RN/95
15.25
Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wenn die FPÖ sich zum Hüter der Neutralität erklärt, dann ist das ungefähr so glaubwürdig, wie wenn ein Pyromane eine Feuerwehr bei mir in Sankt Pölten gründen würde. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller [Grüne].)
Ausgerechnet jene Partei, die rund um die Jahrtausendwende im Parlament einen Dringlichen Antrag für den raschen, mehr oder weniger unverzüglichen Nato-Beitritt Österreichs gestellt hat, will uns heute erklären, was Neutralität bedeutet. Man könnte meinen, die FPÖ ist neutral – aber nur neutral gegenüber der Wahrheit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Erasim [SPÖ]: Ja, das stimmt!)
Ihre Wahrheit ist situationselastisch oder eine Tochter der Zeit. (Abg. Kickl [FPÖ]: Vor 25 Jahren, da wart ihr noch ... EU!) Es hieß von FPÖ-Seite, die Zukunft der europäischen Sicherheitspolitik liegt in der Nato als einzig funktionierender Organisation. (Abg. Reifenberger [FPÖ]: Da wart ihr noch für die Abschaffung der Wehrpflicht!) Heute wollen Sie ein Bekenntnis zur Neutralität, die ohnehin in einem Bundesverfassungsgesetz verankert ist. (Abg. Kickl [FPÖ]: Wenn ihr es nur anwenden würdet!) Der Text hat sich geändert, das blaue Theaterstück nicht, nur dass die blauen Hauptdarsteller mittlerweile vergessen, was sie im ersten Akt gesagt haben. Ein Beispiel: Sicherheitsdoktrin 2001 unter schwarz-blauer Regierung: Österreich ist allianzfrei. Die Neutralität wurde verschwiegen und erst 2013 unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler wieder in die österreichische Sicherheitsstrategie aufgenommen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Wie schaut denn die Sicherheitsstrategie jetzt aus?)
Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Wer einmal für die Nato, dann gegen die EU, jetzt für Russland ist und sich plötzlich zum Hüter der österreichischen außenpolitischen Seele aufspielt, der ist nicht neutral, sondern der ist vielmehr in seinen eigenen Narrativen gefangen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl [FPÖ]: Sagen Sie einmal, kennen Sie Ihre eigene Parteigeschichte? Offenbar nicht!)
Ihr Neutralitätsbegriff endet dort, wo er Ihnen politisch nützt, und beginnt dort, wo es sich medial verkaufen lässt. (Abg. Kickl [FPÖ]: Die Letzten, die den Panzerkommunisten gratuliert haben!) Neutralität aber bedeutet nicht Gleichgültigkeit und schon gar nicht Naivität. Neutralität bedeutet nicht, Aggressor und Opfer in einen Topf zu werfen, weil man Angst hat, klar Position zu beziehen, oder vielleicht sogar mit dem Aggressor freundschaftlich verbunden ist. Österreichs Neutralität bedeutet, unparteiisch zu sein im militärischen, aber Klarheit im völkerrechtlichen Sinn. Das war in der Zweiten Republik immer so – seit dem Staatsvertrag und auch seit wir, darauf folgend, 1955 in die UNO aufgenommen wurden.
Uns als Sozialdemokratie unterscheidet das von Ihnen: Wir stehen zu einer Neutralität, die aktiv ist, die vermittelt (Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Das wird dir eh gleich der Shetty erklären als nächster Redner!), die UNO-Friedensmissionen unterstützt, die in der EU und in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik Verantwortung übernimmt – Österreich an seinem Platz – und die Wien als Ort des Dialogs stärkt. Österreich ist gemessen an seiner Größe, und darauf können wir stolz sein, einer der stärksten Truppensteller, wenn nicht der stärkste, bei internationalen Friedensmissionen. So viel nur zum Thema Trittbrettfahrer. Wir sind nicht kriegstüchtig, aber wir sind immer zur Stelle, wenn es gilt, den Frieden zu sichern. Seit 1960 stellen wir Kontingente in der Welt.
Ihre Version der Neutralität ist allerdings die Version des Bequemen: das Sofa statt der Solidarität (Abg. Kickl [FPÖ]: Na, Sie!), die Abschottung statt der Gestaltung. Österreich war aber immer nur dann stark, wenn es mitgeredet, wenn es vermittelt, wenn es Verantwortung übernommen hat – als Ausdruck des Selbstbewusstseins. Bruno Kreisky hat Neutralität als moralisches Kapital verstanden. Sie machen Neutralität zur Marketingstrategie, und das werfe ich Ihnen vor.
Österreichs Neutralität lebt nicht durch das, was man darüber proklamiert, sondern durch das, was man daraus macht. Herr Kickl, ein FPÖ-Neutralitätsfestl bei Würstln und Bier (Abg. Kickl [FPÖ]: Da seid ihr neidisch, gell?) am Nationalfeiertag ist dafür zu wenig. (Abg. Kickl [FPÖ] – erheitert –: Da seid ihr neidisch, das weiß man! Da sind mehr Leute als bei euch am Ersten Mai! Aber danke für die Werbung!)
Die SPÖ hat seit Stunde eins vom 26. Oktober 1955 immer das Neutralitätsgesetz verteidigt. Sie – Ihre Vorgängerpartei, der VdU – hat als einzige Partei im Parlament dagegengestimmt. (Abg. Nemeth [FPÖ]: Den Saal verlassen!) Aber es ist so: Gestern Nato, heute Kreml, morgen China. Das einzige Konstante bei der FPÖ ist der Opportunismus und der Kurswechsel.
Und ich sage Ihnen: In Österreich wird weder ein Atomkraftwerk gebaut, noch ein Nato-Betritt erfolgen. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Aber ihr habt das Atomkraftwerk gebaut, oder?) Warum? – Weil es dazu einen ausgeprägten Grundkonsens in der Bevölkerung und eigentlich bei allen Parteien gibt. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
15.30
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächster Redner: Herr Klubobmann Shetty. – Bitte.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.