RN/23
10.32
Staatssekretär im Bundeskanzleramt Alexander Pröll, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Hohes Haus! Unser Ziel muss es sein, die ambitionierten Klimaziele mit dem Streben nach einem starken und wettbewerbsfähigen Standort zu kombinieren. Das muss unsere Priorität sein, denn nach zwei Jahren der Rezession und bei einem aktuellen Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent bedeutet verantwortungsvolle Politik auch, Sorge zu tragen, dass die Rahmenbedingungen stimmen. (Beifall bei der ÖVP.)
Es kann niemand in diesem Land wollen, dass Unternehmen abwandern, Arbeitsplätze abgebaut werden, weil Auflagen nicht eingehalten werden können und die Produktion zu teuer ist. Und vergessen wir nicht, dass auch für Klimaschutzmaßnahmen Geld verfügbar ist und in die Hand genommen werden muss!
Österreich ist mit diesem Ansatz nicht allein. Am 2. Juli legte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für ein europäisches Klimaziel vor. Damit kommt sie ihrer Verpflichtung aus dem Europäischen Klimagesetz nach, ein Zwischenziel auf dem Weg der EU-Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 vorzulegen.
Bei allen Zwischenzielen müssen wir darauf achten, den Standort nicht zu gefährden und mit Augenmaß vorzugehen. Drei konkrete Punkte sollen dabei helfen. Erstens: Nur als kleiner Anteil sollen internationale Emissionszertifikate im Ausmaß von 3 Prozent ab 2036 genutzt werden können.
Zweitens sollen neue Technologien, wie die CO2-Speicherung, genutzt werden.
Drittens soll eine verbesserte Flexibilität zwischen den Sektoren realisiert werden, um die Erreichung der Ziele auf kosteneffiziente Weise zu gewährleisten.
Das Ziel der Klimaneutralität ist insgesamt ein richtiges, aber es geht auch um den Weg zu diesem Ziel, und es geht auch darum, den Weg richtig zu beschreiten. Daher kann es nicht überraschen, dass zahlreiche Mitgliedstaaten noch Diskussionsbedarf zu den Rahmenbedingungen sehen und sich für eine Befassung der Staats- und Regierungschefs aussprechen. Das ist durchaus übliche Praxis. Schon beim EU-Klimaziel für das Jahr 2030 fanden umfassende Diskussionen unter den Staats- und Regierungschefs statt, bevor ein Beschluss erfolgt ist.
Aufgrund der Komplexität und der Betroffenheit zahlreicher Sektoren ist das EU-Klimaziel 2040 jedenfalls keine isolierte umwelt- und klimapolitische Frage und muss daher eingehend diskutiert werden, auch auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Am Ende entscheidet zwar der Umweltrat mit qualifizierter Mehrheit, aber eines ist schon klar: Das Ziel 2040 betrifft nicht nur die Umweltpolitik, sondern viele Bereiche unserer Gesellschaft. Darum braucht es gründliche Verhandlungen.
Der Europäische Rat ist laut EU-Verträgen für die politische Grundausrichtung der Europäischen Union zuständig, und, sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, die Frage der europäischen Klimapolitik hat sehr wohl eine Bedeutung für die Grundausrichtung der Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP.)
Die Beratungen der Umweltminister am 18.9. haben einen wertvollen Beitrag zur Gesamtdiskussion geliefert. Offene Fragen betreffen beispielsweise Kosteneffizienz und Kosteneffektivität, die Aufteilung der Emissionsreduktionsbeiträge auf die einzelnen Mitgliedstaaten oder die Höhe der nutzbaren internationalen Emissionszertifikate. (Abg. Gewessler [Grüne]: Ihr wollt bei null sein, 2040! Für Österreich ...! Ihr habt euch das alles selbst vorgenommen!) Für waldreiche Staaten – wie Finnland, Schweden und auch Österreich – ist außerdem von besonderer Bedeutung, dass abnehmende CO2-Speicherleistungen der Wälder in Sonderregelungen berücksichtigt werden.
Für uns ist wesentlich, dass jeder Mitgliedstaat einen fairen und angemessenen Beitrag zur Zielerreichung leisten muss. Vorreiter dürfen nicht schlechter gestellt werden. (Abg. Gewessler [Grüne]: Dann reitet einmal! Reitet einmal!) Ebenso ist es notwendig, dass die Kommission die angekündigten Maßnahmen und Rahmenbedingungen zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit konsequent umsetzt.
In der noch offenen Frage rund um die Höhe des europäischen Beitrags zum Pariser Klimaabkommen für das Jahr 2035 ist zu ergänzen, dass sich Österreich für eine rasche Einigung ausspricht. Österreich wird sich auch da weiterhin aktiv und konstruktiv in die Verhandlungen einbringen. Beim vergangenen Umweltrat konnte man sich einstimmig auf die Bandbreite des EU-Ziels zwischen minus 66,25 Prozent und minus 72,5 Prozent für das Jahr 2035 einigen. (Abg. Gewessler [Grüne]: Da musst du selber lachen!) Das ist durchaus ambitioniert und entspricht am unteren Ende einem linearen Zielpfad von minus 55 Prozent bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050.
Ja, Österreich setzt sich für Umwelt- und Klimaschutz ein. Ja, Österreich steht hinter den Klimazielen, aber wir müssen klug handeln. (Abg. Gewessler [Grüne]: Und uns hinter Orbán verstecken!) Klimaschutz und Wirtschaft dürfen keine Gegensätze sein. Die Gesellschaft muss mitgenommen und darf nicht überfahren werden.
Faktum ist, dass wir uns inmitten des Verhandlungsprozesses befinden. Der konkrete Kommissionsvorschlag wurde vor weniger als drei Monaten vorgelegt. (Abg. Gewessler [Grüne]: Wir diskutieren das seit einem Jahr auf europäischer Ebene!) Da dürfen wir uns nicht hinreißen lassen, jetzt eine übereilte und unausgereifte Entscheidung zu treffen, die wir in fünf Jahren nicht mehr rechtfertigen können, nur um jetzt unangenehmen Fragen auszuweichen. Eine Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung kann erst dann gegeben werden, wenn das finale Verhandlungsergebnis vorliegt. Das gilt für Österreich ebenso wie für alle anderen Mitgliedstaaten. (Abg. Gewessler [Grüne]: Es gibt noch keine österreichische Position!) Die finale Entscheidung ist jedenfalls abhängig von der Erfüllung bestimmter Kriterien und Bedingungen, die unseren Unternehmen Planungssicherheit garantieren muss und keine wirtschaftlichen Nachteile bringen darf.
Unser Grundsatz ist klar: Klimaschutz ja, aber ohne Selbstgeißelung für den Standort Europa! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der NEOS.) Das Motto ist: Innovation statt Ideologie! Unser Ziel ist ein Europa, das die Umwelt schützt, Arbeitsplätze sichert, Innovationen vorantreibt, sozial ausgewogen und wirtschaftlich nachhaltig ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ.)
10.39
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Europastunde 5 Minuten nicht übersteigen darf.
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Roman Haider, ich erteile es ihm. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.