RN/10

Anfrage 35/M

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir haben derzeit weltweit einige Hotspots, Brennpunkte, viele sind heute auch schon zur Sprache gekommen. Für Österreich aber ganz essenziell, da wir mitten in Europa auch zu Hause sind:

Wie gestalten Sie die Beziehungen und die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarstaaten?, was ja auch sehr, sehr wesentlich ist. 

Die schriftlich eingebrachte Anfrage hat folgenden Wortlaut:

„Nachbarschaftspolitik und regionale Zusammenarbeit werden in Zeiten wie diesen immer wichtiger: Wie gestalten Sie die Beziehungen zu den Nachbarstaaten?“

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Frau Bundesminister. 

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, die sind uns natürlich ein besonderes Anliegen, die guten Beziehungen und die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn. Das ist natürlich gerade auch in Zeiten geopolitischer Unsicherheit ganz besonders wichtig. Nachbarschaft und regionale Kooperation sind daher eine Toppriorität meines Hauses – vielleicht lassen Sie mich das sagen –, auch, wenn sozusagen die nachbarschaftlichen Beziehungen nicht immer ganz leicht sind. Gerade dann bin ich überzeugt davon, dass man im Dialog bleiben muss, weil man unter Freunden viel leichter die Themen ansprechen kann, die man doch deutlich anders sieht als der Nachbar. 

Ich habe bis jetzt vier Nachbarstaaten bilaterale Besuche abgestattet – ich war in der Schweiz, ich war in der Slowakei, ich war in Tschechien und ich war in Italien –, ich habe mich darüber hinaus mit der slowenischen Außenministerin in Wien getroffen, ich habe die liechtensteinische Außenministerin in Wien empfangen und gestern eben zum ersten bilateralen Besuch auch den neuen deutschen Außenminister. Ja, es fehlt mir jetzt Ungarn; mit dem ungarischen Außenminister bin ich aber in einem laufenden Kontakt, auch telefonisch, auch zu heiklen Themen. Da war ein Besuch vorgesehen, den musste ich leider aus familiären Gründen verschieben, aber wir arbeiten an einem neuen Termin. 

Wir haben auch Formate, denen wir uns weiter widmen wollen. Es gibt zum Beispiel das Central-Five-Format, das sogenannte Slavkov-Drei-Format, die Trilaterale, die Gruppe der deutschsprachigen Länder. Wir haben im Rahmen der Central Five – das ist Österreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien – für den 11.9. ein Treffen in der Slowakei vorgesehen, und bei Slavkov Drei waren wir gerade in der Abstimmung, da ist nämlich der Vorsitz auf die Slowakei übergegangen. Auch da sind wir bemüht, bald ein Treffen zu haben. Der deutsche Außenminister und ich haben gestern vereinbart, dass wir jetzt die Details ausarbeiten, dass wir auch zukünftig ein bilaterales Format haben werden, weil wir gesehen haben: In vielen politischen Fragen sind eigentlich Deutschland und Österreich – das wird zwar als selbstverständlich angenommen – eigentlich nicht gut genug abgestimmt, und das wollen wir in Zukunft verbessern. 

Ich möchte noch ein anderes Nachbarschaftsthema erwähnen: Südtirol. Das ist uns sehr, sehr wichtig, das nimmt auch einen wichtigen Platz ein. Ich habe am Dienstag in Rom die Gelegenheit gehabt, mich mit Südtiroler SVP-Abgeordneten zu treffen, weil die Frage des Südtiroler Autonomiestatuts, das ja auch mit großer Mehrheit vom Landtag – es gab keine richtige formale Zustimmung, aber – unterstützt wurde und wirklich endlich auch eine deutliche Verbesserung der Autonomie Südtirols bringen würde, gerade den Weg im italienischen Parlament durchläuft, hoffentlich gut durchläuft. Ich habe mich da ausgetauscht, weil es uns ein großes Anliegen ist und damit wir auch schauen, dass dieses Autonomiestatut bis 2027, bis Neuwahlen in Italien sind, auch wirklich abgeschlossen ist, sonst müsste der ganze Prozess von vorne begonnen werden. (Beifall des Abg. Oberhofer [NEOS].)

