RN/20

10.17

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Allein der Titel dieser Aktuellen Stunde zeigt schon, worum es hier eigentlich geht, und die Diskussion hat es auch nicht besser gemacht: Es geht um reines Marketing. Die Regierung feiert sich mit einer sogenannten Aufholjagd ab, wobei wir bei der Elementarpädagogik nicht einmal vom Startblock weggekommen sind. Denn: Was ist die Realität? – Eltern suchen immer noch verzweifelt nach einem Kinderbetreuungsplatz, Kindergärten schließen zu Mittag, und im Sommer werden die Eltern ohnehin schon alleingelassen. (Abg. Shetty [NEOS]: Warum haben wir das noch nicht gelöst nach sechs Monaten? Das ist eine Frechheit eigentlich, das ist eigentlich unverschämt!)

Gleichzeitig – und da wird es jetzt absurd – lassen die Bundesländer zig Millionen an Geldern für den Ausbau der Kinderbetreuung liegen: Das sind Gelder, die wir unter grüner Regierungsbeteiligung – so viel zum Thema: was haben die Grünen gemacht? – aufgestellt haben (Beifall bei den Grünen) – so viel Geld wie noch nie –, die jetzt liegen gelassen werden. Und weil außer Ankündigungen nicht viel passiert, habe ich mir mittels einer parlamentarischen Anfrage die Ursachen angeschaut, und die Antwort ist wirklich vernichtend: Im Jahr 2023/24 wurden im bundesweiten Schnitt fast 40 Prozent der Gelder liegen gelassen. (Abg. von Künsberg Sarre [NEOS]: Da warts aber ihr in der Regierung!)

Das ist so, als ob – das muss man sich vorstellen – Ihnen jemand 33 Millionen Euro anbietet und Sie sagen: Nein danke, ich nehme nur 9 Millionen mit! (Abg. Kassegger [FPÖ]: Aber was eine Kofinanzierung ist, wissen Sie schon, oder?) Bundesländer wie Salzburg, Tirol und Kärnten haben mehr als die Hälfte liegen gelassen, was den Ausbau der Kinderbetreuung anbelangt, und trauriges Schlusslicht – weil die FPÖ gerade rausruft (Abg. Kassegger [FPÖ]: Kofinanzierung, Frau Kollegin!) – ist die FPÖ-regierte Steiermark mit über 73 Prozent. (Ruf bei der FPÖ: ... Halluzinationen! – Abg. Kassegger [FPÖ]: Wenn ich nix hab’, kann ich nicht kofinanzieren!) So viel zum Thema: Die FPÖ schaut auf die Menschen! – Interessieren tut Sie das Geld anscheinend nur, wenn es in die eigene Tasche wandert. (Beifall bei den Grünen.)

Was wir hier sehen, ist ein Chancenraub an Familien in Österreich. Sie haben keine Chance, Job und Familie unter einen Hut zu bringen. Und wir alle wissen ganz genau, was das bedeutet, vor allem für Frauen, die nicht Vollzeit arbeiten gehen können: dass sie von ihrem Partner abhängig gemacht werden und später in Altersarmut rutschen können. Das Denken, das da seit Jahrzehnten besteht, ist immer noch das gleiche: Die Mama wird’s schon richten, die Mama bleibt eh daheim! Aber damit muss Schluss sein. (Beifall bei den Grünen.)

Im Jahr 2025 darf es nicht sein, dass eine Frau nicht arbeiten gehen kann, nur weil ein Landeshauptmann oder ein Bürgermeister in einer Gemeinde es nicht für notwendig hält, eine ordentliche Kinderbetreuung auf die Beine zu stellen. Ich will auch nie wieder von einem ÖVP-Politiker hören, dass Frauen in unserem Land zu wenig Leistungsbereitschaft zeigen, wenn sie in ihren eigenen, ÖVP-geführten Bundesländern nicht in Vollleistung gehen. Wie soll eine Frau bitte Vollzeit arbeiten gehen können, wenn es keine adäquate Kinderbetreuung gibt? (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Lindner [SPÖ].)

Wenn die Bundesregierung – weil es jetzt angesprochen wurde – das zweite verpflichtende Kindergartenjahr als großen Wurf oder als Allheilmittel präsentiert, muss man dazusagen, dass wir da schon eine Deckung von 95 Prozent haben. Das heißt, es wird dadurch keinen einzigen zusätzlichen Betreuungsplatz geben, es wird keine einzige zusätzliche Stunde längere Öffnungszeiten geben, und auch die Arbeitsbedingungen der Pädagogen und Pädagoginnen werden sich um keinen Millimeter verbessern. Was wir jetzt brauchen, ist ein echter Ausbauturbo und keine Schlagzeilenjagd mit Weltrekorden im Ankündigen. 

Man muss ganz ehrlich sagen: Wenn die Länder es nicht hinbekommen, dann braucht es eben eine Verpflichtung auf Bundesebene. Wir sehen es in der Anfragebeantwortung ja schwarz auf weiß: Dort, wo es eine Verpflichtung gibt, passiert etwas; dort, wo es freiwillig passiert, passiert zu wenig. – Das kann es nicht mehr sein, das geht auf Kosten der Eltern.

Das heißt, was es jetzt dringend braucht, ist ein verpflichtender Ausbauplan für die Bundesländer inklusive Finanzierung, damit das nicht auf die Gemeinden abgewälzt werden kann – das kann es natürlich auch nicht sein –; längere Öffnungszeiten, damit wirklich einer Vollzeitarbeit nachgegangen werden kann, statt einer sinnlosen Teilzeitdebatte, mit der die Regierung nur vom eigenen Versagen ablenkt; und natürlich ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag (Beifall bei den Grünen), denn Eltern, liebe Kollegen und Kolleginnen, erwarten sich Lösungen und keine politischen Ausreden. 

Herr Minister, Sie wollen eine Aufholjagd? – Dann schauen Sie bitte, dass jede Familie 2025 einen Betreuungsplatz bekommt, und machen Sie Schluss mit Showpolitik und reinen Ankündigungen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.22

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.