RN/11

Anfrage 38/M

Abgeordnete MMag. Pia Maria Wieninger (SPÖ): Danke, Herr Präsident. – Geschätzte Frau Außenministerin, Sie haben ja vorhin schon ausgeführt, dass Sie vor Kurzem den Nahen Osten besucht haben und dass Sie gestern auch die Außenminister Deutschlands und Israels zum Austausch empfangen haben. Wie ich vernommen habe, werden Sie sich ja auch künftig regelmäßig in diesem sogenannten Wiener Trialog austauschen, was wir sehr begrüßen. Daher möchte ich Sie fragen:

„Welche Möglichkeiten sehen Sie, von Seiten Österreichs und der anderen EU-Mitgliedstaaten der Forderung nach Beendigung der humanitären Krise in Gaza und der Einhaltung des humanitären Völkerrechts mehr Nachdruck zu verleihen?“

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, danke sehr für die Frage! Ich glaube, wir haben gezeigt, dass wir im Wege des Dialogs – des sehr ernsthaften Dialogs, aber unter Freunden –, sehr viel erreichen können. Ich gebe Ihnen völlig recht: Wir sind dem humanitären Völkerrecht verpflichtet, und wir sehen es auch als unsere Verpflichtung, alles in unserer Macht Stehende zu tun, damit wir diese untragbare humanitäre Situation in Gaza deutlich verbessern. Israel muss die Verteilung von Hilfsgütern in Gaza – auch im Einklang mit humanitären Grundsätzen und meines Erachtens auch gemeinsam mit Hilfsorganisationen, die das können, die das auch nach Prinzipien tun, die wir für wichtig erachten – durchführen und vor allem auch die Mengen deutlich erhöhen.

Ich habe nicht einer Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit Israel zugestimmt. Für unsere Zuschauer: Es gibt ein Abkommen zwischen der EU und Israel, und es gab eine Diskussion – ehrlich gesagt nicht mehrheitlich, aber von ein paar Mitgliedstaaten angetrieben –, dass wir das jetzt aussetzen, um so Druck auf Israel aufzubauen. Ich glaube nicht, dass das der Weg ist. Ich glaube, der Weg ist, die Gesprächskanäle offenzuhalten, und deshalb bin ich hingefahren, denn es reicht nicht aus, in Wien oder in Brüssel betroffen zu sein, sondern man muss auf diplomatischem Wege, auch sehr ernsthaft, sagen: So geht es nicht, es belastet die Beziehungen, und wir können nicht zuschauen, wie diese humanitäre Lage in Gaza weiter besteht.

Es war dann übrigens auch der Fall, dass die EU einen sehr strukturierten Dialog mit Israel geführt hat, sozusagen unter der Aufsicht von Außenbeauftragter Kaja Kallas, und ich finde das großartig. Gestern ist auch bekannt geworden, dass es eine Einigung zwischen der EU und Israel gegeben hat, und der israelische Außenminister hat mich darüber unterrichtet, dass letztes Wochenende ein Beschluss des israelischen Kabinetts erfolgt ist, nach dem eben die Mengen jetzt deutlich erhöht werden – es ist ja wirklich so, dass das einfach zu wenig ist –, mit mehr Partnern, die das können – insbesondere World Food Programme wird da immer wieder genannt –, gearbeitet wird, es deutlich mehr Verteilzentren geben muss, weil diese vier einfach nicht ausreichend sind, und auch die Sicherheitslage rund um diese Verteilzentren verbessert wird. Ich glaube, es geht auch um die Wiederherstellung von Infrastruktur, und auch gestern kam die Meldung, dass jetzt auch Benzin wieder nach Gaza geliefert wird.

Ich glaube, da sind wirklich Fortschritte passiert. Wichtig ist, dass wir jetzt auf diesem Weg bleiben, dass wir alles daran setzen, zu unterstützen, dass es einen Waffenstillstand mit der Hamas gibt, dass die Hamas die Geiseln freilässt und dass es dann auch einen politischen Prozess zur Zukunft von Gaza gibt. Wir haben da klare Vorstellungen – die können wir jetzt vielleicht nicht so im Detail ausführen, aber da gibt es einen guten arabischen Plan, der als Grundlage dient –, und wir werden so eben weitere Schritte gehen, um vor allem auch der palästinensischen Bevölkerung in Gaza Perspektiven zu bieten.

Eines habe ich noch vergessen: Wir selber haben Ende Juni über den AKF, über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, 3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ich habe mir das in Ägypten auch angeschaut, gemeinsam mit dem Ägyptischen Roten Halbmond: Das ist ein wirklich sehr beeindruckendes Zentrum, wo eigentlich die gesamte Koordination der Hilfe über den Süden, von Ägypten über Rafah nach Gaza, erfolgt – die stehen bereit. Ich höre, dass auch die Route aus Ägypten wieder geöffnet wird, und das ist eine sehr, sehr positive Nachricht.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zusatzfrage?

