RN/14

14.12

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Danke, Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Evidenzbasierte Politik war jetzt mein Stichwort vom Kollegen Bernhard – genau darum geht es hier, deswegen wollen wir heute über die Bauprojekte diskutieren, denn es gibt Evidenzen, die am Tisch liegen und die besagen, dass der Lobautunnel nicht zu bauen ist, dass es bessere Alternativen gibt. 

Der Herr Minister hat eine Kopfentscheidung – Sie haben es selber gesagt und noch extra betont: eine Kopfentscheidung, keine Bauchentscheidung – getroffen, aber das ist noch immer nicht nachvollziehbar, weil die Daten, die Fakten nicht am Tisch liegen. Also kann ich keine Kopfentscheidung bisher nachvollziehen und gehe ehrlich gesagt weiterhin von einer Bauchentscheidung aus. (Beifall bei den Grünen.) 

Ich muss auch sagen, wir haben uns viel Mühe gemacht, sehr detailliert Fragen zu stellen, 29 Fragen – Sie sind sehr generell drübergegangen. Das finde ich bedauerlich, weil wir hier im Parlament schon gerne, wie gesagt, detailliert und faktenbasiert diskutieren wollen.

Eine Frage, die Sie ganz bestimmt beantworten können, weil sie, glaube ich, sehr einfach zu beantworten wäre, ist die Frage 4, die haben Sie nämlich sogar explizit ausgenommen. In dieser geht es um Kritik der Sozialistischen Jugend an Ihrer Festlegung auf den sechsspurigen Ausbau der A 9 südlich von Graz. Wir haben sie zitiert: „Solche Großprojekte lösen die Verkehrspolitik nicht langfristig, sondern sorgen eher für mehr Verkehr.“, und die Frage war, was Sie dazu sagen. Diese Antwort sind Sie uns beispielsweise schuldig geblieben. (Beifall bei den Grünen.)

Es würde mich auch interessieren – Kollegin Herr ist jetzt nicht hier, vielleicht gibt es Gründe dafür, sie war ehemals Chefin der Sozialistischen Jugend –, was sie dazu sagt, dass jetzt das gebaut werden soll, was die eigene SPÖ-Jugend offenbar nicht will. 

Und dann noch etwas: Sie sind auch sehr schnell über unsere Frage 21 drübergegangen: „Ist Ihnen bekannt, dass es im Gegensatz zu wiederholten Aussagen unter anderem von Wiener SPÖ-Funktionär:innen Wien keineswegs die einzige größere Stadt in Österreich oder Europa ist“, die keinen Autobahnring hat? Hier haben wir angeführt: „Bratislava, Budapest, Belgrad, Zagreb, Turin, Zürich, Stuttgart, München, Hamburg“. Sie alle haben keinen oder keinen geschlossenen Autobahnring. Ich sage Ihnen, Wien hat das! Mit der A 23 haben wir einen geschlossenen Autobahnring. Aber darauf sind Sie leider nicht eingegangen. (Beifall bei den Grünen.) 

Wir haben heute hier diese Sitzung einberufen, weil wir Klarheit haben wollten. Ich habe schon gesagt, leider ist das bisher noch nicht ganz gelungen, aber ich möchte schon einmal auf das große Ganze schauen, und auf das große Ganze schauen heißt auch, sich einmal von oben anzuschauen, was hier diskutiert wird. Und wenn man von oben draufschaut, dann könnte eine Autobahn ja wie ein Strich in der Landschaft ausschauen, aber eigentlich sind es wirklich unvorstellbare Dimensionen, über die wir hier diskutieren, und das möchte ich gerne thematisieren. 

Drei konkrete Beispiele: in meinem Heimatbundesland die S 34. Ich weiß, die Menschen, die sich dagegen einsetzen – es war schon die Rede davon –, fiebern jetzt, wie es da weitergeht. Vom Bau der S 34 in Niederösterreich sind Landwirte, Landwirtinnen wirklich betroffen, deren Existenz hängt davon ab, ob dort gebaut wird oder nicht. Nur um eine Idee von der Größenordnung zu bekommen – es geht da um fruchtbare Äcker –: Allein die Anschlussstelle zur A 1 hat eine Fläche, die größer als die Innenstadt von Sankt Pölten ist – nur diese Anschlussstelle! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Stefan [FPÖ].)

