RN/13
Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Danke, Herr Präsident! Frau Bundesminister! In aller Kürze: Am 1. Juli wurde ja die EU-Ratspräsidentschaft von Polen an Dänemark übergeben. Das Trio ist jetzt Polen, Dänemark, Zypern. Sie befassen sich vorrangig mit den Themen Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Schutz der Demokratie.
Jetzt würde ich gerne von Ihnen wissen: Wie bewerten Sie diese Schwerpunkte? Aber auch: Die Polen haben ihre Ratspräsidentschaft rückblickend so zusammengefasst: herausfordernd, aber erfolgreich. Was wäre denn in Ihren Augen ein Erfolg der Ratspräsidentschaft von Dänemark?
Die schriftlich eingebrachte Anfrage hat folgenden Wortlaut:
„Das aktuelle Vorsitz-Trio Polen, Dänemark und Zypern befasst sich vorrangig mit den Themen Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und dem Schutz der Demokratie in Europa: Wie bewerten Sie diese Schwerpunkte?“
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Frau Bundesminister.
Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Ja, also aus meiner Sicht haben die Polen wirklich einen erfolgreichen Vorsitz geführt und natürlich ein wichtiges Thema aufgespielt, das uns weiter beschäftigen wird, nämlich die Frage der Sicherheit in Europa. Ich finde es aber auch sehr gut, dass die dänische Ratspräsidentschaft jetzt neben der Verteidigungsfähigkeit und der Frage, wie wir unseren Frieden sichern werden, vor allem auch einen Schwerpunkt auf die Frage der Kombination zwischen Wettbewerbsfähigkeit auf der einen Seite und aber auch Green Deal und Kampf gegen den Klimawandel auf der anderen Seite setzen wird.
Das ist etwas, das ich für richtig erachte. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Wir nicht!) Der ideologische Zugang auf Kosten von Wachstum, den wir in der Vergangenheit manchmal gesehen haben, führt uns nicht in eine gute Zukunft. Es muss eine Kombination aus wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit, Wachstumschancen, auch Chancen für unsere Industrie und gleichzeitig auch dem Kampf gegen den Klimawandel durch Innovationen et cetera sein. Ich glaube, da ist auf die Dänen wirklich Verlass, weil sie auch einen sehr pragmatischen Zugang haben, die Sache sehr professionell erarbeiten.
Ein Thema, das uns beschäftigen wird, ist der Abbau bürokratischer Hürden. Das beschäftigt uns auch in Österreich. Die Vereinfachung, die Deregulierung muss weiter vorangetrieben werden – das wäre auch ein Erfolg, wenn das weiterginge – und die Vollendung des Binnenmarktes. Ich halte auch für ganz wichtig – weil das vorhin im Zusammenhang mit dem mehrjährigen Finanzrahmen schon angesprochen wurde –, dass wir deutlich stärker die Mobilisierung von privatem Kapital ermöglichen. Das ist natürlich gerade auch durch eine weitere Vollendung des Binnenmarktes möglich.
Ein Letztes noch, weil ich auch von der Sicherheit gesprochen habe: Ich glaube, es geht auch darum, die europäische Wertegemeinschaft zu wahren. Da sind Initiativen wie der europäische Demokratieschild, die Förderung digitaler Kompetenz, die Sicherung eines starken Rahmens für freie und vertrauenswürdige Medien oder auch der Kampf gegen Desinformation und ausländische Einmischung etwas ganz Entscheidendes, und da erwarte ich mir auch Fortschritte.
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Eine Zusatzfrage?
RN/13.1
Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Vielen Dank, Frau Bundesminister. Der Europäische Rat hat im Dezember 2023 Georgien unter gewissen Bedingungen den Beitrittstatus, den Kandidatenstatus verliehen. Jetzt ist der georgische Premierminister sehr weit von Europa weggerückt, hat auch gesagt, er möchte diesen Beitrittsprozess bis 2028 stoppen. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Darf der das?) Er will auch kein Geld mehr aus der Europäischen Union und er geht ganz hart gegen die Opposition vor; schon seit Monaten, aber ganz verstärkt noch einmal in den letzten Wochen sehen wir Verhaftungen von Oppositionspolitikern.
Wie bewerten Sie die Lage der Innenpolitik in Georgien?
Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Georgien macht bedauerlicherweise derzeit massiv Rückschritte und nicht Fortschritte, und das natürlich auch und gerade in der Frage des Beitrittsprozesses. Da sehen wir eigentlich keinerlei Aktivitäten, die das in irgendeiner Weise verbessern oder ermöglichen. Ganz im Gegenteil, Sie haben völlig recht: Eine zunehmende Repressionswelle, Einschränkung der Meinungsfreiheit, die NGO-Gesetze, die da geplant sind, das alles ist für uns so nicht akzeptabel. Ich habe das auch der georgischen Außenministerin sehr unmissverständlich gesagt, als sie zu Besuch bei der OSZE in Wien war. Deshalb sind wir auch sehr konstruktiv, was weitere Maßnahmen der EU angeht, etwa auch Sanktionen.
Gleichzeitig ist es mir aber wichtig, dass wir mit der georgischen Bevölkerung, die mehrheitlich proeuropäisch ist, weiter in einem guten Dialog bleiben. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Wenn sie das wären, hätten sie nicht den Ministerpräsidenten gewählt! Das ist Demokratie!) Georgien ist natürlich schon in einer Situation, dass die Russen ihnen nicht nur im Nacken, sondern auch im eigenen Land sitzen. Das heißt, es ist nicht in unserem Interesse, jetzt die Bande zu kappen und damit auch die proeuropäische Bevölkerung dort im Stich zu lassen. Das ist unser Zugang in Österreich. Wir diskutieren das auch regelmäßig in Brüssel beim Rat der Außenminister. Ich glaube, wichtig wird sein, dass wir uns überlegen, wie wir zukünftig ganz gezielt mit der Bevölkerung dort arbeiten können und nicht mit der Regierung.
