Quarantäne gesteckt werden und es dürfen auch andere Gesundheitsmaßnahmen gegen sie getroffen werden – da fallen mir ganz spontan die von Minister Rauch erfundenen Absonderungen ein –: Verkehrsbeschränkungen, die einzelne Gruppen und eben Verdächtige dann betreffen, und, was auch ganz bizarr ist, auch eine weiter gehende Kontaktverfolgung von verdächtigen Personen.
Also man könnte fast sagen, in Zukunft wird dann jeder jemanden kennen, der verdächtig ist, denn wenn bei jedem Verdächtigen wieder die Kontaktpersonen ausgeforscht werden, haben wir einen neuen Kreis von Verdächtigen, von denen wieder die Kontaktpersonen ausgeforscht werden (Abg. Silvan [SPÖ]: Ist das jetzt dein Ernst, Gerhard?), und so weiter, bis eigentlich die gesamte Bevölkerung aus Verdachtsfällen besteht – das haben wir in anderen Bereichen auch. (Abg. Silvan [SPÖ]: Jetzt musst du aber selber lachen!) So schwammig ist dieses Regulativ im Endeffekt formuliert oder so weit ist dieses Regulativ gefasst, dass es Missbrauch Tür und Tor öffnet.
Aber selbst wenn wir nicht die gesamte Bevölkerung zu Verdachtsfällen machen: Es reichen ja schon die Maßnahmen, die für die gesamte Bevölkerung vorgesehen sind, denn da steht explizit drinnen, dass sich die gesamte Bevölkerung medizinischen Untersuchungen oder auch Laboruntersuchungen unterziehen muss und auch die entsprechenden Nachweise dafür präsentieren muss.
Auch das in der Coronazeit ja hochgekommene Thema der Impfpflicht ist wieder enthalten. Das heißt, im Rahmen dieses Maßnahmenregimes kann nicht nur durch die Hintertür, sondern ganz offensichtlich und völkerrechtlich verbindlich auch die Impfpflicht für alle in Österreich wieder zurückkommen. (Abg. Bogner-Strauß [ÖVP]: Nein, das kann es nicht! – Abg. Silvan [SPÖ]: Nein!) – Sie können sich dann gerne noch zu Wort melden. Es steht genau so drinnen, dass das eine mögliche Maßnahme ist. (Abg. Bogner-Strauß [ÖVP]: Na, das ist ein Witz! – Abg. Schallmeiner [Grüne]: Nein, das steht nicht so drinnen, geh komm! – Abg. Bogner-Strauß [ÖVP]: Nein, das ist in der Souveränität! – Ruf bei der ÖVP: Schau, da sind wir wieder bei der ...!)
Jetzt muss man natürlich sagen, das Impfpflichtgesetz war einer der großen Aufreger in der Coronazeit in Österreich, aber es hat noch einen zweiten Punkt gegeben, das war der grüne Pass. Es gibt in den neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften ein ganzes Kapitel, einen ganzen Abschnitt, der sich mit den neuen internationalen Gesundheitsdokumenten auseinandersetzt.
Das heißt, der grüne Pass soll und muss natürlich im Rahmen dieser neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften kommen, denn natürlich sollen diese Reiseeinschränkungen, die Verfolgung der Bewegungen der einzelnen Bürger und auch das schnelle Abrufen von Impfstatus, Teststatus und Ähnlichem standardisiert und international einheitlich möglich werden. Aber vielleicht denken Sie daran, vielleicht erinnern Sie sich, dass auch dieser grüne Pass die österreichische Gesellschaft gespalten hat und mehr Schaden als Nutzen gestiftet hat. (Beifall bei der FPÖ.)
Und was man nicht vergessen darf: All diese Maßnahmen können nicht nur in Kraft treten, wenn es tatsächlich eine Pandemie im Sinne der epidemiologischen Definition gibt, nein, diese Maßnahmen können schon vorbeugend erlassen werden, zur Verhinderung einer Epidemie. – Also da wird einem dann schon wirklich angst und bange.
