RN/3
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzplätzen.) Am 22. August 2025 verstarb Nationalratsabgeordneter außer Dienst Dr. Heinrich Neisser im Alter von 89 Jahren an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Viele hier – auch mich – verbinden trotz des Altersunterschieds noch persönliche Erinnerungen – ich möchte fast sagen: Eindrücke – an sein Wirken, vielleicht manche auch nur mehr von Fernsehübertragungen her, aus der parlamentarischen Zeit, aber vor allem auch aus Vorträgen, Diskussionen und persönlichen Gesprächen in seinem politischen – formulieren wir es vorsichtig – Ruhestand mit ihm.
Privat war er ein absoluter Familienmensch, musisch begabt – er war auch Pianist –, als Kind Zeuge im Erlebnis der Gräuel des Krieges und der Entbehrungen der Nachkriegszeit. Wir erinnern uns an einen messerscharfen Geist, den er – humanistisch gebildet – als herausragender Jurist vor allem im Bereich Verfassungs- und Verwaltungsrecht, als Beamter in der Wirtschaft und in der Wissenschaft und Lehre einsetzte, also in den unterschiedlichsten Feldern. Diese beruflichen Erfahrungen, verankert in einer Weltanschauung, sicherlich auch geprägt in seiner Studentenverbindung, der österreichischen katholischen Hochschulverbindung Rudolfina im ÖCV, gepaart mit einer brillanten Rednergabe waren wohl die Zutaten für eine steile Laufbahn in der Politik – und das in den Reihen der Österreichischen Volkspartei.
Von 1969 – also mit 33 Jahren – bis 1970 war er Staatssekretär im Bundeskanzleramt, von 1987 bis 1989 Bundesminister für Föderalismus- und Verwaltungsreform und in diesem Haus diente er unserer Republik Österreich von 1975 bis 1987 und von 1989 bis 1999 – also 22 Jahre – als Abgeordneter zum Nationalrat. Er bekleidete in seinen letzten Jahren im Nationalrat die Funktionen des Klubobmanns und bis zu seinem Ausscheiden das Amt des Zweiten Präsidenten des Nationalrates.
Zahlreiche Ehrungen wurden ihm zuteil, bemerkenswert daran ist: sowohl für politische als auch für wissenschaftliche Leistungen. Von letzteren kennen wir die zahlreichen Publikationen mit den unterschiedlichsten Zugängen: von der Verfassung zur Familie über die Landesverteidigung zur europäischen Integration, ja sogar die Bedeutung der Förderung von Lehrlingen im Berufs- und Bildungssystem war eines seiner Forschungsgebiete. Und so war es auch nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik: Er war in zahlreichen Institutionen vertreten, und das führend. Ich nenne als Beispiel das Institut für Höhere Studien, IHS.
In diesem Unruhestand nach 25 Jahren Spitzenpolitik durften wir ihn regelmäßig als Humanisten, leidenschaftlichen Europäer, als glühenden Patrioten in Rot-Weiß-Rot und ganz einfach als Mann mit Format erleben.
Die Republik Österreich ist ihm zu Dank verpflichtet. Der österreichische Nationalrat wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. (Die Anwesenden verharren einige Zeit in stiller Trauer.) – Ich danke für die Kundgebung. (Die Anwesenden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.