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Oberhofer, bitte.
RN/13.2
Abgeordneter Dominik Oberhofer (NEOS): Sehr geehrte Frau Außenministerin! Jetzt haben wir Sie in dieser Aussprache zwei Stunden lang wirklich in die Mangel genommen und sehr, sehr viel von Ihnen erfragt. Wir waren auch mit sehr unangenehmen Themen konfrontiert und haben eigentlich gesehen, dass die Sicherheit in Europa massiv bedroht ist und dass wir vor unfassbaren Herausforderungen stehen.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie persönlich jetzt fragen, wie Sie den polnischen Ratsvorsitz vor allem im Hinblick auf die Initiative Rearm Europe 2030 beurteilen?
Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Danke, Herr Abgeordneter. Nun, ich habe es eh vorhin schon gesagt: Ich sehe es positiv. Europa hat seit dem Beginn des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine so etwas wie eine kalte Dusche erlebt. Wir haben feststellen müssen, dass vieles, an das wir geglaubt haben, keine Gültigkeit mehr hat, und wir können nicht weiter die Energieversorgung auf der einen Seite ganz an Moskau auslagern, Lieferketten an Peking auslagern und alle unsere Sicherheits- und Verteidigungsfragen eigentlich von Washington erledigen lassen. Das heißt, die Frage der Stärkung der Autonomie Europas ist etwas, das unendlich wichtig ist, und ebenso die Verteidigungsfähigkeit – nicht, um Krieg zu führen, sondern ganz im Gegenteil: um Frieden zu sichern.
Denn das Wesen von Verteidigungsfähigkeit, der Sinn des Ganzen ist es ja, und deshalb unterstützen wir auch die Readiness 2030 – über den Namen Rearm kann man diskutieren, aber natürlich bedeutet es auch, mehr für unsere militärischen Fähigkeiten auch in Österreich zu tun und ins Bundesheer zu investieren –, ein unmissverständliches Zeichen an die ganze Welt zu geben: Wagt es nicht, uns anzugreifen! Das ist einfach der wesentliche Schutz, den wir unseren europäischen Bürgerinnen und Bürgern, den Österreicherinnen und Österreichern und auch unseren Kindern für die Zukunft geben müssen. Deshalb unterstützen wir das und sind als Österreich – das habe ich in den ersten Wochen der Regierungsarbeit auch sehr stark vorangetrieben – ein verlässlicher Partner bei dem Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion.
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Hanel-Torsch. – Bitte schön.
RN/13.3
Abgeordnete Mag. Elke Hanel-Torsch (SPÖ): Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte zum Schluss noch den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan ansprechen. Die EU hat ja ein starkes Interesse an einem Normalisierungsprozess zwischen diesen beiden Ländern. Dänemark hat das ja auch in sein Programm für den Ratsvorsitz 2025 aufgenommen. Es geht da auch um völkerrechtliche Aspekte, insbesondere um die territoriale Integrität und das Selbstbestimmungsrecht. Das ist uns als Sozialdemokratie natürlich immer ein großes Anliegen.
Meine konkrete Frage: Welche Möglichkeiten sehen Sie seitens der österreichischen Außenpolitik, einen Beitrag dazu zu leisten?
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Frau Bundesminister.
Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Schon lange liegt unser Fokus auf der Unterstützung einer nachhaltigen Konfliktbeilegung in dieser Region und letztlich auf Frieden zwischen Armenien und Aserbaidschan. Wir haben es daher sehr begrüßt, dass es Mitte März eine Einigung auf einen Vertragstext gegeben hat. Danach ist nicht so viel weitergegangen; gestern gab es aber ein Treffen zwischen dem armenischen Außenminister und Premierminister Nikol Paschinjan und dem aserbaidschanischen Präsidenten İlham Əliyev in Dubai mit dem Ziel, diesen Vertrag zu finalisieren. – So.
Jetzt sind weitere Forderungen von Aserbaidschan aufgetaucht: Das Wappen von Armenien – es zeigt den Berg Ararat – zu verändern, und sie beharren auch auf einer Verfassungsänderung in Armenien. Es gibt da noch weitere Fragen.
Ja, wir tun alles, um zu unterstützen, dass es da eine Einigung gibt, weil wir darin tatsächlich die einzige Chance sehen, wie wir dort Frieden und Stabilität herstellen können. Was tun wir? – Wir leisten unseren Beitrag im Rahmen der EU-Beobachtermission EUMA und mit der OSZE. Wir haben als Beitrag zur Sicherheit und Stabilität derzeit in dieser EU-Beobachtermission fünf Beobachter in Armenien vor Ort. Die OSZE ist für uns ja ein wichtiges Instrument. Und wir leisten auch mit der ADA einen Beitrag, so zum Beispiel 2023, 2024 mit 2 Millionen Euro für das Internationale Rote Kreuz zur Unterstützung der über 100 000 aus Bergkarabach geflüchteten Armenier.
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Danke.
Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, erkläre ich die Fragestunde für beendet. (Abg. Greiner [SPÖ]: Stunden! Das waren zwei Stunden! – Beifall bei ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen.)