RN/22

10.23

Abgeordnete Leonore Gewessler, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher heute hier auf der Galerie, aber natürlich auch zu Hause! Man hatte in den vergangenen Tagen und Wochen ein bisschen das Gefühl, über das EU-Klimaziel redet diese Bundesregierung nicht sehr gerne. Da hieß es, man stimme sich da noch ab, man sei noch nicht so weit, man habe noch keine Position, man sei eh dafür – alles normal, bitte weitergehen, nur nicht nachfragen, es gibt nichts zu sehen!

Dabei war es wirklich bemerkenswert, was da in Brüssel in den letzten Wochen hinter verschlossenen Türen debattiert wurde. Genau aus diesem Grund haben wir uns heute entschieden, dieses Thema hier im Plenum auf die Tagesordnung zu setzen: weil ich eben nicht der Meinung bin, dass da alles in Ordnung ist, und weil ich finde, die Österreicherinnen und Österreicher haben ein Recht darauf, zu erfahren, was da vonstattenging. (Beifall bei den Grünen.)

Ich finde, auch der Herr Vizekanzler hätte uns hier Antworten geschuldet – umso trauriger, dass er sich heute offenbar nicht hierherbewegt. (Abg. Darmann [FPÖ]: ... betäubt und im Wald ausgesetzt worden!) In der Zwischenzeit ist aber der Herr Minister gekommen, den ich hier gerne herzlich begrüßen möchte. Warum finde ich es so traurig, dass sich der Herr Vizekanzler nicht hierherbewegt? – Weil es darum geht, warum Ihre Partei – und ich schaue jetzt in die Reihen der SPÖ –, warum die SPÖ teilnahmslos zugeschaut hat, während die ÖVP in Brüssel wieder einmal Klimaschutzdemontage betrieben hat. Darum geht es heute bei dieser Aktuellen Europastunde, darum diskutieren wir heute darüber! (Beifall bei den Grünen.)

Es geht bei diesem Ziel nicht um irgendein Ziel; es geht um eine entscheidende Frage der Widerstands- und Wettbewerbsfähigkeit dieses Kontinents. Es ist doch eine unbestrittene Wahrheit: Was macht Europa stark? – Nicht die billigsten Produkte (Abg. Darmann [FPÖ]: Sicherlich nicht eure Politik!), nicht die, die auf Ausbeutung und Lohndumping basieren. Die besten Produkte machen Europa stark! (Abg. Schnabel [ÖVP]: Überbordender Klima...!) Und wir waren stolz darauf, dass wir die besten Produkte haben, dass wir vorne sind, dass wir moderne Fabriken haben, sichere Jobs, von denen Familien gut leben können. Wir waren vorne dabei, wir waren Taktgeber. 

Was ist dann passiert? (Abg. Darmann [FPÖ]: Ihr habts es zerstört!) – Betonpolitik auf der sozialdemokratischen Seite, Benzinpolitik bei der Volkspartei. Alle haben sich auf alten Erfolgen ausgeruht und die Zukunft verschlafen. Heute stehen wir in Europa dort, wo wir stehen: Wir sind bei den Zukunftsthemen nicht mehr ebenbürtig. Wir hinken hinsichtlich E-Auto hinterher, wir bauen keine Batterien mehr, wir bauen keine Solarzellen, betreffend Mikrochips ist uns der Rest der Welt davongerast. (Abg. Darmann [FPÖ]: Ich bin stolz auf meinen Diesel!) Statt wie früher die besten Produkte selber zu produzieren, sind wir abhängig von anderen Ländern. Das ist ein dramatischer Befund. Wir werden nicht wieder vorne sein oder zur alten Stärke zurückfinden, wenn wir uns in irgendwelche besseren Zeiten zurückträumen; ich höre ja die Zwischenrufe von der FPÖ.

