RN/106

15.00

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Danke, Herr Präsident! Spoštovana Visoka Hiša! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dragi poslušalci in dragi poslušalke! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Stellen Sie sich vor, Sie entscheiden sich an einem schönen Wochenende, in Kärnten zu campieren. Sie stellen Ihr Zelt am Sonntag auf einem Grundstück auf, und irgendjemand geht vorbei, sieht das und zeigt Sie an. Was passiert? – Eine Polizeistreife kommt vorbei, überprüft, ob es sich um eine Verwaltungsübertretung handelt, ahndet oder ahndet nicht, zieht von dannen, und entweder bekommen Sie eine Strafe, oder Sie bekommen keine. Überall in Österreich wäre das so verlaufen. Nur – Achtung! – in Kärnten ticken die Uhren und laufen die Prozesse anders. 

Wir sprechen heute hier über einen Einsatz, der ungleich mehr Fragen aufwirft, als er Antworten hinterlässt: Fragen nach Verhältnismäßigkeit, Fragen nach Rechtsstaatlichkeit, Fragen nach politischer Verantwortung. Wir sprechen über einen Polizeieinsatz, der wirklich zu einem demokratiepolitischen Prüfstein geworden ist. Es geht um den Polizeieinsatz am 27. Juli 2025 bei uns in Kärnten am Peršmanhof, an einem der symbolträchtigsten Orte und Gedenkorte für uns Mitglieder der slowenischen Volksgruppe in Österreich und in Kärnten. 

Am Sonntag, dem 27. Juli, rücken 20 Beamte und Beamtinnen des Verfassungsschutzes, der Polizei, des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt aus, schwer bewaffnet, mit einem Helikopter, mit Hund und Hundeführerin. Warum? – Ziel ist ein antifaschistisches Bildungscamp der slowenischsprachigen Jugend, veranstaltet vom Klub slowenischer Studierender in Wien (Ruf bei der FPÖ: Kommunisten!), unterstützt vom Museum Muzej Peršmanhof.

Die offizielle Einsatzbegründung, meine Damen und Herren, lautet: Verwaltungsübertretungen nach dem Kärntner Naturschutzgesetz und dem Kärntner Campingplatzgesetz, also Übertretungen, weil man falsch campiert. Anders gesagt: Es geht um Zelte, wohlgemerkt aufgestellt auf privatem Grund, auf dem Gelände einer Gedenkstätte mit Einverständnis der Betreiber, mit Einverständnis der Grundeigentümer. Dafür – ja, dafür – rückt in Kärnten der Verfassungsschutz an, und dafür wird ein Hubschrauber eingesetzt. Dafür werden junge Menschen kontrolliert, befragt, fotografiert, und – das können wir heute sagen – traumatisiert. 

Der stellvertretende Leiter des Verfassungsschutzes in Kärnten leitet diesen Einsatz. Behördlich verantwortet ihn der Bezirkshauptmann von Völkermarkt Gert Klösch.

Und jetzt frage ich Sie: Kako resno ta država jemlje svojo kulturo spominjanja če na kraju spomina na grozote nacionalsocialističnega terorja težko oboroženi policisti preiskujejo protifašistični mladinski tabor? Kako nas, člane slovenske narodne skupnosti spoštujajo v tej republiki? Wie ernst nimmt dieses Land seine eigene Erinnerungskultur, wenn am Ort des Gedenkens schwer bewaffnete Polizist:innen ein antifaschistisches Jugendcamp durchsuchen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.) 

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, das war kein Routineeinsatz – so wie wir das in den Medien gehört haben. Das war kein Routineeinsatz, wie es vielleicht scheint, wenn man die Anfragebeantwortung von Ihnen, Herr Minister, die Sie uns am 29. September übermittelt haben, durchliest. Das war ein Signal: ein falsches Signal, ein gefährliches Signal, ein politisches Signal. (Beifall bei den Grünen.) 

Der Peršmanhof ist kein beliebiger Ort. Er ist ein Ort des Widerstands, des Gedenkens und ein Mahnmal. Dort verübte die SS am 25. April 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, ein Massaker an acht Mitgliedern der slowenischsprachigen Familien Kogoj und Sadovnik, darunter mehreren Kindern. Nur zwei Kinder überlebten schwer verletzt. Dieser Hof ist symbolträchtig, weil er zuvor ein Zentrum des slowenischsprachigen antifaschistischen Widerstands der Kärntner Partisanen war, jener Widerstandsbewegung, welche als einzige dauerhaft organisiert bewaffneten Widerstand gegen das NS-Regime innerhalb des Deutschen Reiches leistete. (Beifall bei den Grünen.) 

