RN/203

23.07

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir haben uns sehr intensiv mit diesem Landesverteidigungsbericht auseinandergesetzt und ich möchte zu Beginn auch etwas Positives dazu sagen. Ich glaube, wir haben schon in der letzten Gesetzgebungsperiode gemeinsam sehr viel vorangebracht. Ein Punkt davon war eben auch dieser Landesverteidigungsbericht, auf den wir uns geeinigt haben. Das finde ich auch sehr gut. 

Das Bundesheer ist ja prinzipiell auf einem guten Weg. Wir haben die Chance, die Versäumnisse von Jahrzehnten aufzuholen, wir dürfen sie natürlich jetzt nicht verspielen. 

Das große Problem, und das ist heute schon mehrmals angesprochen worden, ist eben auch das Personal. Dort hapert es, genau dort ist das Problem. Das sagt auch dieser Bericht ganz klar. Ich zitiere: „Dem Personal ist höchste Priorität einzuräumen“, und weiters: „Dabei stellt der definierte Bedarf selbst unter günstigen Bedingungen eine hohe Herausforderung im Bereich der Personalaufbringung dar.“

Das heißt, selbst unter günstigen Bedingungen ist nicht gesichert, dass wir den Personalbedarf für die geplante Aufrüstung auch aufbringen. Seit Jahren ist nun die Rede von einer Personaloffensive. Die hohen Zahlen an Pensionierungen bei den Babyboomern – das werden Sie sicher noch einmal erwähnen – sind alles andere als eine Überraschung. Also wo bleibt denn die Priorität in der Umsetzung? 

800 Offiziere gehen bis 2032 in Pension – 800 Offiziere! –, in der Miliz fehlen zwei Drittel der nötigen Unteroffiziere. Wir beschaffen Hightechflotten, aber es fehlt an Menschen, die sie bedienen können. Wir brauchen dringend mehr Investitionen in die Menschen, nicht in das Material. 

Im Landesverteidigungsbericht sind einige Maßnahmen aufgelistet, und auch dazu wieder mein Lob. Was mir besonders gefällt, sind Maßnahmen wie die Austrittsbefragungen. Ich finde, das ist ein sehr wichtiges Indiz dafür, dass man das tatsächlich auch ernst nimmt, dass man die Menschen miteinbeziehen will. 

Aber warum verlässt denn so viel Kaderpersonal das Bundesheer? – Natürlich ist die Bezahlung ein Thema, das wurde ja auch im Bericht dargelegt – Erhöhung der Gehälter, Prämien, Belohnungen, in dem Bereich werden auch Naturalwohnungen erwähnt; die wurden ja leider zu einem großen Teil auch verscherbelt, verkauft und müssen jetzt auch wieder teuer errichtet oder beschafft werden –, aber von zwei ganz wichtigen Punkten, die auch im Regierungsprogramm stehen, hören wir nichts, sondern ganz im Gegenteil, sie werden auch nach wie vor blockiert. 

Aus dem aktuellen Regierungsprogramm: Ziele für die Personaloffensive sind die „Attraktivierung des Arbeitsumfeldes von Soldatinnen und Soldaten, um Beruf und Familie in Einklang bringen zu können“ – das ist übrigens einer der Hauptgründe für Austritte aus dem Heer, das wird im Bericht nicht erwähnt – und die „Weiterentwicklung der Organisationskultur im BMLV“.

Das Bundesheer stellt seit einigen Jahren Ferienbetreuung für Kinder von Soldat:innen bereit. Wenn ich mich richtig erinnere: Im Budgetausschuss wurde gesagt, 400 000 Euro sind das – das ist schön, aber warum wird da nicht mehr investiert? 400 000 Euro hört sich gut an, aber es braucht eine ganzjährige Unterstützung von jungen Familien. Deutschland ist etwa ein gutes Beispiel, bei der Bundeswehr. Für Soldat:innen, die teilweise Monate oder bis zu einem Jahr im Einsatz sind, ist das im Sommer natürlich nett, aber es braucht das ganze Jahr Betreuung.

Und wo ist die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur? Wie ist es denn jetzt zum Beispiel mit der Situation von queeren Mmenschen, der LGBTIQ-Community, für die seit Jahren nichts gemacht wird, trotz der Zusage von Ihnen, Frau Ministerin? Vom Bundesheer haben wir im Pride-Monat nicht wirklich etwas gehört. Wie Ihr Pressesprecher im Ministerium es damals formuliert hat: Homosexualität ist nach wie vor kein Thema, dabei ist es ein Thema für junge Menschen, denn gerade bei den 16- bis 25-Jährigen – das ist der Rekrutierungspool, der ja für das Bundesheer eigentlich wichtig wäre – ist der Anteil an queeren Menschen vergleichsweise hoch. Das interessiert aber auch hier niemanden. (Abg. Lindner [SPÖ]: Doch, schon!)