Weil ich jetzt höre, es ist nur Sankt Pölten: Ja, es ist Sankt Pölten. Aber die Straßenabschnitte des Lobautunnels – wir reden nicht vom Tunnel, sondern nur von den Straßenabschnitten – haben eine Fläche so groß wie der 15. Wiener Gemeindebezirk, nur um eine Größenordnung zu bekommen. Dort gibt es jetzt fruchtbare Böden, die uns versorgen. 

Ebenso die bereits gebaute A 5 im Norden von Wien: Das, was dort an Äckern verbaut wurde, könnte jedes Jahr die Bevölkerung von Linz mit Brot versorgen. – Also das sind die Dimensionen, von denen wir hier reden – immense Entscheidungen, die unsere Zukunft prägen werden.

Ich möchte noch auf ein paar Halbwahrheiten oder Gschichtln, sagt man in Wien, zu sprechen kommen, die ich hier auch immer wieder von Ihnen gehört habe. Beispielsweise haben Sie gesagt, es sei ja nur ein Tunnel unter der Lobau – ein Tunnel unter der Lobau. Dass aber mit einem Tunnel unter der Lobau die Austrocknung der Lobau droht, dass auch das Grundwasser gefährdet ist – das sagen alle Gutachten, die auf dem Tisch liegen –, das haben Sie nicht gesagt oder wissentlich verschwiegen.

Sie relativieren auch – ich zitiere wieder –: „Es handelt sich lediglich um einen Umweltbericht, der nur einen Teil der Lebensrealität abbildet“ – das ist der Bericht, der jetzt auf dem Tisch liegt –, aber Sie wissen selber, der Titel der EU für diesen Bericht ist Umweltbericht und natürlich enthält er Inhalte, viele Seiten zu wirtschaftlichen, zu gesellschaftlichen Aspekten, zu Auswirkungen auf den Verkehr. Ich glaube, das wissen Sie. Vermutlich haben Sie das ignoriert, weil Sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind.

In diesem steht nicht, dass die Lobauautobahn die Verkehrsprobleme lösen wird. Das steht nicht in diesem Bericht und auch in keinem anderen Bericht, der mir bekannt ist. Also das geht in Richtung der Kritik von der Sozialistischen Jugend. Die Evidenz zeigt, dass solche Bauprojekte die Probleme noch vergrößern. (Beifall bei den Grünen.)

Also, Herr Minister, ich appelliere an Sie: Sie entscheiden mit Ihrem Programm, was auch immer Sie tun, ob Sie uns in eine fossile Vergangenheit zurücksteuern, ob weiterhin die Luft mit mehr Abgasen von Straßenverkehrslawinen verpestet wird, ob der Boden mit noch mehr Beton versiegelt wird. Sie entscheiden auch darüber, ob die Natur in der Lobau oder in Vorarlberg oder wo auch immer weiter unberührt bleibt – es sind ja Naturschutzgebiete bedroht –, ob wir die für unsere Kinder und Enkelkinder erhalten oder ob das alles unwiederbringlich verloren ist. Und letztendlich entscheiden Sie auch darüber, ob diese Milliarden für diese Projekte ausgegeben werden oder für andere Projekte, die wir in Österreich absolut brauchen und den Menschen zugutekommen.

Zum Abschluss möchte ich einen Entschließungsantrag einbringen:

RN/14.1

Entschließungsantrag 

der Abgeordneten Leonore Gewessler, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „‚Lobauautobahn‘ S 1: Umsetzung der Erkenntnisse aus der Strategischen Prüfung Verkehr zur S 1 statt leichtfertige Aufnahme in ein Bauprogramm“

Der Nationalrat wolle beschließen: 

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur wird aufgefordert, dem Nationalrat

Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat-Süßenbrunn (Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel)

zügig eine Regierungsvorlage mit dem Inhalt einer Streichung dieser hochrangigen Straße aus dem Bundesstraßengesetz bzw. dessen Verzeichnis 2 zuzuleiten.“ 


Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.20

Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:

RN/14.2

Unselbständiger Entschließungsantrag: „Lobauautobahn“ S1: Umsetzung der Erkenntnisse aus der Strategischen Prüfung Verkehr zur S 1 statt leichtfertige Aufnahme in ein Bauprogramm von Leonore Gewessler, BA

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher auch mit in Verhandlung. 

Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Weinzierl. – Ihre eingemeldete Redezeit beträgt auch 5 Minuten. Bitte schön, Herr Abgeordneter. 

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.