RN/79
15.21
Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Ulrike Königsberger-Ludwig: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte vielleicht auch damit beginnen, wie Abgeordneter Kaniak gesagt hat, dass Internationale Gesundheitsvorschriften nichts Neues sind. Wir wissen, dass es seit dem Jahr 2005 Internationale Gesundheitsvorschriften gibt und dass es natürlich völkerrechtlich verbindliche Vorschriften der WHO sind, um bei der Verhinderung und bei der Bekämpfung von grenzüberschreitenden Krankheiten mitzuhelfen.
Ich denke, da sind wir uns einig, dass das wichtig ist, weil wir alle wissen, dass Krankheiten und Viren nicht vor Grenzen haltmachen, dass sie voranschreiten, dass sie sich sehr schnell verbreiten, dass sie sehr unberechenbar sind und dass sie sich natürlich vor allem auch grenzüberschreitend verbreiten. Deswegen braucht man aus unserer Sicht auch ein gemeinsames, grenzüberschreitendes, länderübergreifendes Handeln. Ich glaube, da können wir auch noch gemeinsam einen Konsens finden.
Dass – was die Covid-19-Pandemie natürlich aufgezeigt hat – die bestehenden Regeln nicht ausreichend sind, wissen wir, denke ich, auch alle. Wir haben alle noch die Bilder vor uns, wie die Lkws mit den zu liefernden Masken nicht über die österreichische Grenze fahren durften, weil es eben zu wenig Zusammenarbeit gegeben hat und weil es aus unserer Sicht auch keine ausreichenden geltenden Regeln gegeben hat.
Genau aus diesem Grund hat man sich im Jahr 2022 zusammengeschlossen und gesagt, wir wollen gezielt Änderungen bei den Internationalen Gesundheitsvorschriften herbeiführen und wir wollen das gezielt mit den WHO-Staaten machen. Auch das wissen Sie, dass 196 WHO-Staaten mitverhandelt haben und dass man natürlich ganz bewusst an Änderungen gearbeitet hat.
Tatsächlich ist es so – und nicht so, wie es oftmals vorgebracht wird –, dass dieser Prozess natürlich transparent war. Sie alle wissen, es hat intensive Verhandlungen gegeben und alle Protokolle sind einsehbar. Man kann also wirklich nicht davon sprechen, dass man nicht informiert hat und dass man nicht informiert wurde, wenn man informiert hat sein wollen, das möchte ich schon auch ganz klar noch einmal sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)
Ich möchte auch noch einmal klar betonen, dass das Ansinnen dieser veränderten Internationalen Gesundheitsvorschriften tatsächlich jenes ist, gemeinsam zu handeln und rasch zu handeln, wenn es zu globalen Gesundheitskrisen kommt. Wir alle können nicht ausschließen, dass es wieder globale Gesundheitskrisen gibt. Wir wissen, wie der Reiseverkehr ist, wir wissen einfach, wie rasch sich Viren verbreiten.
Genau deswegen hat man sich in diesen Bereichen der Pandemieprävention, der Pandemievorsorge und natürlich auch der Pandemiebekämpfung dazu entschlossen, neue Ziele zu definieren, und diese wurden jetzt eben nach einem langjährigen Prozess am 1. Juni auch beschlossen.
Aus meiner Sicht geht es bei diesen Beschlüssen einfach darum, dass man gemeinsam Schadensbegrenzung betreibt, dass man gemeinsam Schutz für Menschen in den Staaten bietet, das gemeinsame Miteinander in den Vordergrund zu stellen, und natürlich darum, Verantwortung zu übernehmen, diese Verantwortung, die man als Staat und als Staatengemeinschaft aus unserer Sicht, aus meiner Sicht tatsächlich auch hat. Und ja, es geht auch darum, Herr Kollege Kaniak, dass man Verantwortung für die Bevölkerung in ärmeren Staaten übernimmt. Ich finde nichts Verwerfliches daran, wenn man in einen gemeinsamen Pandemievertrag – in dem es dann enden soll – Solidarität als Wert niederschreibt. Im Gegenteil: Ich finde das großartig! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
Ich finde es großartig, dass man den Wert der Solidarität tatsächlich auch festschreibt, weil man so auch sicherstellen kann, dass die Bevölkerung ärmerer Staaten wie schon gesagt Schutz und Hilfe und vor allem auch medizinische Versorgung erhält, dass man diese auch garantieren kann.
Sie haben angesprochen, Herr Kollege Kaniak, dass die Definition, die neue Definition des Begriffs „pandemischer Notfall“, „Missbrauch Tür und Tor öffnet“. Ich möchte hier jetzt wirklich die Definition vorlesen, denn ich denke, die Bevölkerung und die Damen und Herren Abgeordneten sollen auch wissen, was man mit dieser neuen Definition tatsächlich möchte. Ich finde auch diese Definition im Zusammenhang mit internationaler Solidarität gut und richtig. (Abg. Kaniak [FPÖ]: ... schwammig!)
„Nach dieser neuen Definition ist eine Pandemie eine übertragbare Krankheit, die sich geografisch in mehreren Staaten ausbreitet; die Kapazitäten der Gesundheitssysteme in diesen Staaten übersteigt; die erhebliche soziale und/oder wirtschaftliche Störungen verursacht, einschließlich der Störung des internationalen Verkehrs und Handels [...]; und die ein rasches, gerechtes und verstärktes koordiniertes internationales Handeln erfordert“.
