RN/25
10.38
Abgeordneter Paul Stich (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin mir ziemlich sicher, dass alle von uns oder zumindest jene, die ein Smartphone besitzen, sich irgendwann schon einmal per App etwas zu essen bestellt haben (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Nein, ich nicht, noch nie! Ich habe mir noch nie was bestellt!); vielleicht nach langen Sitzungstagen, zum Familiengeburtstag, vielleicht nach einem Date, wer weiß, wer weiß. Wer das macht, nimmt das Essen dann von Lieferbotinnen und Lieferboten entgegen, und – seien wir uns ehrlich – all jene, die das schon gemacht haben, kennen das Gefühl, wenn man denkt: Wow, ich esse jetzt gemütlich meine Pizza und der Kollege muss weiterfahren, der muss wieder raus, der muss auf das Rad, bei Wolkenbrüchen, bei Schnee, bei Eis, bei Temperaturen, die nicht immer ganz so gemütlich sind. Respekt einmal dafür und ein Danke an alle, die diese Arbeit jeden Tag für uns erledigen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Fahrradboten sind also ohne Zweifel Leistungsträger in unserer Gesellschaft, das Problem ist nur: Sie werden nicht wie solche behandelt. Erst vor wenigen Monaten war das sichtbar, als der Essenszusteller Lieferando mehrere Hundert Beschäftigte, die als Arbeitnehmer:innen angestellt waren, vor die Tür gesetzt hat; nicht aber, weil es gerade irgendwie schlecht läuft, weil das Unternehmen rote Zahlen schreiben würde, sondern deshalb, um sie eins zu eins als freie Dienstnehmer:innen wieder einzustellen. Das bedeutet weniger Kosten für den Konzern und wesentlich weniger Sicherheit für die Beschäftigten.
Die Detektive unter uns sehen schon: Man kann sagen, das ist eigentlich eine beinahe klassische Umgehungskonstruktion von Arbeitsrecht. Sprechen wir aus, was da direkt vor unseren Augen passiert: Konzerne treiben Leistungsträger ins Prekariat! Da können wir nicht zuschauen, das geht sich mit uns ganz sicher nicht aus. (Beifall bei der SPÖ.)
Wer viel arbeitet und jeden Tag seine Leistung bringt, der muss die Chance haben, durch seine Leistung auch voranzukommen, und soll nicht auf Förderungen oder Beihilfen angewiesen sein. Wohlstand durch Arbeit muss möglich sein, und in kaum einem Fall sind wir davon weiter entfernt als bei Essenszustellern im Speziellen und bei freien Dienstnehmer:innen im Allgemeinen.
Das Problem ist ja nicht nur auf diese eine Gruppe beschränkt, auch wenn wir jetzt viel über Fahrradbot:innen reden. Freie Dienstnehmer:innen sind ein Phänomen, das auch in Österreich immer mehr Fuß fasst und in das ganz besonders junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch ein bisschen hineingedrängt werden, kann man fast sagen, weil die Möglichkeit, nachzuverhandeln, ob es ein freier oder ein regulärer Dienstvertrag wird, natürlich nicht gegeben ist. Das schafft Unsicherheit in Bezug auf den Lohn, auf die Arbeitszeiten und auf die Perspektive.
Man kann auch ruhig festhalten, was es ist: Es ist vor allem ungerecht. Denn die Wohnung ist jeden Monat zu zahlen, ganz unabhängig davon, wie viele Nächte man darin schläft. Gerade bei freien Dienstnehmer:innen, die eigentlich klassische Arbeitnehmer:innen sind, braucht es diese Sicherheit. Es ist wichtig, dass beim Lohn und bei ganz vielen anderen Dingen dasselbe Prinzip wie bei der eigenen Wohnung gilt. (Beifall bei der SPÖ.)
RN/25.1
Es gibt aber schon ein paar Dinge, über die wir auch in dieser parlamentarischen Debatte reden müssen. Ich verstehe und teile den Grundsatz, dass wir freie Dienstnehmer:innen absichern müssen und dass es im eigenen Beschäftigungsverhältnis gar nicht genug Sicherheit geben kann. Ich habe mir aber schon die Mühe gemacht – und sowohl Kollegin Teiber als auch die Frau Ministerin haben das ausgeführt –, mir noch einmal ganz konkret anzuschauen: Was ist denn eigentlich in Perioden, in denen die Sozialdemokratie nicht regiert hat, für freie Dienstnehmer:innen gesetzlich weitergegangen? Was ist da tatsächlich gemacht worden? (Ruf bei der SPÖ: Nix!) Wo unterscheiden sich vielleicht auch Ausführungen, die in der Opposition gemacht werden, von Ausführungen, die während der Zeit in der Regierung gemacht wurden? – Ich habe es mitgebracht (ein leeres Blatt Papier in die Höhe haltend): Es ist tatsächlich relativ wenig.
Ich würde mir wünschen, dass es nicht bei Sonntagsreden bleibt, sondern dass freie Dienstnehmer:innen auch tatsächlich so abgesichert werden, wie sie das brauchen, und dass über freie Dienstnehmer:innen keine Unwahrheiten verbreitet werden. Kollegin Belakowitsch hat gemeint, sie wären nicht arbeitslosenversichert, auch das hat die Frau Ministerin schon richtiggestellt. (Zwischenruf der Abg. Schartel [FPÖ].) Das ist auch eine wichtige Lehre des heutigen Tages: Bei der FPÖ muss man manchmal Dinge auch zwei- oder mehrmals prüfen. Das sind aber die Dinge, auf die wir uns auch weiterhin fokussieren.
Wir stellen sicher, dass freie Dienstnehmer:innen künftig von Kollektivverträgen erfasst werden können. Wir geben und eröffnen die Möglichkeit für mehr Sicherheit für diese Gruppe an Leistungsträger:innen. Das heißt, Dinge wie Mindestlöhne, wie Krankenstände, wie Arbeitszeiten können künftig verbindlich geregelt werden. Das ist ein erster wichtiger Schritt für mehr Sicherheit. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Wo steht denn das? Wo steht das?)
Die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit ist heute schon angesprochen worden, auch die steht noch auf unserer Agenda, denn ich sage euch ganz ehrlich: Die Pizza, die ich mir bestelle, schmeckt auch besser, wenn hinter dem Fahrradboten, der sie mir bringt, kein Lohndumping, keine Ausbeutung und nichts, was in irgendeiner Form Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schadet, steht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Deckenbacher [ÖVP].)
10.42
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.