Es gibt aber eine positive Nachricht, zumindest für einen Teil der Menschen: Es soll auch sogenannte Green Lanes, also erleichterte Reisebestimmungen, für bestimmte Personengruppen geben, und bei manchen kann ich das ja durchaus gut nachvollziehen. Zum Beispiel macht es für Gesundheitspersonal, für Pflegepersonal absolut Sinn, dass diese in Krisenzeiten Grenzen überschreiten können, auch wenn Reiserestriktionen vorliegen. Die neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften haben da aber auch zusätzlich eine weitere Personengruppe erfasst, nämlich diejenigen, die in einer lebensbedrohlichen oder humanitären Notlage sind. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, würde ja eigentlich bedeuten, dass, während die eigene Bevölkerung aus Verdachtsgründen zu Hause mehr oder weniger eingesperrt ist, die illegale Massenmigration (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Wie bei Corona!) kreuz und quer durch Europa wandern könnte (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner [Grüne]), weil das aus humanitären Gründen notwendig ist. (Beifall bei der FPÖ.) Also unvorstellbar, was mit diesem Regelwerk alles möglich ist!
Das passt aber natürlich ganz gut zu den Erweiterungen der Grundsätze in Artikel 3 der neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften, wo ein neues Grundprinzip aufgenommen wird, nämlich das der Solidarität und Gerechtigkeit.
Ich frage mich zwar bis heute, was Solidarität und Gerechtigkeit für medizinische oder epidemiologische Kategorien sind, das finde ich in den Definitionen nicht, aber ich erkenne natürlich klar eine politische Intention dahinter, die sich auch bei den Reisefreizügigkeiten im Krisenfall zeigt. Das geht aber natürlich noch weiter. In den Erläuterungen steht dann drinnen, was sich die WHO darunter vorstellt. Da geht es einerseits – gerechtfertigterweise – um einen gleichwertigen Zugang zu medizinischen Gütern, Arzneimitteln, Impfstoffen und Ähnlichem, aber das, was daraus erwächst, macht mir wiederum Sorgen.
Da ist die Rede von zentralisierten Beschaffungen – das hat bei Corona schon so gut funktioniert; wir warten ja noch immer auf die SMS zwischen Frau von der Leyen und Pfizer, das würde uns alle interessieren, was da drinnen steht –, da geht es dann natürlich darum, wer die Kosten für all diese Fehlbeschaffungen trägt; da geht es aber in weiterer Folge auch um Zwangsverteilungen von medizinischen Gerätschaften und Ausrüstung und Medikamenten; da geht es um Zwangskofinanzierungen. Und über all dem soll dann ein koordinierender Finanzierungsmechanismus installiert werden, der zwar eigentlich nur die vorhandenen Mittel verteilen soll, aber in Wirklichkeit de facto dann dazu führt, dass der Steuerzahler in Österreich die Versorgung in anderen Staaten im großen Stil zahlen muss.
Wer das nicht glaubt, schaut sich vielleicht einmal an, was während Corona passiert ist. Allein bei den Impfstoffen: Wir haben fast zehn Millionen Dosen Impfstoffe an andere Staaten verschenkt, das ist ein Schaden für den österreichischen Steuerzahler von über 100 Millionen Euro; ganz genau kann man es ja nicht beziffern, weil wir die Preise bis heute nicht bekommen haben. Genau dasselbe ist in Zukunft dann systematisch für jede pandemische Notlage sozusagen, für jeden internationalen Notstand geplant. Dem kann man doch nicht zustimmen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
Es heißt immer: Das stimmt ja alles nicht, was die FPÖ da immer sagt und wie sie den Teufel an die Wand malt! Das beruht doch alles auf Freiwilligkeit, das ist überhaupt kein Zwang und die WHO kann ja überhaupt nichts durchsetzen, also die Souveränität wird in keinster Weise beeinträchtigt! – Dann möchte ich Sie eines fragen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wieso ist es dann erklärtes Ziel bei diesen jetzt vorliegenden Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften, die Durchsetzbarkeit dieser Vorschriften auf nationaler Ebene zu stärken? Warum schafft man dann einen eigenen Ausschuss für die Umsetzung dieser neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften auf Ebene der WHO? Und warum sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, wenn sie diese Regelung annehmen, nationale Koordinierungsstellen einzurichten, die ein permanentes Dauerreporting an die WHO machen, ob der Staat eh schon brav seine Vorgaben umgesetzt hat?