Ich weiß wirklich nicht, was daran schlecht ist. Ich weiß nicht, was daran gefährlich ist. Im Gegenteil: Es ist ein wichtiger neuer Punkt. Es ist eine wichtige neue Definition aus meiner Sicht, aus unserer Sicht. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen.)
Geschätzter Herr Kollege Kaniak, weil Sie auch angesprochen haben, dass es neue Gremien geben wird. Ich verstehe es nicht ganz: Einerseits sagen Sie, dass der Herr Generaldirektor so viel Macht hat, und auf der anderen Seite bekritteln Sie, dass es neue Gremien geben wird. (Zwischenruf des Abg. Kaniak [FPÖ].) Ich bin davon überzeugt, dass es wichtig ist (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kaniak [FPÖ]), dass der Ausschuss der Vertragsstaaten zur Erleichterung der wirksamen Umsetzung der geänderten Verordnungen eingesetzt wird, denn gerade in diesem Ausschuss wird die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten bei der wirksamen Umsetzung der neuen Regeln gefördert und auch unterstützt. Das ist doch gut, das ist doch richtig, und das ist doch wichtig. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)
Genauso wird es auf nationaler Ebene IHR-Behörden geben, die zusätzlich zu den bestehenden Focal Points zur besseren Koordinierung der Umsetzung der Vorschriften zwischen den Ländern beitragen werden. Auch das finden wir seitens der Sozialdemokratie und – ich bin auch davon überzeugt – seitens der Koalitionspartner:innen sehr, sehr wichtig.
Geschätzte Damen und Herren, mit all dem, was jetzt in den letzten Jahren verhandelt wurde – was ja auch von der ÖVP mitverhandelt wurde, von den Grünen mitverhandelt wurde –, wollen wir einfach eines gewährleisten: Wir wollen auf neue Pandemien vorbereitet sein. Wir wollen auf neue Erreger vorbereitet sein. Wir wollen auf globale Gesundheitskrisen vorbereitet sein. Wir wollen vor allem ein schnelles, koordiniertes und abgestimmtes Handeln garantieren. Das ist das Ansinnen dieser neuen Gesundheitsvorschriften.
Geschätzte Damen und Herren, weil immer davon gesprochen wurde, dass es einen Eingriff in die Souveränität Österreichs gibt: Ich kann Sie tatsächlich beruhigen. Es wird keine Einschränkung der Souveränität geben. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf [FPÖ].) Es werden keine Grundrechte gefährdet werden (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ach so – nein?), sondern sie werden festgeschrieben. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und – ich habe es schon angesprochen – der Herr WHO-Generaldirektor erhält zu keinem Zeitpunkt das Recht, in nationale Gesetze einzugreifen oder auch nur Maßnahmen umzusetzen. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Also was jetzt?) Das war nie Teil der Verhandlungen. Die Souveränität Österreichs bleibt auch in Zukunft erhalten, geschätzte Abgeordnete Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].)
Geschätzte Kolleginnen von der Freiheitlichen Partei! Wenn Sie sich Ihren Antrag durchlesen, dann werden Sie auch selber sehen, dass Sie ja nicht davon gesprochen haben, dass es Durchgriffsrechte gibt. Sie schreiben selber und auch Sie, Frau Kollegin Belakowitsch (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ich habe gar nichts geschrieben!), haben in Ihrer Pressekonferenz gesagt, dass es sich um Empfehlungen handeln wird. Genau darum geht es. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Völkerrechtsverpflichtende! Na was jetzt? Jetzt haben Sie gerade gesagt, es ist völkerrechtsverpflichtend!) Es wird Empfehlungen geben, und die Souveränität Österreichs wird zu keinem einzigen Zeitpunkt eingeschränkt werden, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Horchen Sie sich zu?)
Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass ich davon überzeugt bin, dass es auch in Zukunft – ich wünsche mir das nicht, aber Sie sehen es auch durch die Tierseuchen – Pandemien geben wird, und dass wir gemeinsam – wirklich länderübergreifend! – Instrumentarien finden werden müssen (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Was wollen Sie uns damit sagen?), um besser dagegen auftreten zu können, damit wir die Bevölkerung schützen können. Das ist das Ansinnen der neuen Gesundheitsvorschriften, geschätzte Damen und Herren.
Ich kann Ihnen garantieren und versprechen, wir werden auch dafür sorgen, dass das Vertragswerk hier im Parlament von Ihnen, geschätzte Abgeordnete, auch diskutiert werden kann und wird und auch beschlossen werden wird.
Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass ich davon überzeugt bin, dass Politik bedeutet, sich Herausforderungen zu stellen, dass Politik bedeutet, manchmal komplizierte Dinge zu erklären, dass Politik bedeutet, hinzuschauen und mit den Menschen im Dialog zu sein, dass Politik auch bedeutet, Lösungen anzubieten, und dass Politik, geschätzte Damen und Herren, auch die Übernahme von Verantwortung bedeutet. Und ja, man kann natürlich immer und überall mit Angst Politik machen – kann man, muss man aber nicht, geschätzte Damen und Herren von der FPÖ (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Es ist ein Erfahrungswert, Frau Staatssekretärin! Wir haben es drei Jahre erlebt!) –, man kann aber auch mit Verantwortung Politik machen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS.) Und ich bin überzeugt, wir seitens der Koalition machen genau das: Politik mit Verantwortung – und das aus Überzeugung. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
15.30
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gehen in die Debatte ein.
Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung keine Rednerin und kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurm. Eingemeldete Redezeit: 5 Minuten. Ich erteile ihm das Wort.