Ich habe im Vorfeld auch mit jungen Unteroffizieren gesprochen. Die Themen, die sie belasten, sind nicht nur, aber natürlich auch finanzielle, aber auch Überlastung durch Assistenzansätze: wochenlange Dienstzuteilungen quer durchs Land, keine Zeit für die Familie, für Freunde, keine Stabilität, kein Dialog mit dem Vorgesetzten, keine Wertschätzung, Mobbing, Diskriminierung, Beschwerden, die irgendwo versanden. Diese jungen Menschen kommen, weil sie etwas Sinnvolles tun wollen – Sport, in der Natur sein, Kameradschaft, Verantwortung –, und gehen, weil der Schein eben trügt.

Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Sie müssen sich einmal anschauen, was das Bundesheer in den letzten Jahren auf dem Donauinselfest geliefert hat – ich möchte das erwähnen, weil es eine sehr positive Öffentlichkeitsarbeit war –: Escape-Rooms, Sportinseln, Konzerte. Das war kreativ, auch professionell und modern (Beifall der Abg. Neßler [Grüne]), und das kann man schon lobend erwähnen. Bestimmt hat das auch den einen oder anderen Menschen überzeugt, sich das anzuschauen und zum Bundesheer zu gehen. Viele Menschen suchen ja Arbeit, und der öffentliche Dienst ist da nicht unbeliebt.

Junge Menschen rücken aber zum Grundwehrdienst ein und erleben dann die Realität – ich habe es Ihnen auch letztens gesagt –: brachliegende Kasernen, rostiges Wasser, Ratten, Unterkünfte wie in einem schlechten Film. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Tanner.) – Sie brauchen es nicht abzustreiten, Frau Ministerin, es ist so. Lesen Sie den Bundesheerbericht, den Beschwerdebericht (neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesministerin Tanner) – Sie können sich dann zu Wort melden –, es sind tatsächlich Realitäten. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer [ÖVP].)

Die Verbände sind mit Aufträgen überlastet und hanteln sich von einem Einrückungstermin zum nächsten. Unteroffiziere erzählen, dass die Ausbildung eines Vollkontingents bei ihnen mittlerweile keine Kompanieaufgabe, sondern ein Bataillonsvorhaben sei. Gleichzeitig schicken wir nach wie vor Hunderte Soldatinnen und Soldaten als Hilfspolizei an die Grenzen, für zig Millionen Euro, die dem Innenminister zuzuordnen wären. Warum investieren wir das Geld nicht in die Attraktivierung des Soldatenberufs, Frau Ministerin? Das könnten Sie auch Ihren Kollegen Karner einmal fragen: warum das Bundesheer jetzt plötzlich zahlt und nicht mehr er. Das ist auch so ein Punkt. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Tanner.)

Sie könnten auch erklären, warum Sie nicht endlich einmal die Gehälter der Grundwehrdiener auf den Mindestlohn erhöhen. (Bundesministerin Tanner: ... zehn Jahren ...!) – Ja, wir haben gemeinsam erhöht, aber wir wollten immer den Mindestlohn. Frau Ministerin, der Mindestlohn wäre auch das, was sich die Grundwehrdiener eigentlich verdient hätten. (Beifall bei den Grünen.)

Solange das Gehalt nicht stimmt, brauchen wir auch nicht über eine Verlängerung der Wehrpflicht zu diskutieren. Ich glaube, das wäre das Mindeste: Schauen Sie einmal, dass wir dort hinkommen, dann können wir auch einmal über die Wehrpflicht diskutieren!

Ja zu einem starken Bundesheer, Ja zu einer modernen, solidarischen Landesverteidigung und Ja zu einer Verteidigungspolitik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt – und wir brauchen jetzt auch eine klare Botschaft, nämlich für die junge Generation, für die Grundwehrdiener, die jetzt nachkommen: Wenn du heute zum Bundesheer gehst, dann bekommst du keine schreienden Ausbilder, keinen unnötigen Anpfiff, keine Zeitverschwendung in heruntergekommenen Kasernen, sondern Ausbildung, Perspektive, Verantwortung und Wertschätzung von einer Gesellschaft, die hinter dir steht. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

23.14

Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Tanner. – Bitte, Frau Bundesministerin, Sie gelangen zu Wort.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.