Und falls er sich doch weigert, steht in den Vorschriften drinnen, dann wird einmal zunächst sanfter Druck ausgeübt. Dieser sanfte Drück führt aber bis hin zu Schiedsverfahren, die gegen den Staat angestrebt werden, abgesehen davon, dass natürlich jeder Staat, der die Vorgaben der WHO nicht erfüllt, dann ganz massiv an den Pranger gestellt wird.
Das ist nicht irgendetwas leer Dahergesagtes, sondern: Was sind denn die realen Konsequenzen? – Im Endeffekt kann die WHO dann entscheiden, dass die Bürger eines entsprechenden Staates vielleicht alle Verdachtsfälle sind, dass der gesamte Staat vielleicht ein Risikogebiet ist, dass der Handels- und der Personenverkehr zwischen den Staaten aus Gründen der öffentlichen Gesundheit eingeschränkt werden muss, und, und, und. – Das sind ja massive wirtschaftliche Implikationen, die damit zusammenhängen. Wenn das kein Druck, kein Zwang ist, der auf einen Staat ausgeübt werden kann, sich diesem Narrativ dann auch zu beugen und diese Vorschriften umzusetzen, dann weiß ich es auch nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich fasse es noch einmal zusammen: Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine internationale Kooperation zur Bekämpfung von Gesundheitskrisen, aber das, was da an Neuordnung der Internationalen Gesundheitsvorschriften auf dem Tisch liegt, geht weit über den historischen Sinn und Zweck der Gesundheitsvorschriften hinaus. Es stellt eine vollkommen unverhältnismäßige Ausweitung des Geltungsbereichs, der Kompetenzen der WHO und vor allem auch des Generaldirektors der WHO dar, und es ist nicht sichergestellt, dass es überhaupt irgendwelche Kontrollinstrumente, irgendwelche unabhängigen Aufsichts- oder Kontrollgremien gibt, ein unabhängiges Gericht, das im Missbrauchs- oder Fehlentscheidungsfall auch anrufbar ist und Entscheidungen revidieren kann.
Die FPÖ lehnt die Internationalen Gesundheitsvorschriften deshalb ganz klar ab, so wie wir das auch in der Vergangenheit gemacht haben, so wie wir schon mehrere Anträge dazu gestellt haben. Jetzt ist tatsächlich die letzte Chance für die Bundesregierung, hier auch noch einmal ein Veto einzulegen, zu sagen: Schauen wir uns das lieber noch einmal an, bevor das, was da husch, pfusch in zwei Jahren gemacht worden ist, in Kraft tritt!
Als Feigenblatt können Sie den Formalfehler der Nichtauflage der Verhandlungsergebnisse verwenden. Sie brauchen sich gar nicht inhaltlich zu kaprizieren, sondern können sagen: Da ist auch ein Formalfehler passiert und deshalb lehnen wir es ab. Aber geben Sie dem Souverän die Chance und sich selbst vielleicht auch, wenn Sie es sich noch nicht so genau angeschaut haben, und überdenken Sie die Konsequenzen der Annahme dieser neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften!
Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass diese Regelungen, so wie sie jetzt festgeschrieben sind, sicherlich nicht ins nationale Recht kommen. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)
15.20
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Frau Staatssekretärin Königsberger-Ludwig zu Wort gemeldet, die ich an dieser Stelle auch sehr herzlich im Hause begrüße. – Bitte.