RN/177

19.07

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Ministerin! Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden, angesichts dessen, was die Kinder im SOS-Kinderdorf Moosburg erleben mussten. Kinder, die aus Situationen von Gewalt, Vernachlässigung, Angst herausgenommen werden mussten, wurden dort wieder eingesperrt, fixiert, erniedrigt. Kinder, die Schutz suchten, wurden fixiert, Essen wurde ihnen weggenommen, Wasser entzogen, und ein Pädagoge soll sogar Nacktfotos gemacht haben. Aber nicht nur aus Kärnten liegen solch erschütternden Berichte vor; seit der Recherche häufen sich die Meldungen darüber auch in Tirol und in der Steiermark. Sie alle ergeben ein furchtbares Bild: Kinder, die im Stich gelassen wurden – an einem Ort, an dem sie eigentlich Geborgenheit und Sicherheit finden sollten. 

Die Misshandlungen in Kärnten gingen über zwölf Jahre. Das müssen wir uns einmal vorstellen: zwölf Jahre! Was mich so wütend macht, ist: Das war bekannt. Betroffene haben berichtet, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben es dokumentiert, aber es wurde nichts dagegen getan. Eine unabhängige Studie von 2021 spricht von einem regelrechten Missbrauchssystem, aber statt Aufklärung gab es Vertuschung. Und das ist ein doppelter Verrat an den Kindern: einmal durch die Täter und einmal durch all jene, die weggesehen und keine Verantwortung übernommen haben. 

Jetzt liegt es an uns, Verantwortung zu übernehmen – Verantwortung gegenüber den Betroffenen, deren Leid nie wieder gutzumachen ist, auch gegenüber der Gesellschaft, damit das Vertrauen in solche Institutionen wieder gestärkt wird, und vor allem gegenüber Kindern, die des Schutzes bedürfen. Kinderschutz darf niemals davon abhängen, wie viel Glück ein Kind bei der Geburtslotterie hat, sondern muss immer da sein: überall, zu jeder Zeit und für jedes Kind! (Beifall bei den Grünen.)

Dieser Fall zeigt uns ganz brutal auf, wie groß unsere Lücken im österreichischen Kinderschutzsystem sind. Unter grüner Regierungsbeteiligung wurden das erste Mal verpflichtende Kinderschutzkonzepte eingeführt – ein wirklich wichtiger Schritt! Davor ist leider genau das Gegenteil passiert: 2018 hat die Regierung von ÖVP und FPÖ – leider mit den Stimmen der SPÖ – die Kinder- und Jugendhilfe verländert, obwohl alle Expertinnen und Experten eindringlichst gewarnt haben, dass es zu massiven Verschlechterungen kommen wird. Die Regierung hat es trotzdem gemacht – und die Verschlechterungen sind eingetroffen. Seitdem schieben die Bundesländer die Verantwortung und Probleme hin und her, und die Kinder stehen mittendrin.

Die Kinder- und Jugendhilfe, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist am Limit. Sie bekommt immer mehr Aufgaben und ist zum Teil chronisch unterfinanziert. Die Kollegin vor mir hat es angesprochen: Es gibt viele, viele Menschen, die dort wirklich mit Engagement, viel Leidenschaft und Hingabe arbeiten – und auch sie werden im Stich gelassen.

Geschätzte Ministerin! Sie haben damals selbst für die Verländerung gestimmt. Es ist höchste Zeit, diese Missstände zu beheben. Angesichts solcher Zustände können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. So, wie es jetzt ist, darf es nicht bleiben. Ja, es ist gut, dass dieser Antrag vorliegt, aber – und ich sage es ganz klar – wenn die Länder da keine Ordnung schaffen können und es nicht schaffen, unsere Kinder zu schützen, dann muss die Zuständigkeit zurück an den Bund. (Beifall bei den Grünen.)

Wir sind hier, um unsere Kleinsten zu schützen, nicht um uns wegzuducken oder unsere Verantwortung weiterzugeben, bis am Ende niemand mehr unsere Kinder schützt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unser Job, das zu tun! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.11

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Paul Stich.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.