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zusatzfrage?

RN/10.1

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Österreich war und ist auch ein verlässlicher und stabiler Partner der Westbalkanstaaten, vor allem auch, was die europäische Integration betrifft. Welche Schwerpunkte werden derzeit in der bilateralen Zusammenarbeit mit den sechs Westbalkanstaaten Ihrerseits gesetzt? 

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Frau Bundesministerin. 

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Die EU-Integration der Westbalkanstaaten ist ein ganz wichtiges Anliegen Österreichs – zum einen politisch, weil ich es für wichtig erachte, dass wir diese Länder in die Europäische Union holen, wir sind nicht komplett ohne sie, es ist auch die Chance auf eine Stabilisierung in der Region, auf wirtschaftlichen Wohlstand, Aufschwung und letztlich auch auf Freiheit und Sicherheit. Das ist auch mir besonders wichtig, weil mir diese sicherheitspolitischen Überlegungen so wesentlich scheinen. Jeder muss sehen, dass ein Vakuum, das entsteht, gefüllt wird, und es wird von Ländern gefüllt, von denen wir es nicht wollen: dann ist Russland dort, dann ist China dort. Das passiert schon, das ist nicht in unserem Interesse. Darüber hinaus gehört Österreich in sämtlichen Staaten des Westbalkans zu den größten Investoren, das heißt, wir haben ein Interesse an Rechtsstaatlichkeit, am Binnenmarkt, auch an europäischen Gateway-Projekten dort, an einem besseren Austausch et cetera. 

Wir müssen die Region einbeziehen, und ich glaube, da hat in der Vergangenheit – und ich sage das jetzt ganz offen – auch die Europäische Union nicht immer alles richtig gemacht. Diese Prozesse dauern bisweilen schon 20 Jahre – 20 Jahre, in denen man eine Art Karotte vorgehalten hat, und es gibt viele Länder, die wirklich hervorragende Fortschritte gemacht haben. Ich werde nächste Woche Montenegro bereisen – ich glaube, mein viertes Westbalkanland; sukzessive möchte ich in alle reisen. Montenegro hat sich als Ziel gesetzt, wirklich 2028 beizutreten. Die sind wirklich gut unterwegs, genauso wie Albanien wirklich gut unterwegs ist. 

Ich habe das Gefühl, wir verlieren ein bisschen die Bevölkerung, deshalb auch unser Ansatz der graduellen Integration, und übrigens auch ein Streamlinen des Erweiterungsprozesses. Bei jeder Eröffnung eines neuen Clusters, bei jedem technischen Detailkapitel braucht es Einstimmigkeit, das halte ich nicht für sinnvoll. Es ist das wichtigste geostrategische Instrument, das wir als Europäische Union haben, daher auch das Streamlinen des Erweiterungsprozesses und diese graduelle Integration, die es ermöglicht, bei Fortschritten auch entsprechende Vorteile der EU für die Bevölkerung vor Ort schon sichtbar zu machen. Aber ich kann Ihnen versichern, das wird ein großer Schwerpunkt meiner Arbeit bleiben, und ich habe große Ambitionen, das auch noch zu intensivieren. 

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Eine Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Weinzierl, bitte schön. 

RN/10.2

Abgeordneter Maximilian Weinzierl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Außenministerin, gerade in der Nachbarschaftspolitik wird eine engere Zusammenarbeit mit unseren Nachbarstaaten ja auch immer wichtiger, gerade auch in der Frage Sicherheit und Migration. Aktuell fordern neun EU-Mitgliedstaaten – darunter auch Österreich – in einem gemeinsamen Schreiben an den Europarat eine Neubewertung der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere hinsichtlich der Abschiebungen von kriminellen und nicht schutzbedürftigen Drittstaatsangehörigen. 

