RN/4
9.07
Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Danke, Herr Präsident! Guten Morgen, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sie haben mit Sicherheit mitbekommen – es ist fast unmöglich, es nicht mitbekommen zu haben –, dass gestern der Prozess gegen René Benko – ein erster Prozess gegen René Benko – wegen betrügerischer Krida in Innsbruck gestartet ist. Es geht konkret um eine Zahlung und eine Schenkung, die laut WKStA zu Unrecht erfolgt seien.
Sie sehen, die Justiz arbeitet. Sie arbeitet zügig und effizient. Das kann man in dieser Causa von der Bundesregierung nicht behaupten. Die fällt vor allem durch Trägheit auf. Es geht eher Richtung Schlafwandelei, wenn Sie mich fragen. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei ÖVP und SPÖ: Oh! – Zwischenruf der Abg. Erasim [SPÖ].)
Es ist nicht so, dass es nicht genug zu tun gäbe, denn die Schlupflöcher – und das ist ja der Wahnsinn –, die René Benko nutzte, sind zwei Jahre nach Beginn der Pleite immer noch alle vorhanden, und das muss doch jedem rechtschaffenen steuerehrlichen Unternehmer und jeder ehrlichen Unternehmerin die Zornesröte ins Gesicht treiben. (Zwischenruf des Abg. Oberhofer [NEOS].)
Bitte, die Folgen der geplatzten Signa-Schlösser für die Gläubiger:innen, für die Lieferant:innen, aber auch für die Steuerzahler:innen sind enorm! Man möchte meinen, dass es für den Gesetzgeber auf der Hand läge, zu reagieren. Nur, liebe Bundesregierung (Zwischenruf der Abg. Erasim [SPÖ]), es kommt nichts und es kommt nichts und es kommt nichts. Das ist doch der Wahnsinn! (Beifall bei den Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Erasim [SPÖ].)
Auch wenn im Moment im Zentrum der Medienberichterstattung der Kriminalfall Benko und Signa steht: Der Wirtschaftskrimi rund um René Benko darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Großteil des Geschäftskonzepts von René Benko legal war. Was also muss denn bitte noch passieren, liebe Bundesregierung, dass Sie mal vom Ankündigungsmodus in den Umsetzungsmodus schalten, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Erasim [SPÖ].)
Ich möchte Sie erinnern, es ist eine politische Entscheidung, ob man es auch dem nächsten Hütchenspieler à la Benko wieder so leicht macht und wieder die Möglichkeit gibt, beispielsweise mit den Bilanzen zu täuschen und zu tricksen. (Zwischenruf der Abg. Erasim [SPÖ].) Gerade in Zeiten, in denen man den Familien die Unterstützungen streicht (Zwischenrufe bei der SPÖ), in denen man die Ticketpreise fürs Öffifahren erhöht, muss die Ampelkoalition schon auch Farbe bekennen, ob sie es zulassen möchte, dass sich Einzelne unrechtmäßig bereichern, indem sie sich über die Regeln aller stellen. Auf welche Seite stellen Sie sich? Das ist meine Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)
Nur falls jemand sagt – ich habe es bei den Zwischenrufen schon gehört –: Ah, die Grünen waren in der Bundesregierung, ihr hättet ja selber etwas machen können! (Abg. Shetty [NEOS]: Das war aber ein guter Einwand!) Sie wissen ganz genau, die damalige Justizministerin Alma Zadić hat gleich, zwei Monate nach Beginn der Pleite, einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, um diese schändlichen Bilanztricks zu unterbinden. (Zwischenruf des Abg. Scherak [NEOS].) Dieser wurde abgelehnt.
In dieser Gesetzgebungsperiode sind wir Grüne vielleicht in einer neuen Rolle (Heiterkeit des Abg. Wurm [FPÖ]), aber nicht weniger hartnäckig. Ganz im Gegenteil: Wir haben bereits Anfang des Jahres einen umfassenden Antrag zum Sündenfall Signa eingebracht. Dieser Antrag wurde von den Regierungsparteien gleich mehrmals vertagt. Man will das Thema auf die lange Bank schieben. Ich sage Ihnen: Wir wissen ganz genau, wer da der Oberbremser ist. Der sitzt hier zu meiner Linken: Herr Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer. So ist es nämlich. (Beifall bei den Grünen.)
Das, was angekündigt worden ist, ist ein Maßnahmenpaket für Betrugsbekämpfung. Es soll 1,44 Milliarden Euro bis 2029 ins Budget spielen. Davon ist außer einem peinlichen Hickhack zwischen der Wirtschaftskammer und dem Finanzminister noch nicht viel zu bemerken. Wir messen Sie im Übrigen auch an Ihren eigenen Zahlen und haben geschaut: Ist das eine Luftnummer oder ist es vielleicht doch sehr, sehr effektiv? Wir haben in den Detailzahlen des Budgets nachgeschaut, mit dem Ergebnis: Es gibt kaum mehr Kontrollkräfte im Finanzministerium. Sie haben sich 50 Umsatzsteuerprüfungen im Betrugsbereich pro Jahr vorgenommen – 50! Die Kontrolldichte liegt bei 2 Prozent. Ich übersetze Ihnen das gerne: Das heißt, statistisch kommt jedes Unternehmen nur alle 50 Jahre zur Finanzprüfung. (Abg. Stögmüller [Grüne]: Da ist ja jeder Steuerzahler ...!) Ich sage Ihnen etwas: Diese leeren Ankündigungen werden die Benkos der Zukunft nicht aufhalten. Das ist das, was wir kritisieren. (Beifall bei den Grünen.)