Unsere wirkliche und starke und für diesen Kontinent vielleicht auch ein bisschen letzte Chance liegt darin, dass wir uns auf die alten Stärken konzentrieren, auf unsere wahren Stärken konzentrieren und schauen, dass wir vorne dabei sind – vorne dabei, wenn es um die Produkte geht, die die Wettbewerbsfähigkeit ausmachen, die grünsten Produkte, dass die Menschen auf unserem Kontinent gerne in klimafreundliche Betriebe gehen. Wir müssen, wir wollen da vorne bleiben. Wenn wir da nicht vorne bleiben und Takt geben, dann bestimmen wir nicht die Richtung. Genau darum ist dieses EU-Klimaziel so wichtig, denn da geht es genau um diese Klarheit; da geht es um die Klarheit, um die Verlässlichkeit, um die Richtung. Wenn man daran rüttelt, dann zerstört man Sicherheit, und zwar auch wirtschaftliche Sicherheit auf diesem Kontinent. (Beifall bei den Grünen.)

Genau nach dieser Richtschnur – genau nach dieser Richtschnur! – haben die Grünen in den letzten Jahren gehandelt, wir haben bei dieser Aufgabe Wort gehalten. (Zwischenruf des Abg. Schnabel [ÖVP].) Die Grünen haben bei dieser Aufgabe Wort gehalten, und kaum ist die aktuelle Koalition am Werk – sorry –, zerbröselt das Vertrauen. Kaum ist die aktuelle Koalition am Werk, zerbröselt nicht nur das Vertrauen, sondern es wird aktiv untergraben; eigentlich noch viel schlimmer: Es wird aktiv untergraben.

Ja, das haben Sie mit Ihrer Verzögerungspolitik in Brüssel gemacht, das ist das Ergebnis dieser Verzögerungspolitik. (Abg. Schnabel [ÖVP]: Was war 2020? 2020 war das gleiche Prozedere!) Es ist sehr schön, dass die ÖVP auf der Regierungsbank vertreten ist, weil die SPÖ-Kolleginnen und -Kollegen jetzt rauskommen und sagen werden: Ja, aber die ÖVP! – Ja, da bin ich bei Ihnen; ich habe es in den letzten fünf Jahren erlebt. Ja, von der ÖVP haben sich die meisten auf europäischer Ebene nichts anderes erwartet. Aber von der SPÖ! Von der SPÖ haben sich vielleicht viele Menschen etwas anderes erwartet. Und nun stiehlt sich die SPÖ aus der Verantwortung, sichtbar. Sie wissen nämlich genau: Nur mit Ihrer Zustimmung – nur mit Ihrer Zustimmung! – war es möglich, dass dieser Verschiebungslobbyismus auf der europäischen Ebene erfolgreich war. Das wäre nämlich ohne die Zustimmung der SPÖ nicht möglich gewesen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schnabel [ÖVP]: Elf Staaten! Elf Staaten! Elf Staaten haben ...! Elf Staaten!)

Da frage ich mich schon: Wenn der Klimaschutz so wichtig ist und euch ehrlich am Herzen liegt, liebe SPÖ, warum habt ihr bei dem Taschenspielertrick mitgespielt, warum habt ihr euch da nicht auf die Hinterbeine gestellt? Ankündigungen bringen nichts, wenn ihr der ÖVP zuschaut, wie sie mit einem Taschenspielertrick diese Abstimmung verschiebt. (Abg. Wöginger [ÖVP]: Ja, Gott sei Dank! Gott sei Dank!)

Und: Warum sind jetzt plötzlich statt der EU-Umweltministerinnen und -Umweltminister die Staats- und Regierungschefs zuständig? (Abg. Schnabel [ÖVP]: 2020 war das auch so! 2020 war das auch so! – Zwischenruf des Abg. Darmann [FPÖ].) Warum ist das so dramatisch? – Weil das Einstimmigkeit statt Mehrheit bedeutet, und das heißt übersetzt – für alle, die uns heute zuschauen –: Die schwarz-rot-pinke Bundesregierung liefert den Klimaschutz an Viktor Orbán aus. Genau das heißt es, und sonst nämlich gar nichts. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist das, was jetzt auch hier in dieser Debatte passieren wird – das sehe ich schon vor mir –: Wir können ja leider gar nichts machen! Wir können uns jetzt gemütlich hinter Viktor Orbán verstecken und sagen: Wir haben es leider nicht mehr in der Hand!