Es gab ja auch den Antrag von Frau Abgeordneter Susanne Fürst im Ausschuss, der genau das thematisiert hat. Da diese Problematik bezüglich der Rückführung trotz neuer EU-Vorschläge oft an einer – ich sage – restriktiven Auslegung der EMRK scheitert, ist hier die Frage: 

Wie wollen Sie mit unseren Nachbarstaaten dafür sorgen, dass die gemeinsame Forderung nach einer neuen Auslegung der EMRK auch tatsächlich in die EU-Verhandlungen einfließt, damit Abschiebungen Drittstaatsangehöriger mit nicht gültigem Aufenthaltstitel sowie krimineller Schutzsuchender endlich leichter möglich werden? 

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Frau Bundesminister. 

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, danke für Ihre Frage. Ich glaube, das haben Sie jetzt ein bisschen sozusagen in die Nachbarstaaten reingeschummelt, weil das nicht unmittelbar damit zu tun hat. Wo Sie aber natürlich recht haben, ist, dass wir mit den Nachbarstaaten, gerade auch mit den Staaten des Westbalkans, sehr intensiv zusammenarbeiten, was das Schließen von Fluchtrouten angeht. Das tun wir schon seit vielen Jahren, und man muss da immer wieder – ich habe mich vor Kurzem mit einem Frontex-Beamten unterhalten – nachjustieren. Österreich unterstützt das, das österreichische Innenministerium unterstützt das und wir haben starke Partnerschaften im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und in der Zusammenarbeit bei Sicherheitsfragen. Daher ja, die Nachbarstaaten sind da wichtig. 

Das von Ihnen angesprochene Schreiben Österreichs – nun ja, es geht um Folgendes: Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass die österreichische Bevölkerung, die europäische Bevölkerung sagt: Wir wollen nicht mehr diese Situation, dass wir das Gefühl haben, da ist jetzt illegale Migration, und das überfordert uns und das ist nicht geordnet! Das muss gestoppt werden. – So einfach ist es aber nicht, man muss dafür wirklich hart auf ganz vielen Feldern arbeiten. 

Ein Thema wird immer wieder angesprochen, das ist die Frage der Rückführung von straffällig gewordenen Asylwerbern. – Sehen Sie, ich glaube, die Bevölkerung kann das nicht nachvollziehen, dass das hier aufgrund des Rechtsrahmens nicht so einfach möglich ist. Natürlich ist es gut, dass es einen Rechtsrahmen gibt, der Menschenrechte schützt – ich glaube, davon leben wir alle, das ist genau dieser Raum der Freiheit, dass wir geschützt sind, auch in einer Freiheit vom Staat, durch Menschenrechte, durch Grundrechte –, aber natürlich brauchen wir einen praktikablen Rechtsrahmen, der es auch den Nationalstaaten ermöglicht, die Hoheit über die Frage zu behalten: Wem gewähre ich Asyl?, und wenn jemand straffällig geworden ist: Kann ich diese Person auch abschieben? So verstehe ich diesen Brief.

Ich kann Ihnen meine persönliche Sicht dazu sagen: Ich glaube nicht, dass man die Europäische Menschenrechtskonvention infrage stellen muss, und man soll das auch nicht, weil sie eine zivilisatorische Errungenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg war und es wie gesagt letztlich um unser aller Freiheit geht.

Woran ich aber glaube, ist, dass Politiker in der Verpflichtung sind, an einem entsprechenden Rechtsrahmen zu arbeiten, der diese Ordnung in Migrationsfragen ermöglicht, und das ist eine Aufgabe der Europäischen Union. Sie wissen, dass mit dem Migrationspakt, der nächstes Jahr in Kraft treten wird, ein erster Schritt gemacht wurde, mit raschen Verfahren an der Außengrenze, Sicherung der Außengrenzen et cetera. Ich bin davon überzeugt, dass die Arbeit an einem weiteren Rechtsrahmen weitergehen muss. Wir brauchen einen soliden Rechtsrahmen, der es letztlich auch Gerichten ermöglicht, entsprechend frei zu entscheiden, aber eben auch mehr Möglichkeiten bietet, illegale Migration zu bekämpfen und Rückführungen durchzuführen.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen zur Anfrage 38/M von Frau Abgeordneter Wieninger. – Bitte, Frau Abgeordnete.