RN/145

18.47

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin 43 Jahre alt, ich bin 1,95 Meter groß, bringe 120 Kilo auf die Waage, aber schön langsam kommt mir bei diesem Thema wirklich das Plärren!

Liebe Kollegin Giuliani, es tut mir leid, aber circa 98 Prozent Ihrer Rede waren inhaltlich falsch. Sie sind Abgeordnete hier im Hohen Haus, und wenn ich es der Parlamentswebsite richtig entnehme, sind Sie Psychotherapeutin. Ich würde Sie gerne etwas fragen: Dürfen Sie in dieser Profession Konversionstherapien anwenden? (Rufe bei der FPÖ: Sie ist schon ausgelastet! – Das ist keine Fragestunde! – Abg. Giuliani-Sterrer [FPÖ]: Soll ich zu Ihnen rauskommen und mit Ihnen sprechen?) – Nein, nur diese Frage beantworten: Dürfen Sie in Ihrer Profession Konversionstherapien anwenden? (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das wird jetzt vielleicht einige hier herinnen überraschen: Seit 29. Oktober 2019 sind im Gesundheitsbereich, im medizinischen Bereich und im therapeutischen Bereich Konversionstherapien – und ich sage ganz bewusst jetzt: Konversionstherapien – verboten! Es gibt eine Verordnung des Sozialministeriums aus der Zeit der Übergangsregierung, und ich bin sehr froh, dass es diese Verordnung gibt! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Abg. Brandweiner [ÖVP].)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, worüber reden wir jetzt und worum geht es? – Um das, was wir im Regierungsprogramm vereinbart haben: Es geht um das Verbot von Konversionstherapien, die Verschwörungstheoretiker, private Vereine, Privatpersonen, Sekten, fundamentalistische religiöse Gruppen anbieten, denn da liegt das wahre und wirklich gefährliche Problem! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Konversionstherapien sind hochgefährlich. Und damit Sie es sich bildlich vorstellen können: Sie kennen Bootcamps, wie sie zum Teil in den USA durchgeführt werden. Das haben wir auch in Europa und das haben wir auch in Österreich in Bezug auf dieses Thema. Da geht es um Gehirnwäsche und da geht es auch sinnbildlich darum, dass Menschen wie eine Sau durchs Dorf getrieben werden. Und diesen Praktiken, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir einen Riegel vorschieben! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Jetzt ein bissl Frage und Antwort, diese Zeit sei mir jetzt gestattet. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was sind Konversionstherapien? – Es handelt sich dabei um hochgefährliche unwissenschaftliche Praktiken, die vorgaukeln, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person verändern zu können. Das Verbot solcher Maßnahmen, das es in Deutschland und in vielen anderen Ländern mittlerweile gibt, untersagt solche Praktiken zum Schutz von Kindern und Jugendlichen.

Konversionstherapien sind – das wird ja leider ganz oft gesagt; um abzulenken, wird dieses Thema gerne mit anderen Fragen vermischt – Folgendes nicht: Es ist wichtig, dass allen Verantwortlichen bewusst ist, dass dieses Thema nichts mit dem oft geforderten Verbot von medizinisch nicht notwendigen OPs von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen zu tun hat und, liebe Kollegin Giuliani, nichts mit der Frage nach geschlechtsangleichenden Operationen, die ohnehin nur bei Volljährigen und nur nach einem langen, sehr strengen medizinischen Prozess erlaubt sind, zu tun hat. (Beifall bei SPÖ und Grünen. Abg. Martin Graf [FPÖ]: Du hast nicht zugehört! Abg. Giuliani-Sterrer [FPÖ]: Sie haben nicht zugehört!) 

Meine Damen und Herren, warum sind Konversionstherapien so gefährlich? – Sie sind unwissenschaftlich und sie haben langfristige negative Auswirkungen. Alle wissenschaftlichen Erhebungen zeigen, dass Konversionstherapiepraktiken die psychische Gesundheit von Opfern langfristig negativ beeinflussen. Laut einem UNO-Beauftragten sind Konversionspraktiken mit Folter zu vergleichen. (Abg. Reifenberger [FPÖ]: Eine schlechte Rede vor der Sommerpause!) 

Meine Damen und Herren! Mythos eins: Mit diesem Verbot sind keine Therapien mehr möglich, Therapeut:innen und Ärzt:innen werden kriminalisiert. – Das ist falsch. Ein Verbot von hochgefährlichen Konversionsmaßnahmen untersagt explizit keine medizinischen oder therapeutischen Interventionen und keine ergebnisoffenen Gespräche, Behandlungen et cetera. Dieser Mythos wird oft verbreitet, um Angst zu schüren.

Mythos zwei: Eltern werden durch ein Verbot von Konversionsmaßnahmen eingeschränkt. – Das ist falsch. Um vom notwendigen Schutz Minderjähriger vor diesen gefährlichen Praktiken abzulenken, wird dieses Argument häufig vorgebracht. Damit soll impliziert werden, dass Eltern zum Beispiel nicht mehr hinterfragen dürfen, wenn Kinder sich als trans identifizieren. Das ist grundlegend falsch.

Mythos drei, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es würde ausreichen, Konversionsmaßnahmen nur wegen der sexuellen Orientierung zu verbieten. – Auch das ist falsch. Die Fehlinformationen und Mythen von rechtsextremen und von fundamentalistischen Gruppen beziehen sich meist auf das Verbot solcher Praktiken wegen der Geschlechtsidentität beziehungsweise wegen einer Geschlechtsinkongruenz. Das ist Teil des globalen Kulturkampfs gegen die LGBTIQ-plus-Community-Rechte. Ein Verbot solcher Praktiken nur wegen der sexuellen Orientierung würde das Gesetz aber wirkungslos und missbrauchsanfällig machen. 

Um es vielleicht ein bisschen bauernschlau zu sagen: Stellen Sie sich einen schwulen Jugendlichen vor. Der wird dann eben nicht mehr geheilt, weil er schwul ist, sondern der wird dadurch geheilt, weil er vielleicht zu weiblich ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hätte einen Wunsch über den Sommer: Reden Sie einmal mit betroffenen Menschen! Reden Sie mit Expert:innen und reden Sie mit Menschen, denen diese Praktiken passiert sind! Aber bitte reden Sie nicht mit all diesen Verschwörungstheoretikern! Schönen Sommer! (Beifall bei SPÖ und Grünen.) 

18.53

Präsident Peter Haubner: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.