Ohne diesen Widerstand – und das müssen wir uns immer wieder bewusst machen, egal was Sie heute hören werden – hätte es den Staatsvertrag von Wien womöglich in dieser Form niemals gegeben, hätte es die Proklamation der Zweiten Republik am 27. April 1945 in dieser Form nicht gegeben. Warum? – Weil die Alliierten Beweise verlangt haben, dass Österreich Opfer war und Widerstand geleistet hat. Und dieser entscheidende Beweis kam von Kärntner Sloweninnen und Slowenen, die für Freiheit, für Gerechtigkeit, für ein demokratisches Österreich im Rahmen des antifaschistischen Widerstands kämpften, organisiert in Partisanenverbänden, unterstützt durch die Alliierten. Für all das steht der Peršmanhof. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Und nur, damit klar wird, dass das Wort antifaschistisch nicht das Gegenteil von rechtsextrem ist, sondern die Mitte bezeichnet: Wissen Sie, warum? (Abg. Mölzer [FPÖ]: Das sind Kommunisten, die sich antifaschistisch tarnen! – Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und Grünen) Das hat man 1945 schon erkannt, nämlich am 27.4., als die Proklamation unterzeichnet wurde. Wissen Sie, wer diese Proklamation unterzeichnet hat? – Die antifaschistischen Parteien Österreichs. Das waren damals die Sozialdemokraten, die christlichsoziale Volkspartei, die Kommunistische Partei. Sie alle nennen sich in der Proklamation antifaschistische Parteien. Sie (in Richtung FPÖ) waren da nicht dabei. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Mölzer [FPÖ].)

Dass heute, 80 Jahre später, dieser Ort, der Peršmanhof, polizeilich durchsucht wurde, ist nicht nur ein bürokratischer Fehler, sondern auch ein historischer Affront. 

Gemeinsam mit meinem Kollegen Lukas Hammer haben wir Ihnen, Herr Innenminister, 55 Fragen gestellt. Sie haben diese Fragen am 29. September beantwortet. Ihre Antworten sind ernüchternd, sie sind irritierend zugleich, denn was ich Ihnen vorhin erzählt habe, was in Kärnten normal ist, nämlich dass bei falsch aufgestellten Zelten der Verfassungsschutz ausrückt, das bestätigen Sie auch noch in Ihrer Anfragebeantwortung. Also Sie bestätigen, dass es vollkommen in Ordnung ist, dass wegen in der Natur, aber eben auf einem Privatgrundstück vermeintlich falsch aufgestellter Zelte der Verfassungsschutz mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausrückt (Zwischenruf des Abg. Stögmüller [Grüne]) und dies unter behördlicher Leitung des Bezirkshauptmanns von Völkermarkt sogar Tage im Voraus plant, ja. Das müssen Sie sich auch auf der Zunge zergehen lassen. 

Welche Rolle dieser Bezirkshauptmann von Völkermarkt gespielt hat, das beantworten Sie allerdings nicht, Herr Minister. Und ich finde das interessant, weil Sie am 29. September schreiben, dass es nach derzeitigem Wissensstand nicht beantwortbar ist beziehungsweise dass da keine Aufforderung vonseiten der Bezirkshauptmannschaft kam. Jetzt frage ich Sie: Wieso können Sie das nicht klar mit Ja oder Nein beantworten, wenn Sie schon zwei Monate Zeit gehabt haben? „Nach derzeitigem Wissensstand“: Was heißt denn das? Ich gehe als österreichische Bürgerin davon aus, dass es, wenn Einsätze in Österreich vonseiten der Exekutive geplant werden, dazu ein Protokoll gibt und diese Protokolle nicht zwei Monate später geschrieben werden, sondern sofort danach (Beifall bei den Grünen), vor allem wenn es sich um so einen Einsatz handelt.

Aber lassen Sie mich noch auf einen besonders heiklen Punkt eingehen, den dieser Einsatz auch mit sich gebracht hat: Die Identitätsfeststellungen aller anwesenden Personen haben stattgefunden, weil sich der Einsatzleiter darauf bezogen hat, dass eine Verletzung des § 1 des Kärntner Landessicherheitsgesetzes vorliege, der sogenannte grobe Anstandsverletzungen betrifft. Sprich den Anwesenden wird vorgeworfen, sie hätten nicht anständig gedacht. Das sind Mitglieder der slowenischen Volksgruppe, Nachfahren von Opfern, die jedes Jahr an diesem Ort gedenken. Auch ich war schon zwei Mal bei diesem Camp. Und ein Einsatzleiter sagt, das sei nicht anständig.

Herr Minister, Sie haben zwar eine multiprofessionelle Sonderkommission eingesetzt – das ist gut so, und wir erwarten voll Spannung die Antworten –, allerdings nimmt Ihnen diese Sonderkommission nicht Ihre verfassungsrechtliche Verantwortung, sie kann Ihre Arbeit nicht für Sie erledigen. Opravičite se gospod minister! Entschuldigen Sie sich, Herr Minister – bei den Opfern, beim Museum Peršman, bei den Betreibern! Und: Lernen Sie Geschichte! (Beifall bei den Grünen.)

15.10

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt gemäß der Geschäftsordnung 5 Minuten, Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder Wortmeldungen von Staatssekretärinnen und Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister, den ich auch hier begrüße. – Bitte, Herr Bundesminister. 

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.