Genau darum diskutieren wir das heute hier, denn – ich sage Ihnen das sehr direkt –: Diesen Klimaschutzabrissbagger, diesen Angriff auf die europäischen Klimaziele, haben Sie selbst nach Brüssel gefahren, das haben Sie selbst mitverantwortet; Ihr Zuschauen, Ihr Nichtstun. Jetzt entscheidet Viktor Orbán.

Viktor Orbán hat in der Vergangenheit bewiesen und immer wieder gezeigt: Er ist bereit, die gesamte EU zu erpressen, er ist bereit, unsere Zukunft aufs Spiel zu setzen. Statt Europa auf die Überholspur zu bringen, wirft uns Ihr Zögern in dieser Bundesregierung im internationalen Wettbewerb noch weiter zurück. Statt neue Jobs zu schaffen, werden Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt. (Zwischenruf des Abg. Leinfellner [FPÖ].) Und da frage ich Sie wirklich: Wollen Sie, dass Europa ein Platz der billigsten Fabriken wird oder dass wir im Wettbewerb mit den besten Produkten vorne dabei sind? Wir Grüne wollen, dass wir vorne dabei sind. Deswegen halten wir heute auch laut und deutlich dagegen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Eines haben die letzten Jahre leider sehr deutlich bewiesen. Wladimir Putin setzt mit seinen Handlangern, wie Viktor Orbán, wie die FPÖ unter Herbert Kickl, alles daran, dieses Europa, die Demokratie (Abg. Darmann [FPÖ]: Hallo! Was ist denn mit dir los? Geht’s dir noch gut?), den Klimaschutz, die Freiheit von innen zu sabotieren. (Abg. Leinfellner [FPÖ]: Tausende Arbeitslose ...!) 

Sehr wohl neu ist aber eines: dass man in einer Bundesregierung unter SPÖ-Beteiligung den roten Teppich dafür ausrollt, einen Elfmeter auflegt. 

Und nach dem, was wir gestern so deutlich in einer Rede von Donald Trump vor den Vereinten Nationen gehört haben – und ich weiß schon, aus dieser Ecke (in Richtung FPÖ) kommt jetzt gleich wieder Lob dafür, dass man mit offensichtlichen Unwahrheiten den Klimaschutz bekämpft –, ist es umso wichtiger, dass man in Europa Kurs hält, dass Europa vorne dabei ist. 

Und dass Sie (in Richtung SPÖ) ohne jede Not bei dieser Zukunftsentscheidung das Spiel mitspielen, es an Viktor Orbán auszuliefern, obwohl die Industrie nach klaren Zielen schreit, obwohl die europäischen Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf haben, dass man auf ihre Zukunft schaut, und zwar nicht in Worten, nicht in Sonntagsreden, sondern in ganz konkreten Taten und Handlungen, halte ich wirklich für fahrlässig. Und genau deshalb will ich von der SPÖ wissen – ich weiß, ich werde die Antwort jetzt von der ÖVP kriegen –: Was tun Sie, damit diese Sabotage nicht durchgeht? Was tun Sie ganz konkret, damit das europäische Klimaziel 2040 eine Chance hat? Das wollen die Menschen in Österreich wissen, das wollen die Betriebe in Österreich wissen. Bisher sind Sie da reich an Worten, aber sehr arm an Taten, und von entschlossenem Handeln ist leider nichts zu sehen. – In diesem Sinne herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

10.32

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Alexander Pröll. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.