RN/11.1

Abgeordnete MMag. Pia Maria Wieninger (SPÖ): Vielen Dank – vielen Dank auch für Ihr Engagement und Ihre Bereitschaft, immer diesen aktiven Dialog zu führen! Sie hatten bei Ihrem Besuch im Nahen Osten ja auch ein Treffen mit der Außenministerin der Palästinensischen Autonomiebehörde. Wie schätzen Sie nach Ihrem Besuch die Situation im Westjordanland ein, insbesondere was den angekündigten weiteren Ausbau israelischer Siedlungen betrifft?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, wir sind da sehr klar: Für uns ist das weitere Vorantreiben von Siedlungen ganz klar nicht mit dem Völkerrecht vereinbar, und das ist etwas, das ich regelmäßig – auch gestern – unseren israelischen Partnern gegenüber sehr klar zum Ausdruck bringe. Warum? – Weil es letztlich immer mehr den Weg zu einer Zweistaatenlösung erschwert, an der wir als Österreich aber festhalten – nicht nur Österreich; ich habe gestern auch mit meinem deutschen Kollegen darüber sprechen können: Auch die deutsche Bundesregierung sieht diese politische Vision der Zweistaatenlösung nach wie vor als das Ziel.

Darüber hinaus sind wir sehr beunruhigt, was die Gewalt von einzelnen radikalen Siedlern angeht. Wir haben in der Europäischen Union schon vor einiger Zeit begonnen, radikale Siedler zu sanktionieren. Österreich möchte da auch weitere Schritte machen. Ich müsste genau nachlesen, wie viele es sind, aber es gibt sozusagen eine Listung von Einzelpersonen und Organisationen und übrigens auch endlich eine Sanktionierung der Hamas. Beides scheitert im Moment am Veto von Ungarn, was ich absolut nicht nachvollziehen kann, weil wir damit natürlich sehr unmissverständlich zum Ausdruck brächten, dass wir mit dem, was im Westjordanland passiert, nicht einverstanden sind. Ich hoffe, dass es da in der Zukunft Bewegung geben wird.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Minnich.

RN/11.2

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Danke, Herr Präsident. – Geschätzte Frau Bundesminister, der Iran spricht ja dem Staat Israel das Existenzrecht ab und strebt nach Atomwaffen. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage im Atomstreit?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es ist nicht in unserem Interesse und wäre auch eine Gefahr für unsere eigene Sicherheit, wenn der Iran Atomwaffen hätte – also das ist einmal völlig klar. Der Iran darf keine Nuklearwaffen haben, das ist für uns völlig klar. Für uns ist aber auch völlig klar, dass wir den Weg zu einer Lösung nur in der Diplomatie und in einem verhandelten Abkommen sehen. Ich habe auch dem iranischen Außenminister Araghtschi, mit dem ich im Zuge meiner Nahostreise telefoniert habe, lange zum Ausdruck gebracht, dass wir jeden Weg der Verhandlungen unterstützen.

Jetzt ist sozusagen die Sichtweise des Iran, nicht sie haben die Verhandlungen verlassen, sondern die Amerikaner haben die Verhandlungen verlassen. Ich glaube aber, gerade in solchen Situationen bringt es nichts, immer in die Vergangenheit zu schauen – wir müssen in die Zukunft schauen. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde und vor allem auch das Nichtaufkündigen des Atomwaffensperrvertrages. Da war ich sehr klar: Der Iran muss weiter zusammenarbeiten. Ja, sie haben jetzt diesen Beschluss gefasst, aber ich würde da jetzt noch nicht alle Hoffnung aufgeben, weil das für mich auch ein wenig Leverage in Verhandlungen sein kann.

Wir tun alles, um Verhandlungen zu unterstützen, um auf diplomatischem Wege Brücken zu bauen, und haben auch Wien als Ort der Verhandlungen angeboten.

Die letzten Verhandlungen zum Irannuklearabkommen haben ja auch in Wien stattgefunden. Warum? – Weil ja bei uns auch die Atomenergiebehörde sitzt. Und ja, der Iran muss mit der Atomenergiebehörde zusammenarbeiten, weil wir alle miteinander eigentlich nicht wissen, was jetzt vor Ort genau Sache ist: Wir wissen nicht, was genau beschädigt worden ist, wie viel angereichertes Uran es noch gibt, wie die Zentrifugen beieinander sind, wie schnell die Wiederaufnahme eines Waffenprogramms möglich wäre. Das ist ja immer die Frage: Der Iran möchte zivil nutzen, dann braucht er aber nicht auf 60 Prozent angereichertes Uran. Das ist natürlich nicht mehr mit zivilen Zwecken erklärbar. 

Um all diese Fragen zu klären, brauchen wir die Atomenergiebehörde vor Ort und eine Zusammenarbeit. Ich bleibe dabei – ich habe mich gestern auch mit dem deutschen Außenminister besprochen –: Es führt kein Weg an einer verhandelten Lösung vorbei. (Abg. Minnich [ÖVP]: Danke!)

RN/11.3

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Danke. – Bevor wir zur nächsten Anfrage kommen: Frau Bundesminister, wir haben an sich das Zeitkorsett – ich würde sagen, aber nicht seitens der Abgeordneten – relativ stark überzogen. Vielleicht bei den letzten Fragen noch ein bisschen auf die Zeit achten. (Ruf bei der SPÖ: Das ist sehr diplomatisch formuliert!)

Wir kommen jetzt zur Anfrage 33/M, jener des Abgeordneten Ranzmaier. – Bitte, Herr Abgeordneter.