Benko nutzte das System für sich aus. Er nutzte nahezu jedes Schlupfloch, das er finden konnte. Deshalb darf die Politik nicht den Fehler machen, weiterhin die Augen vor diesen Schlupflöchern zu verschließen. Wer nichts macht, macht sich eindeutig mitverantwortlich.
Deshalb hier noch mal die To-do-Liste, ganz besonders auch für Sie, Herr Wirtschaftsminister:
Schluss mit den billigen Bilanztricks! Wenn Konzerne wie die Signa lieber Strafe zahlen als zu bilanzieren, dann muss man den Strafrahmen erhöhen, und zwar drastisch.
Zweitens: keine Stiftungsversteckspiele mehr. Stiftungen sind wie geheime Geldbunker für Superreiche. Das wollen wir abstellen, denn bei der Signa beispielsweise hatten sie von Anfang an die Funktion, Zahlungsverpflichtungen nicht nachzukommen. (Zwischenruf des Abg. Wurm [FPÖ].) Deshalb braucht es da die gleichen Transparenzvorschriften wie bei jedem anderen Unternehmen. (Beifall bei den Grünen.)
Drittens: mehr prüfen, vor allem Stiftungen prüfen, und zwar mit spezialisierten Branchenteams. Dazu muss man Geld in die Hand nehmen, aber das kommt doppelt und dreifach zurück.
Viertens: strengere Steuervorschriften für Luxusimmobilien. Da kann sich der Staat einfach nicht mehr länger verschaukeln lassen.
Ich muss sagen, mit einem Schmunzeln habe ich gestern vernommen, dass der grüne Druck offenbar wirkt. In der „Kronen Zeitung“ haben Sie eine nächste Ankündigung gemacht, dass Sie dann jetzt eh die Steuervorschriften ändern – super, weiter so! –, aber wir freuen uns dann halt auch auf den konkreten Gesetzesvorschlag, meine sehr geehrte Bundesregierung.
RN/4.1
Damit, Herr Wirtschaftsminister, das alles, was ich gesagt habe, nicht wieder in Vergessenheit gerät (eine Tafel mit der Überschrift „Benkos Schlupflöcher stopfen. Jetzt!“, unter welcher die genannten Punkte angeführt sind, in die Höhe haltend), gebe ich Ihnen jetzt eine Gedankenstütze, eine To-do-Liste mit, die ich Ihnen hiermit übergebe. (Die Rednerin übergibt Bundesminister Hattmannsdorfer die soeben in die Höhe gehaltene Tafel.) Bitte schön. (Beifall bei den Grünen.)
Jetzt lassen Sie mich das noch einmal zusammenfassen: Das Stopfen der Schlupflöcher ist keine Frage des Könnens, sondern eine Frage des Müssens. Es ist die Pflicht der Politik, die Interessen der Steuerzahler:innen zu wahren. Das tun wir am besten, indem wir aus den Fehlern lernen und uns mit einem Alarmsystem gegen die österreichischen Finanzhütchenspieler absichern.
Liebe Bundesregierung, bitte machen Sie endlich etwas! Bitte, Herr Wirtschaftsminister, geben Sie Ihre Blockadehaltung endlich auf! Und eines sage ich Ihnen schon – und das ärgert mich ungemein, denn es ist ein typisches Ablenkungsmanöver –: Kaum spricht man über die Steuertricks von Superreichen, kommt die ÖVP mit dem Thema Sozialbetrug. Es ist, als würde man sich bei einem Bankraub über einen geklauten Kaugummi echauffieren. (Zwischenruf des Abg. Hörl [ÖVP].) So verschiebt man die Empörung von oben, wo sie hingehört, nach unten, und das ist unlauter, das sage ich Ihnen, Herr Wirtschaftsminister. (Beifall bei den Grünen.)
Nicht, dass wir sagen – boah! –, wir würden Sozialbetrug unterstützen – nein! –, aber da geht es um 24 Millionen Euro – das sind die Zahlen des Innenministeriums: jährlich 24 Millionen Euro. Wissen Sie, um wie viel es bei den Steuerbetrügereien, bei den Steuertricks geht? – Es geht dabei um 6 bis 10 Milliarden Euro jährlich, das 350-Fache des Schadens! Herr Minister Hattmannsdorfer, wo ist Ihre Priorität und wer ist hier der echte Sozialbetrüger? Das frage ich Sie. (Beifall bei den Grünen.)
Ihre Bremserei ist ein Schlag ins Gesicht von jedem rechtschaffenen Unternehmer. Ich weiß nicht, ob Sie welche kennen. Ich kenne keinen gewöhnlichen Unternehmer, für den es nicht selbstverständlich ist, dass man die Bilanz pünktlich und vollständig beim Firmenbuchgericht abgibt. Diese rechtschaffenen Unternehmerinnen und Unternehmer sind dann diejenigen, die mit Wirtschaftsjongleuren à la Benko konkurrieren müssen. Ist das fair? – Nein! Also: Schützen Sie endlich diese ehrlichen Unternehmen! Kommen Sie Ihrer Aufgabe und Ihrer Verantwortung nach, und stellen Sie sich nicht ständig auf die Seite der Hütchenspieler! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)
9.16
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer. – Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.